VI. Der Albtraum vom Fall

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Es war ein höllischer Schmerz, der Crowley's Wirbelsäule entlanglief, als er und die anderen rebellischen Engel bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Der Zorn des Allmächtigen überschwemmte sie und hinterließ auf dem gefallenen Engel physische Narben - schwarze Flügel, gelbe, geschlitzte Augen.

Der Schmerz war unerträglich und er schrie qualvoll auf, während jeder Teil seines vorherigen Ichs ausgelöscht wurde. Er gehörte nicht hierher.
Dies war nur ein Missverständnis, das würde sie sicherlich verstehen, oder?

"Bitte! Lass mich nicht mit ihnen gehen", rief er und griff nach oben, um ein Stück des Lichts aufzunehmen, das über ihm aufragte. Das Licht, von dem er einmal ein Teil war. "Ich werde gut sein! Ich werde still sein ..."

Es kam keine Antwort.

"Tu mir ... das nicht an. Ich bitte dich, bi-"
Sie stand unerschütterlich und unbarmherzig da und bevor er ein anderes Wort sagen konnte, verschwand sie für immer.

„Wie kannst du das tun?", dachte er, als die Flammen über seine Fersen leckten.
Wie könnte jemand behaupten, etwas so sehr zu lieben? Sie sollte uns lieben.

Crowley begann sich taub zu fühlen, als er weiter und tiefer herabstieg, alles um ihn herum geriet außer Kontrolle und die Welt schien ein verzerttes Bild zu sein, bis alles, was übrig blieb, völlige Dunkelheit war.

Der Dämon wurde aus dem Schlaf gerissen, als sich seine pechschwarzen Flügel zeigten.

Nein, nein, nein. Bitte, nein, um Satan's-Gottes-Jemandes Willen. Nicht, wenn Erziraphael hier neben ihm war.

"Crowley?", fragte eine vertraute Stimme. Es war das Letzte, was er jetzt hören wollte, also versteckte er sich sofort hinter seinen Flügeln und schuf eine Barriere zwischen ihm und der Außenwelt. Der Körper des Dämons spannte sich an und er zog seine Knie nahe an seine Brust und ergriff seine Arme fest. Sein Atem ging sporadisch, als er versuchte, das Schluchzen zurückzuhalten.
,,Shhh ... es ist in Ordnung." Erziraphael war sofort an der Seite des Dämon.
,,Ich bin es nur. Schau, ich bin hier, niemand wird dich verletzen", sagte der Engel mit der leisesten Stimme.

Crowley blickte zwischen seinen Federn hervor und zu dem Engel auf. Sein Fokus wurde sofort auf dessen Augen gelenkt. Sie waren ein durchdringendes Blau, vermischt mit etwas gräulichem.
,,Gut." Er schenkte dem Dämon ein müdes Lächeln, streckte langsam die Hand aus und ließ diese dann zögernd über einen der Flügel des Dämon schweben, bevor er fortfuhr. „Darf ich dich berühren?"
Seine Frage wurde mit einem schwachen Nicken beantwortet. Er legte seine Hand zärtlich auf seinem Flügel ab, mit der anderen ergriff er die von Crowley, und hoffte, dass die Aktion ihm helfen würde, wieder in die Realität zurückzukehren.

,,Es tut mir leid ...", murmelte Crowley plötzlich etwas verlegen. ,,Ich- ich wollte dich nicht stören ..."
,,Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist nicht deine Schuld."
Erziraphael drückte die Hand des Dämon fester, damit er sich sicher fühlte.
,,Was hat das verursacht?"
,,Nichts. Es ist in Ordnung ... Wirklich keine so große Sache", sagte Crowley lässig. Er wollte ihn nicht noch mehr beunruhigen.
"Lüg mich nicht an, Crowley. Man wacht nicht wegen Nichts in einem kalten Schweiß auf, es gibt offensichtlich etwas, das dich bedrückt. Bitte sag mir, was wirklich los ist."

Der Dämon schaute verlegen weg, natürlich würde Erziraphael so hartnäckig sein, was hatte er erwartet? Er war zu schlau.

Crowley spürte, wie sich sein Hals verengte, als er sich von Erziraphael's Griff löste und sein Gesicht in seinen Händen vergrub. Seine Sonnenbrille wäre im Moment sehr hilfreich gewesen, denn ohne sie fühlte er sich verletzlich. So, als könnte der Engel bis auf seine geschundene Seele niederblicken.

„Ich war ... wieder da. Ich meine, im Himmel. Ich dachte, ich wäre mittlerweile daran gewöhnt, aber manchmal bekomme ich diese ... Rückblenden vom ... Fall." Der Dämon lachte trocken auf.
,,Obwohl ich mich immer so elend fühle und ich es auch nicht ändern kann, ist es so verdammt frustrierend. Ich hasse es, mich schuldig zu fühlen. Ich hasse es, den gleichen Moment noch einmal zu durchleben - immer wieder aufs Neue. Aber ... vielleicht ist es das, was ich verdiene- "
,,Nein, Crowley", protestierte Erziraphael, ,,das hast du sicher nicht verdient."
Er beugte sich näher zu Crowley, der immer noch ziemlich erschüttert war.

Crowley warf Erziraphael einen Blick zu, der nichts als Liebe in den Augen hatte und ungläubig den Kopf schüttelte.

„Natürlich habe ich es verdient. Ich bin ein Dämon, Engel."
Diese Worte brachen Erziraphael das Herz. Der Dämon sah nach unten, als sich seine Brust unbehaglich zusammenzog. Erziraphael legte eine Hand sanft an Crowley's Wange und wischte eine der vielen Tränen weg.

"Engel, ich denke, ich gehe besser", sagte Crowley, als er nach Erziraphael's Handgelenk griff.
„Warte. Kannst du nicht noch eine Weile bleiben?" Sein Gesicht war so süß, die Augen flehten Crowley regelrecht an, bis zum Morgen zu bleiben. Eine Seite von ihm schrie: ja, bleibe!, und die andere rief zurück: geh nach Hause, es lohnt sich nicht.

"Ich kann es wirklich nicht. Ich habe einige ... Dinge, um die ich mich kümmern muss." Er hasste die erbärmliche Ausrede und eine enttäuschte Stille erfüllte den Raum. So konnte er den Engel nicht zurücklassen, weshalb er sich schnell etwas ausdachte. "Abendessen?"

Erziraphael begann zu strahlen und ein Winkel von Crowley's Mund zuckte unwillkürlich.
,,Oh, das wäre schön." Sein Lächeln war wie ein Leuchtfeuer, hell und für jeden deutlich zu sehen.
,,Gut." Crowley erhob sich von der Couch, die Flügel waren verschwunden. ,,Bis später, Engel."
Er trat aus dem Hinterzimmer und aus dem Buchladen in die kühle Nachluft heraus.

"Auf Wiedersehen, Crowley!", rief Erziraphael. Die Tür fiel in das Schloss und Crowley hörte das leise Klingeln einer Glocke und ein etwas verzweifeltes, gedämpftes "Fahr vorsichtig", während er zur Fahrerseite seines Bentley ging und einstieg.

Es gab ein Wort für dieses Gefühl, das jedes Mal hochkam, wenn er bei dem Engel war. Es war ein altes Wort, ein Wort, das er im Laufe der Jahre unzählige Male in Hunderten von Sprachen gehört hatte. Es fühlte sich verboten an, als ob ein Dämon so etwas nicht fühlen sollte oder könnte. Es war begraben in einer bizarren Ecke seines Verstandes und er suchte danach, suchte lange. Dann, nach einer Beinahe-Kollision mit einem Laternenpfahl (Danke ... Satan, für nichts), fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen.

Liebe.

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