Das bringt doch nichts

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Missmutig starrte Max aus dem Fenster. Das alles ging ihm zu langsam! Nun war er schon eine Woche hier und es passierte gar nichts. Immer wieder sollte er über seine Gefühle reden!

Müde strich er sich durch die Haare. Was hatten nur alle immer mit ihren Gefühlen? Es hatte doch nichts mit Gefühlen zu tun, dass er Schuld an dem missglückten Einsatz hatte. Er war der Verantwortliche gewesen, er hatte die Organisation gehabt und er hatte es verbockt! Diese Schuld trug er und durch's Reden über seine Gefühle, würde die Schuld nicht einfach weg gehen.

Bella,...

Wie sehr er ihre Nähe vermisste. Sie in dieser Zeit alleine lassen zu müssen, hatte ihm widerstrebt. George schrieb ihm jeden Tag Nachrichten, dass alles in Ordnung sei,... doch lieber hätte er sich selbst davon überzeugt.

„Mr. Bennett? Dr. Thompson erwartet Sie."

Max drehte seinen Kopf zur der jungen Schwester und nickte ihr zu.

„Ich komme sofort."

Die Schwester nickte und verließ das Zimmer. Nachdenklich sah Max weiter aus dem Fenster. Das letzte Telefonat mit Bella war nicht so verlaufen, wie er sich das vorgestellt hatte. Ob sie seinen Brief schon erhalten hatte?

Müde massierte er sich die Schläfen. Er hatte sie nicht so angehen wollen, aber seitdem er von ihr getrennt war und hier fest saß, war er angespannt und geladen. Er wusste, sie wollte ihm nur helfen, aber das konnte sie nicht. Er wusste ja noch nicht einmal, ob sie ihm hier wirklich helfen konnten.

Was, wenn das alles nichts brachte? Was, wenn er das alles niemals verarbeiten konnte? Max ballte die Fäuste. Er wusste, dass er dann Bella verlassen musste. Sie brauchte einen Mann an ihrer Seite, der stark war. Momentan war er alles, nur nicht das. Er würde ihr so nur im Wege stehen. Sie konnte so einen Skandal nicht noch einmal gebrauchen. Wie viele unschuldige würde er noch angehen?

Erschöpft machte er sich auf den Weg. Er hasste diese Einzeltherapien. Aber er musste es probieren, ihm blieb nichts anderes übrig.

„Mr. Bennett, schön Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen heute?"

Max zuckte die Achseln.

„Wie gestern."

Verständnisvoll blickte ihn die Ärztin an.

„Das heißt genau? Beschreiben Sie es mir."

Max lief unruhig durch den Raum.

„Ich komme nicht zur Ruhe,... ich,... ich habe das Gefühl alles entgleitet mir und wir kommen nicht voran."

Wütend über sich selbst fuhr er sich durch die Haare.

„Wieso haben Sie das Bedürfnis alles unter Kontrolle haben zu wollen?"

„Das ist mein Job!"

„Ihr Job ist es andere Menschen zu beschützen Mr. Bennett. Schließt das tatsächliche Kontrolle mit ein? Oder ist es nicht ein jeweiliges reagieren auf Situationen? Kann man überhaupt alles kontrollieren?"

Überfordert mit seinen Emotionen drehte sich Max zum Fenster.

„Logisch betrachtet weiß ich, dass man nicht alles kontrollieren kann."

Die Ärztin schwieg und wartete, dass Max weiter redete. Dieser ballte die Fäuste.

„Aber ist es nicht normal, dass man es gerne würde? Ich meine,... dann wäre das alles nicht so passiert."

Er spürte den Blick der Ärztin auf sich ruhen.

„Ist das so? Woher nehmen Sie dieses Wissen? Mr. Bennett was heißt es für Sie zu leben? Fühlen sie sich lebendig, wenn sie alles unter Kontrolle haben?"

Erschöpft ließ Max sich auf den Sessel nieder und sah auf seine Schuhe.

„Ich weiß es nicht,... ich,... ich wollte nicht mehr leben. Ich meine nicht, dass ich mich umbringen wollte, verstehen Sie das nicht falsch. Aber wie hätte ich ein glückliches Leben führen sollen, mit dem Wissen, dass Steward es nicht mehr konnte? Das wäre nicht richtig gewesen."

Die Ärztin legte den Block beiseite und beugte sich zu ihm nach vorne.

„Selbstkasteiung nennt man das Mr. Bennett. Doch das hilft nicht! Zum einen lebte Ihr Freund noch, auch wenn Sie es nicht wussten,... und selbst wenn er Tod gewesen wäre, was bringt ihnen die Selbstkasteiung? Nichts! Steward war Ihrer Meinung nach Tod, also hat es gar nicht mitbekommen."

Nachdenklich musterte die Ärztin ihn. Max rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Er mochte es nicht so im Mittelpunkt zu stehen.

„Aber diese Frage nach der Schuld,... Mr. Bennett, wofür geben Sie sich noch die Schuld? Denn den Weg der Selbstkasteiung haben Sie nicht nur gewählt wegen des missglückten Einsatzes im Irak?"

Verwirrt runzelte Max die Stirn. Was wollte die Frau jetzt von ihm?

„Wie kommen Sie jetzt darauf?"

Max spürte wie er in Abwehrstellung ging.

„Naja,... die letzten Gespräche,... immer wieder reden Sie von Schuld. Dieses Wort sitzt tief in Ihnen. Das kommt nicht von irgendwo her. Es scheint etwas zu geben, was Sie sich selbst immer noch nicht vergeben haben und damit meine ich nicht Steward. Steward lebt, das wissen Sie mittlerweile,... da haben Sie sich also nichts zu verzeihen. Was ist es aber dann?"

Max schloss die Augen. Bilder durchfluteten ihn. Bilder die er mit aller Macht versuchte wegzudrücken. Hastig sprang Max auf.

„ Auch wenn Steward lebt,... so habe ich mir trotzdem vorzuwerfen, dass ich ihn zurück gelassen habe. Ich habe mir vorzuwerfen, dass ich unschuldige Menschen angegriffen habe, wie den Reporter und den Jungen damals,..."

„Sie haben den Rest ihrer Truppe beschützt. Wären Sie dort geblieben, wären vielleicht andere zu Schaden gekommen, haben sie mal darüber nachgedacht? Es ist müßig darüber zu philosophieren oder? Der Reporter, der Junge,...
Max sicherlich war es nicht schön, aber diese Menschen leben und Sie haben aus Angst gehandelt. Es war eine Überreaktion,... und die ist menschlich. Fehler passieren! Wenn jemand anderes in Ihrer Lage stecken würde, würden Sie dann auch so hart urteilen?"

Max runzelte die Stirn. Zögerlich schüttelte er den Kopf.

„Nein,... ich glaube nicht. Aber es spielt keine Rolle. Es war niemand anderes. Ich habe es getan!"

„Wieso gehen Sie mit sich selbst dann so hart ins Gericht? Was ist es, wofür Sie noch die Schuld tragen?"

„Ich kann das nicht! Das bringt doch nichts. Die Vergangenheit kann ich nicht ungeschehen machen."

Wütend starrte er die Ärztin an. In ihm tobten die Gefühle. Gefühle die er nicht haben wollte.

„Nein, das können Sie nicht. Die Vergangenheit rückgängig machen geht leider nicht. Aber sich selbst zu verstehen, sein Handeln zu verstehen, seine Gefühle zu verstehen, das kann man, wenn man die Vergangenheit betrachtet und akzeptiert. Akzeptieren Sie die Vergangenheit Mr. Bennett?"

Max schüttelte den Kopf.

„Lassen Sie das! Das bringt doch nichts!"

Wütend über die Ärztin, über sich selbst und über die ganze Welt stürmte Max aus dem Zimmer. Er musste sich abreagieren. Ohne nachzudenken stürmte er in den Fitnesstraum. Hier fühlte er sich wohl. Hier konnte er zumindest etwas für seine Fitness tun.

Wie besessen stemmte er die Hanteln. Er wusste nicht wie lange er sich in diesem Raum auspowerte, aber er spürte seine Sehnen und Muskeln nur zu deutlich, als er erschöpft zu seinem Zimmer lief.

Völlig fertig ließ er sich aufs Bett fallen und genoss die Schmerzen in seinem Körper. Er hatte seine Körper überanstrengt,... seine Muskeln zitterten immer noch vor Erschöpfung und das Atmen tat weh,...

Aber genau so wollte er es. Er zog den körperlichen Schmerz dem seelischen vor!

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Hey meine Süßen! Es hat ewig gedauert 🙈 aber die Kapitel haben es momentan in sich 🧐 ich hoffe ihr freut euch trotzdem ❤️

Hold you (Band 2) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt