Kapitel 66

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"It was never the way she looked
always the way she was
I would have fallen in love with her
with my eyes closed."
- atticus

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Shawns Sicht:

Zwei Tage später war ich erneut in Brighton, in der Heimat meiner großen Liebe. Denn ich konnte nicht leugnen, dass ich sie noch immer liebte. Trotz all ihrer Taten spürte ich immer noch sämtliche Gefühle, wenn ich an sie dachte.
Vor vier Tagen war mein Leben auf den Kopf gestellt worden, einmal komplett umgekrempelt. Ich hatte es immer noch nicht realisiert, dass ich sie nie wieder so nahe bei mir haben würde, dass ich sie nie wieder berühren und küssen konnte. Hätte mir jemand damals am Flughafen gesagt, dass es unser letzter Abschied sein würde, unser letzter Kuss – ich wäre einfach nicht gegangen. Ich hätte sie festgehalten, so lange wie möglich. Nie wieder hätte ich sie alleine gelassen.

„Shawn, bist du dir wirklich sicher, dass du das willst?", fragte Andrew mich besorgt, als wir vor dem Gebäude standen, in dem Macy festgehalten wurde. Untersuchungshaft musste hart sein, aber sie war schuldig, also hatte sie es verdient. Trotzdem brach es mir das Herz, dass wir uns hier wiedersahen. Immer wieder hatte ich gehofft, dass es nur ein böser Traum war und ich neben Macy aufwachen würde, aber vergebens. Es war die pure Realität und es schmerzte höllisch.

Andrew half mir es durchzustehen. Nachdem er verkündet hatte, dass meine Asientour auf Anfang Januar verschoben wurde, war er sofort nach Brighton gekommen, damit wir uns hier treffen konnten.
Einen ersten Besuch bei einem Therapeuten hatte ich gestern früh in Toronto erfolgreich gemeistert, unter Tränen und mit Schreien, aber ich hatte es geschafft mein Herz zu öffnen und die Gedanken, die in meinem Kopf umherschwirren, auszusprechen. Danach war ich ins Flugzeug gestiegen und nun war ich hier. Ich wollte keine Zeit verschwenden, bevor ich es mir doch anders überlegte. Mein Herz sprang mir beinahe aus der Brust vor Aufregung und Panik.
„Ja, ich will mit ihr reden."
Andrew legte mir eine Hand auf die Schulter und nickte mir stolz zu. Wir hatten noch keine Zeit gehabt uns zusammenzusetzen und uns wirklich auszusprechen, aber der Streit zwischen uns war vorbei und das war alles, was zählte.

Wir gingen hinein und Andrew kümmerte sich um die Formalitäten, damit ich Macy einen Besuch abstatten durfte. Meine Hände waren ganz schwitzig und sie zitterten wie verrückt. Nervosität war gar kein Ausdruck um mein aktuelles Befinden zu beschreiben. 
Als ein Polizist mich zu dem Raum führte, in dem Macy sich aufhielt, wurde mir schlecht. Hinter dieser Tür saß die Frau, die mich nur mit einem Blick verrückt machen konnte. Ich hatte wahnsinnige Angst, wie ich auf ihren Anblick reagieren würde, welche Gefühle in mir hochkommen würden. Am liebsten wollte ich gar nichts fühlen, aber ich wusste, dass das nicht möglich sein würde.
Der Polizist öffnete die Tür. Nein, ich war doch noch gar nicht bereit. Verdammt.
Und da saß sie. Wunderschön und doch so zerbrochen. Ihre Haare fielen ihr offen über die Schultern und sie kamen mir tatsächlich ein bisschen länger vor. Ihre Augen waren auf die Tischplatte vor ihr gerichtet, sie hatte noch nicht einmal zu mir aufgesehen. Hatte sie überhaupt mitbekommen, dass jemand den Raum betreten hatte? Sie wirkte abwesend, übermüdet und geschlaucht. Sie sah so hilflos aus und ich konnte einfach nicht glauben, dass eine Frau wie sie, zu so etwas im Stande war. 
„Sie haben zehn Minuten", murmelte der Polizist leise, schloss die Tür und blieb davor stehen, damit er uns beobachten konnte und im Notfall eingreifen konnte. Ich wollte gar nicht glauben, dass Macy mir irgendwas antun könnte, aber ich wusste nicht mehr, wer diese Person war, die jetzt vor mir saß.

„Macy", flüsterte ich leise. Ich blieb wie erstarrt im Raum stehen, weil sie zu mir hochschaute. Sie sah mir direkt in die Augen und verdammt, mein Bauch kribbelte wie verrückt. Mein Herzschlag beschleunigte sich, mir wurde warm und ich bekam trotzdem eine Gänsehaut. Alle Gefühle für sie waren noch da. Ich war immer noch unsterblich in diese Frau verliebt, obwohl ich es nicht wollte. Obwohl ich eigentlich Angst haben müsste.

this is what it takes - s.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt