Wieder oben in meinem Zimmer angekommen, ließ ich mich auf mein Bett fallen. Passend zum Anlass war es schwarz bezogen.
Ich kuschelte mich unter meine Bettdecke und als mein Buch weiter. Es hieß "Kalte Gesichter" und sprach von Trauer. Obwohl mich dieses Buch noch mehr an den Tod meiner Mutter denken ließ, las ich es immer weiter. Denn es war echt spannend.
Ich guckte auf meine Uhr. Es war nun abends.
"Papa, ich gehe noch etwas raus!", rief ich und zog mir eine Jacke über, denn am Abend wurde es immer kälter.
"Ja, mach das. Ich gehe noch kurz einkaufen."
Ich öffnete die Tür und etwas Wind kam mir entgegen. Es war frisch.
Ich brauchte jetzt etwas Zeit für mich, also wollte ich zur Brücke gehen. Denn hier in der Nähe gab es einen kleinen Fluss und somit auch eine Brücke.
Zuhause hatte ich keine Privatsphäre, denn mein Bruder oder auch mein Vater könnten jeden Moment in mein Zimmer hereinplatzten und das nervte mich tierisch, weil besonders mein Vater immer hereinkam ohne zu klopfen.
Ich war verzweifelt, traurig, wütend, fühlte mich einsam und alleine. So viele Gefühle. Und auch so viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Es war alles zu viel.
Ich heulte, ließ alles heraus. Denn hier war es egal. Es war niemand zu sehen, ich war draußen.
Hätte ich Mamas Unfall verhindern können?
Wieso war sie schon so früh gegangen?
Wie ging es meinem Vater und meinem Bruder damit?
Und die ganzen Veränderungen. Ich wollte das alles nicht.
Ich wollte nicht so leben. Ich fing an zu laufen, wurde immer schneller, bis ich schließlich rannte.
Die Brücke war nun in Sichtweite. Es war schon dunkel, der Wind fuhr durch meine Haare. Sie flogen. Ich fror im Gesicht. Meine Ohren waren schon rot vor Kälte.
Ich rannte auf die Brücke zu und blieb dann in der Mitte, am höchsten Punkt stehen. Ich streckte meine Arme zur Seite und fühlte mich frei. Wie ein Vogel.
Ich lehnte mich immer weiter über die Abgrenzung, schaute hinunter und sah das fließende reine Wasser.
Plötzlich spürte ich einen Drang. Ich überlegte zu springen. Ich fragte mich, wie ich nun auf den Gedanken kommen konnte, mein Leben zu beenden. Es könnte doch noch schlimmer kommen, oder etwa nicht? Jedenfalls insistierte der Drang.
Also kletterte ich über die Abgrenzung auf die andere Seite. Ich lehnte mich nach vorn.
Ich verspürte unendlich große Angst. Mein Herz fing an zu rasen. Auch mein Puls beschleunigte sich.
Sollte mein Leben wirklich so enden?
Wollte ich dieses Ende?
War ich wirklich so schwach?
Eigentlich hatte ich mein ganzes Leben noch vor mir. Ich wollte es nicht einfach so wegwerfen. Denn es war mir schon etwas wert.
Wer weiß, vielleicht würde ich ja noch mit Max zusammenkommen.
Aber nein, ich konnte meinen Vater und meinen Bruder in dieser schlimmen Situation nicht einfach so alleine lassen. Ich wollte noch weiterleben. Der Schmerz würde schon vorüber gehen.
Meine Hände wurden feucht, weil ich schwitzte vor Angst.
Auf einmal spürte ich, wie sie abrutschten. Scheisse!
In diesem Moment sah ich mein ganzes Leben einfach so wegfallen. Mir wurde speiübel. Ich wollte nicht sterben.
Also betete ich zu Gott. Bitte, bitte, bitte. Das war alles, was ich dachte.
Aber ich fiel einen kurzen Moment. Und dachte, es wäre aus und vorbei.
Während ich fiel diese eine Sekunde streckte ich meine Arme ruckartig nach oben und hoffte, dass ich mich irgendwo festhalten konnte.
Oh, Gott sei Dank. Ein Schmerz fuhr durch meine Hand, als ich mich an der Brücke gerade noch rechtzeitig festhielt. Eine Spannung baute sich in meinen Armen auf und es fing an, anstrengend zu werden. Der Schmerz wurde noch verstärkt, da ein Kieselstein in meine Handfläche drückte. Mir entfuhr ein Schmerzensschrei. Ich hatte Angst, ich würde es nicht schaffen. Angst, ich würde zu schwach sein. Mich nicht halten können.
Plötzlich spürte ich das ganze Blut durch meine Adern fließen. Adrenalin. Ich fühlte mich stark. Nun würde ich alles dafür geben, wieder auf der Brücke zu stehen. Denn ich hing an der Brücke und hielt mich mit meinen Händen fest.
Ich atmete noch einmal tief ein und nahm all meine Kraft zusammen. Dann zog ich mich mit einem großen Ruck hoch.
Woah. Ich hatte es geschafft. Ich war gerettet. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Und ab diesem Moment wusste ich mein Leben richtig zu schätzen.
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Es war kein Unfall
RomanceRosie war ein Mädchen aus wohlhabenden Verhältnissen. Aus Zufall, manche würden sagen, es wäre Schicksal gewesen, traf sie einen Jungen. Er stand ihr immer bei, ließ sie nicht alleine. Doch ihre Liebe brachte auch Probleme mit sich. Denn ihre Mutter...