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Liebes Tagebuch,

Nach meinem letzten, verwirrendem Eintrag folgt wieder ein nüchterner.

Ob Carlos sich entschuldigt hat? Und für gewöhnlich macht er das sehr ungern! Das erfährst du hier. Und was die erste Schulwoche sonst so mit sich brachte.

Nachdem Carlos mich vor seinen Freunden als kleines Spielzeug benutzt und ich mich in der hintersten Ecke des Pausenhofes verkrochen habe, kam Leyla schon angerannt. Wie das eine beste Freundin nunmal tut.

Eine beste Freundin erkennt man deswegen sooo einfach. Mich fragen viele, wie ich mir bei Leyla so sicher sein kann, nachdem sie von ihren hintergangen worden sind. Und wie auch jetzt gibt es nur eine Antwort darauf:

Eine beste Freundin ist die, die mit dir hinter dem Kiosk vor dem Haus deines Schwarmes wartet und sobald er kommt genug Fotos für ein ganzes Album schießt, während du dich noch weiter dahinter versteckst, sodass im Zweifelsfall sie die verrückte Stalkerin ist.

Eine beste Freundin kommt um drei Uhr nachts zu deinem Haus und hebt das herausgefallene Fotoalbum deines Schwarmes auf, wenn du wegen deinen Eltern nicht aus dem Haus kannst und klettert selbstverständlich mitsamt Fotoalbum herauf, um zu checken, ob sie losmuss, um neue Fotots zu schießen.

Und selbstverständlich ist sie die mit den Masterplänen, um deinen Crush rumzukriegen und die mit der Kehrschaufel und dem Besen, wenn er dein Leben in einen Scherbenhaufen verwandelt und dich dann verlässt.

Zu dem Scherbenhaufen kam es mit Carlos noch nie, aber ich kann versichern, dass ich nicht nur ein Fotoalbum von ihm besitze.

Aber nun zurück zu Leyla. Wie jede gute Freundin hörte sie sich mein weinerliches Genuschel an, um mir dann zu versichern, was für ein Arschloch er ist, so mit mir zu spielen, nachdem ich ihm vollkommen vertraut habe.

Und wie es sich für einen Freund aus den Liebesdramen so gehört, kam Carlos nur fünf Minuten später angerannt, um mich als Häufchen Elend zu sehen und mir zu versichern, dass es ein dummer Fehler war, er mich über alles lieben würde und dass er einfach nur klarstellen wollte, dass ich ihm allein gehöre, was in dem Moment das Beste war, was er tun konnte.

Und wie es sich für das verletzte Mädchen gehörte, dessen Rolle ich eingenommen hatte, ließ ich zu, dass er sich vor mich kniete und mich in den Arm nahm.

Zehn Minuten später war alles vergessen. Er küsste mich und wartete vor dem Mädchenklo, dass ich meine verwischte Mascara entfernen und neue benutzen konnte. Zu seinen Freunden wollte ich danach nicht mehr. Ich hatte zu große Angst, jetzt nur noch als Objekt gesehen zu werden. Ich hatte nicht die Angst, dass man mich vögeln wolle, weil ich dafür nicht hübsch genug war. Ich wollte nur nicht, dass ich als ein Mädchen gesehen werde, dass sich an jeden ranmacht.

Doch am nächsten Tag war selbst das vergessen, da ich an diesem und an jedem restlichen Tag dieser Woche mit offenen Haaren, hübschem Sommerkleid und leichtem Schal die Schule betrat.

Und was an allem das Beste war, war Carlos anschließendes Schuldgefühl. So kam er jeden Tag, um mich zu meinem nächsten Kurs zu begleiten, wenn es in seinen Stundenplan passte und so saß ich täglich so nah bei ihm, dass es kein Junge je wagen würde, dem Latino sein Mädchen zu klauen.

Genau das ist auch der Grund, warum ich mich für Carlos und nicht für Chris entschieden habe. Carlos sieht seine Fehler ein und ist, selbst ohne einen gemacht zu haben, hilfsbereit, liebevoll und zudem immer auf mich bedacht.

Das war es für heute

Liebes Tagebuch

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