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Ich weiß gar nicht mehr, was ich mir für eine Reaktion erwartet hatte, aber dass er mir wenige Minuten später die Tür vor der Nase zuknallt, war es sicher nicht.

Ich kann auch gar nicht erklären, ob in seinen Augen jetzt Schmerz oder Wut aufflackerte. Er sah kurz hinter mich und schlug die Tür zu.

Wenige Sekunden später stehen auch Louis und Leyla neben mir. "Carlos? Öffne bitte die Tür." Ruft Louis durch die Tür und überraschenderweise geht Carlos dieser Bitte nach. Fragend steht er in der Tür und während Louis zum Reden ansetzt, checke ich ihn so unauffällig wie möglich ab. Ich habe schon immer gewusst, dass ihm ein Drei-Tage-Bart stehen würde, aber jetzt real vor mir überwältigt es mich fast. Carlos hat sich ansonsten kaum verändert, sieht noch immer so scharf und anziehend wie vor ungefähr zehn Jahren aus.

"Willst du uns nicht reinbitten? Wir sind ganze fünf Stunden hierher gefahren nur für dich."

"Nur für mich?" Skeptisch hebt er eine Braue, öffnet aber langsam die Tür, sodass Leyla reinhuschen kann.

"Mega Einrichtung." Bemerkt sie grinsend. "Ich habe nicht gewusst, dass du so ein Auge  für Inneneinrichtung hast."

"Habe ich nicht. Stephie war das." Ich zucke kurz zusammen. Stephie. Sicher so eine hübsche Barbie, die ihm nur zu gerne bei mehr als seiner Einrichtung hilft. Wahrscheinlich würde er momentan auch jede andere lieber an ihn ranlassen als mich. Die Frau, dieihn damals nicht so geliebt hat, wie sie es sollte. Hätte ich ihm mehr vertraut...

"Stephie gehört zur Familie." Antwortet Louis schnell, als er meinen Blick bemerkt. Gott, ich hätte fast angefangen zu weinen. Was gibt mir das Recht, jetzt so emotional zu werden? Er gehört nicht mehr in mein Leben. Diese ganze Reise war bescheuert. In einem Monat heirate ich Chris. Zu ihm gehöre  ich. Ich muss nach Frankreich, um meiner Mutter zu helfen, alles für die Hochzeit vorzubereiten. Was mache ich hier noch hier? "Anscheinend gehört sie auch zu der einzigen Familie, die du noch an dich ranlässt", bemerkt er bitter.

Ein weiteres Mal frage ich mich, was in dieser Familie geschehen sein mag. Als sie gingen, hieß es noch, dass sie alle als Famili zusammenhalten wollen. Jetzt macht wohl jeder sein eigenes Ding.

"Was soll das schon wieder? Nach allem wolltet ihr mir doch den Raum lassen, um mich zu erholen! Jetzt sind zehn Jahre vorbei und ausgerechnet sie schleppst du an!" Carlos weist etwas Verletzliches auf. Früher war er immer mein Held, der Unverletzbare.

"Sollten zehn Jahre nicht genug sein?"

"Für dich vielleicht..." Murmelt er, wobei seine Augen wütend funkeln und er beginnt, immer wieder auf und ab zu gehen.

"Soll es so jetzt enden? Wir sind den weitend Weg zu dir gefahren und sollen schon wieder gehen?" Platzt es aus Leyla heraus. Keiner in dieser Runde scheint mehr gut gelaunt zu sein. Jetzt heißt es nur noch Klappe halten oder Wut rauslassen.

"Es hätte gar nicht so weit kommen sollen. Lasst mir beim nächsten Mal einfach zwanzig jahre, bis ihr euch einbildet, mich besuchen zu müssen!"

"Du bist immer noch so stur wie früher. Unsere Mutter hat zehn Jahre lang auf ein  Lebenszeichen von dir gewartet, doch was kam, war vor zwei Jahren ein dummer Brief, dass du dir ein Leben in Huelva, fünf Stunden von Consuegra, aufbauen willst! Du hast Consuegra geliebt, du hast die Windmühlen geliebt. Was ist los mit dir?! Jeden verdammten Tag habe ich die Windmühlen besucht und um dein altes Ich getrauert. Doch dich interessierst nur du. Du schmollst seit zehn Jahren. Fleur ist zurück, um sich zu entschuldigen, doch du bleibst stur! Du hast sie gottverdammt geliebt! Du warst verrückt nach ihr." Louis stockt kurz, um Luft zu holen. Sein Gesicht ist puterrot. Leyla und ich stehen geschockt neben ihm, während das Drama seinen Lauf nimmt. "Du bist ein Arsch. Weißt du das? Ach schmoll doch dein ganzes Leben. Aber denk ja nicht daran, irgendwann bei mir aufzukreuzen, wenn dir auffällt, wie allein du bist!"

Dann wird es still. Da Leyla und ich nicht wissen, wo wir hinschauen sollen oder wie wir reagieren sollen, sehen wir beide nur dumm auf den Boden. Wenige Minuten, nachdem wir Carlos Haus betreten haben, wurde mir schon klar, dass es naiv war, zu denken, dass ich zu ihm kommen würde nach allen, was passiert ist, er mir verzeihen würde und wir in unserem Palast glücklich leben würden, bis der Tod uns scheidet. Ich könnte mich ohrfeigen für all das. Letztendlich hat es einen Familienkrach ausgelöst. Und nur wenn ich Glück habe, kann ich Chris alles beichten und er mir verzeihen. Vielleicht baue ich noch einen Unfall auf dem Dachboden ein, als ich das Tagebuch gefunden habe. Eine Kopfverletzung macht das Ganze sicher glaubhafter.

"Ihr solltet jetzt gehen." Carlos zittrige Stimme bricht das Schweigen. In seinen Augen schwimmen kleine Tränen, als ich zu ihm aufsehe. Oder es sind einfach meine.

Dann verlassen wir sein Haus. Ich laufe hinter den beiden her und verabschiede mich von Freund, Familie und meiner ersten großen Liebe.

Kurz nachdem wir sein Haus verlassen habe, breche ich weinend auf dem Boden zusammen. Wenn ich eines vermeiden wollte, dann dass es so enden würde.

Dear First LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt