Kapitel 19

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Vodice, 5. August 2019

Rafs POV:

Ich kann nicht schlafen. Es ist gerade halb vier Uhr am Morgen. Um eins haben sich alle in ihre Zimmer verzogen um zu schlafen. Wir wollen den morgigen Tag noch in vollen Zügen genießen ehe wir dann am späten Abend abreisen. Nun liege ich wach. Seit Stunden. Ich drehe mich von links nach rechts, von rechts nach links und wieder zurück. Mein Knöchel schmerzt bei jedem umdrehen. Außerdem tut mir, wie immer wenn mich irgendetwas zu sehr aufwühlt, mein Bauch weh. Das hatte ich schon als Kind immer. Kaum stand irgendetwas Wichtiges an, oder ich hatte einen schlimmen Streit mit jemandem der mir wichtig ist, hatte ich Bauchweh. Das hat meiner Mutter einiges an Nerven gekostet, doch sie hatte immer die passende Lösung parat. Oft hat sie mir stundenlang den Bauch massiert, damit ich endlich einschlafen konnte, oder sie hat mir irgendwelche homöopathischen Tropfen verabreicht. Die haben sogar wirklich geholfen. In Gedanken drifte ich ein wenig ab...

Flashback

„Raphael? Wieso bist du noch wach? Du solltest längst in deinem Bettchen liegen und schlafen mein Schatz. Morgen hast du deinen ersten ‚Test'", dringt die strenge Stimme meiner Mutter an mein Ohr. Ich habe mich leise ins Wohnzimmer geschlichen und auf die Couch gesetzt. Meine Eltern waren eigentlich beide schon im Bett. Keine Ahnung warum Mama wieder aufgewacht ist. Aber sie hat Recht. Es ist spät und ich habe morgen das erste Mal so etwas wie einen Test. Ich gehe jetzt schon in die 4. Klasse Volksschule und morgen steht eine erste Leistungsüberprüfung an. Ich weiß nicht genau was damit gemeint ist, aber meine Lehrerin, Frau Meier, sagt es ist nötig um einschätzen zu können welche Kinder später in ein Gymnasium kommen und welche auf die Hauptschule.

Ich bin sehr nervös. Ich will nicht dass Frau Meier glaubt ich bin dumm. Ich bin nämlich nicht dumm. Nur manchmal ein bisschen zu faul für die Schule. Oder eher für die Schulaufgaben. Aber Mama sagt immer ich bin ein guter Junge. Ich bin ein schlauer Junge. Mama sagt, ich kann später nach der Volksschule auf eine Musikschule gehen. Ich habe so viel Talent sagt sie. Ich spiele Geige, Klavier und schon ein bisschen Gitarre und übe sehr fleißig. Mama sagt ich bin ein guter Junge. Ein schlauer Junge. Ich werde den Test also sicher auch gut schaffen. Ich habe auch etwas dafür gelernt, weil ich Frau Meier beweisen will, dass ich ein schlaues Kind bin. Aber ich bin soooo nervös. So nervös, dass es mir ganz schlecht geht. Mein Bauch tut so weh ich hoffe ich kann überhaupt in die Schule morgen. „Mein Bauch tut weh", jammere ich leise als meine Mutter sich zu mir auf die Couch fallen lässt.

„Ach Raphael" Sie streichelt mir behutsam über den Kopf. „Du bist ein schlauer Junge. Und du hast dafür gelernt. Du schaffst diesen Test bestimmt leicht. Mach dir keinen Kopf" Sie drückt mir ein Küsschen auf die Stirn. Ich seufze. „Aber was wenn nicht Mama? Bin ich dann zu dumm für die Musikschule?", frage ich sie nervös. Ich rutsche unruhig auf meinem Po hin und her. Ich kann nicht richtig still sitzen. Mama sagt manchmal ich habe Hummeln im Hintern. Keine Ahnung was sie damit meint, aber ich habe mal nachgesehen, da sind keine Hummeln. „Natürlich nicht mein Schatz. Es gibt genug Musikschulen. Die werden sich um dich reißen mein Kleiner", sagt sie sanft und zieht mich in eine innige Umarmung. „Ich hab dich lieb Mami", sage ich leise. Sie drückt mich noch enger an sich. „Ich habe dich auch lieb Raphael.", erwidert sie. Als sie mich los lässt sieht sie mich streng an. „Aber jetzt musst du wirklich ins Bett", sagt sie und hebt tadelnd den Finger. „Ich muss mal Mami... mein Bauch tut noch immer weh", jammere ich. Sie sieht mich an. „Du gehst mal aufs Klo und dann erwarte ich dich im Badezimmer. Mami gibt dir Zaubertropfen gegen Bauchweh. Du wirst sehen die Helfen"

Flashback Ende

Keine Ahnung was genau sie mir da immer gegeben hat, aber es hat wirklich jedes Mal geholfen. Ich vermisse gerade meine Mutter so sehr. Ich fühle mich einsam und kann einfach noch immer nicht schlafen. Der unnötige Streit mit Adriana belastet mich sehr. Ich nehme mein iPhone zur Hand und rutsche aus dem Bett. Leise schleiche ich raus auf den Gang. Alle anderen Zimmertüren sind geschlossen. Es schlafen ja auch alle. Ich schlurfe in die Küche, wo ich mir eine Flasche Mineral und ein Gals Yamazaki mitnehme. Dann gehe ich auf die Terrasse und lege mich auf ein Liegebett. Ich habe eine kuschelige Decke von drinnen mitgenommen mit der ich mich jetzt zudecke. Obwohl wir Anfang August haben, ist die Nacht doch recht frisch. Es ist sternenklar und ich blicke in den Himmel. Seufzend nehme ich mein Handy zur Hand. 4:00 Uhr. Ich öffne den Chat mit meiner Mutter. Im Moment ist sie wieder in der Schweiz. Kürzlich habe ich ihr eine Wohnung in Wien gekauft, damit sie wenn sie nach Wien kommt auch ein zu Hause hat. Sie ist mal hier mal dort, immer viel unterwegs. Zuletzt online war sie gestern um 22:15 Uhr. Tu me manque tippe ich ins Textfeld und sende die Nachricht ab. Oh ja meine Mama fehlt mir gerade sehr. Und meine kleine Schwester. Ich brauche dringend jemanden zum Reden. Jemanden außer meine Jungs. Der Streit mit Adriana war mal wieder völlig unnötig und hat sich total hochgeschaukelt. Es verletzt mich sehr, dass wir gerade in letzter Zeit so viel streiten. Ich will diese Frau heiraten. Ich liebe sie. Aber gerade in den letzten Wochen und Monaten fliegen bei uns ständig die Fetzen. Immer wegen Kleinigkeiten. Immer eskaliert es.

Raf Camora FF/Will nur sie keine andreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt