~Kapitel 4~

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Nachdem ich meine Augen erneut geschlossen hatte, kamen die Gedanken wieder. Mit aller Kraft versuchte ich diese Gedanken bei Seite zu schieben und meinen Geist frei zu machen.
Fieberhaft suchte ich eine Verbindung zu dem Baum vor mir, ich wollte es jetzt endlich schaffen mit ihm zu reden doch ich fand nichts. Nichts, was man auch nur als einen Hauch einer Verbindung bezeichnen könnte.
Erneut versuchte ich mich zu konzentrieren, doch es gelang mir nicht.
Konnte es wirklich so schwer sein, mit einem Baum zu reden?

Jemand tippte mir auf die Schulter und ich wirbelte herum. Meine Oma stand lächelnd vor mir, hinter ihr konnte ich eine Picknickdecke erahnen. Langsam stand ich vom Boden auf und ließ mich fünf Meter weiter auf die Decke fallen. „Und hat es geklappt?", wollte meine Oma wissen.

Resigniert schüttelte ich den Kopf. „Nein, hat es nicht. Ist es wirklich so schwer mit einem Baum zu reden?" „Du musst Geduld haben", beschwor sie mich, während sie mir ein Erdnussbuttertoast hinhielt.
„Du kannst nicht von heute auf morgen mit Pflanzen reden." Genervt verdrehte ich die Augen und biss in meinem Toast. Schweigend aßen wir, bis meine Oma ein neues Gesprächsthema anschlug:„ Was hast du in den Osterferien vor? Fährst du auf Jugendfreizeit?" „Vermutlich verbringe ich meine Zeit hier im Wald. Am Donnerstag habe ich Reitstunde",antwortete ich,nachdem ich runtergeschluckt hatte. „Ich auf einer Jugendfreizeit,ist das dein Ernst? So schüchtern wie ich bin, würde ich mit niemandem dort sprechen und dann bin ich ganz alleine." Meine Oma seufzte, sie hatte anscheinend gehofft , dass ich endlich mal über meinen Schatten springen und Kontakt zu anderen Jugendlichen suchen würde.

Wir schwiegen wieder eine Weile, bis ich wissen wollte:„Oma, bist du eigentlich in Viridi aufgewachsen? Und von wem wurdest du hier her, in diese Welt geschickt? Weiß Papa eigentlich von Viridi?" „Immer langsam mit den Fragen, Kind ", meinte meine Oma, „Ja, ich bin ihn Viridi aufgewachsen und habe wie jeder Rächerin mit elf meine Ausbildung begonnen. Ab meinem zwölften Geburtstag diente ich dann fünf einhalb Jahre lang. Nach einem halben Jahr, nachdem mein siebzehnter  Geburtstag vergangen war, wurde ich als Rächerin entlassen. Wie jede Rächerin ging ich dann zum Tempel der Terra, um mir einen Beruf auszusuchen. Doch da geschah dann etwas unglaubliches, Terra selber erschien mir, gab mir ihren Segen und trug mir auf, mich hier her in die Menschenwelt zu begeben." Ich nickte, zum Zeichen, dass sie weitererzählen sollte.

„Natürlich kam ich diesem Auftrag nach und begab mich in die Menschenwelt. Am Anfang war alles noch okay, der Klimawandel war noch nicht in Sicht, als ich im Jahr 2000 anfing hier zu leben. 2013 wurde dein Vater geborgen und ich hatte meinen Auftrag mittlerweile komplett links liegen lassen. 2018 wurde ich dann wieder etwas aktiver, in dem ich mich mit Greta Thunberg befasste, weswegen ich einen Monat in Schweden war. Danach ließ ich meinen Auftrag wieder schleifen, immerhin hatte ich etwas versucht. Als du dann 2041 geborgen wurdest hatte ich schon lange nichts mehr unternommen, unter anderem weil dein Vater zwischendurch im Krieg war und ich deiner Mutter beistehen musste. Und jetzt 2057 ist es zu spät. Der Klimawandel ist so weit fortgeschritten, dass er nicht mehr aufzuhalten ist, auch die natürlichen Ressourcen sind aufgebraucht und es war meine Aufgabe, dies zu verhindern und ich habe versagt"

Meine Oma sah mich aus traurigen Augen an und nun sah man ihr an, dass sie wirklich schon 79 war, normalerweise sah sie aus, wie 64. Ich kam rüber zu ihr und umarmte sie. „Aber immerhin hast du es wenigstens ein bisschen versucht", wollte ich sie aufmuntern, wusste aber innerlich, dass der Versuch lächerlich gewesen war. Sie drückte mir die Hand. „Jetzt ist es zu spät, meine Zeit hier ist bald zu Ende, aber Aiana versprich mir bitte etwas", sagte sie da, „versuch du, die Menschen zu ändern und meinen Auftrag wenigstens ein bisschen zu retten." „Versprochen Oma, ich werde etwas tun", versprach ich. Sie lächelte mich an. „Du bist ein gutes Kind. Komm lass es jetzt nach Hause gehen, du hast für heute genug geübt."
Zusammen machten wir uns auf den Weg nach Hause.

Dort angekommen, gab mir meine Oma noch einen Kuss auf die Wange, bis sie selber nach Hause ging. Ich schloss die Haustür auf, hängte den Schlüssel weg, entledigte mich meiner Jacke und den Turnschuhen und ging dann ins Wohnzimmer. Dort saß meine Mutter auf dem Boden, eine riesige Leinwand vor ihr, daneben eine Menge an Farben und Pinseln. „Hallo Aiana", begrüßte sie mich. „Wie war es mit Oma?" „Schön,wir haben ein Picknick im Wald gemacht", erzählte ich, während mein Blick über die Leinwand huschte. „Was malst du?" „Einen Baum, möchtest du mir helfen, die Blätter sind sehr viel Arbeit", antwortete sie. Ich nickte begeistert und schon bald arbeiteten wir einträchtig nebeneinander. Ein Seitenblick auf meine Mutter verriet mir, dass etwas vorgefallen sein musste. Sie summte vor sich hin und ein dauerhaftes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.

Das wunderte mich sehr, normalerweise war das Gesicht meiner Mutter durch Sorge gezeichnet, aus Angst, dass jeden Moment der Anruf kommen könnte, dass mein Vater Tod war. „Ist irgendetwas passiert?", wollte ich misstrauisch wissen und blickte zu meiner Mutter. „Nein, wieso ist alles super", erwiderte diese und lächelte mich an. Fragend zog ich eine Augenbraue hoch, doch dann zuckte ich mit den Schultern und wir arbeiteten schweigend weiter. Zwei Stunden später, war der große Baum fertig. „Sieht toll aus oder?", fragte meine Mutter und ich nickte nur staunend. Der Baum war wirklich toll geworden. Zusammen stellten wir die Leinwand an die Wand. „Was hälst du von Pizza und einem schönen Film?", wollte meine Mama wissen und ich nickte begeistert. Eine halbe Stunde später saßen wir gemeinsam auf der Couch und aßen Pizza Magaritha, während wir den Sternen so nah schauten. Solche Zweisamkeit mit meiner Mutter hatte ich schon lange nicht mehr erlebt und ich war sehr dankbar dafür. Später als ich im Bett lag, wundere ich mich erneut, warum mein Mutter heute so fröhlich gewesen war. Doch ich war so müde, dass es mir kein Grund einfiel.

Green ~ Eine verborgene WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt