Kapitel 25

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Dann war ich an der Reihe. Ich erhob mich von meinem Platz und ging nach vorn. Alles war still. Ich sah das Grab meiner Mutter und es war schwer. Ich wollte einfach nicht Abschied nehmen. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich stellte mich also vor die Menschenmenge und fing nach ein paar Sekunden an, meine Rede zu halten. Dabei ließ ich den Blick durch die Menge Streifen und suchte nach bekannten Gesichtern.

"Liebe Angehörige, liebe Freunde." Das waren meine einleitende Worte. "Wir alle befinden uns hier, weil meine Mutter gestorben ist. Es ist ein großer Verlust. Sie ist nicht mehr da und sie fehlt. Sie fehlt in jeder Hinsicht. Manchmal stehe ich auf und gehe runter in die Küche. Dort sehe ich meinen Vater, wie er das Frühstück vorbereitet. Sonst hatte meine Mutter das immer getan. Aber sie fehlt nicht nur deswegen, sondern auch, weil sie mich immer psychisch unterstützt hat und immer das beste für mich wollte. Sie hatte ein gutes Herz."

Plötzlich stockte mein Blick, denn zwischen all den Gesichtern, entdeckte ich sie. Stefanie. Die Frau, die sich plötzlich in das Leben meines Vaters eingeklinkt hatte. Es war nicht so, dass ich sie nicht ausstehen konnte, jedoch machte es mir keinerlei Freude, sie hier zu sehen. Was hatte sie hier zu suchen? Sie kannte meine Mutter doch gar nicht? Noch nie hatte ich sie vorher bei uns zuhause gesehen. Das fing erst nach ihrem Tod an. Wut überkam mich. Sie sollte hier verschwinden und sich nicht einschleimen! Ich wollte sie nicht sehen. Aber wieso musste sie so plötzlich in das Leben meines Vaters platzen?

Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und mir fiel auf, dass ich aufgehört hatte zu reden. Ich spürte wie ich rot wurde. Also räusperte ich mich und machte hastig weiter.

"Aber jetzt ist es passiert und keiner kann das Geschehene rückgängig machen. Und wieder denke ich, dass ich am Ende bin. Dass ich nicht mehr tiefer falle."

Wieder stockte ich und schluchzte.

"Aber immer wieder merke ich, dass es tiefer geht, und ich tiefer falle. Immer wieder denke ich, dass meine Schmerzgrenze erreicht ist. Dass ich nichts mehr fühle. Doch immer wieder merke ich, dass es mehr gibt, und ich mehr spüre. Immer wieder denke ich, dass ich aufgebe. Dass ich nicht mehr kann. Immer wieder merke ich, dass ich noch kämpfe, und noch lebe. "

Ich legte meinen Zettel zur Seite, entschlossen meine Meinung durchzubringen. Dabei schaute ich Stefanie an. Sie verhielt sich merkwürdig, denn als ich sprach, weinte sie.

"Aber meine Damen und Herren! Ich bin fest davon überzeugt, dass der Unfall meiner Mutter nicht einfach so passiert ist. Sie ist immer sehr vorsichtig gefahren. Darum verstehe ich nicht, wie dieser Unfall passieren konnte. Nehmen Sie sich diese Worte zu Herzen. Denken Sie darüber nach."

Manche schauten mich nun komisch an. Sie dachten sich bestimmt, so etwas passt nicht in einer Trauerrede, aber ich war fest von meiner Meinung überzeugt. Es war mir egal, was die Leute jetzt von mir dachten.

Plötzlich fiel mir auf, dass Stefanie weg war. Es wunderte mich, denn vor wenigen Minuten war sie noch hier gewesen.

Es war kein UnfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt