VII. Die späte Verabredung

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Es war kurz nach halb neun und Crowley entdeckte Erziraphael wie üblich im Green Park, nur einen kurzen Spaziergang vom Ritz entfernt.  Normalerweise war es Erziraphael, der unangenehm pünktlich war, und Crowley, der zu spät ankam und leicht nach verbranntem Gummi roch, aber heute hatte sich der Spieß umgedreht, und Crowley war überrascht.

Er beobachtete, wie Erziraphael auf ihn zuging und wartete auf den Moment, in dem der Engel bemerkte, dass er auf ihrer Lieblingsbank saß.
Erziraphael grinste kurz, doch dann bildete sich eine Linie der Sorge zwischen seinen Augenbrauen. Seine Hände hob er an den Bauch und presste sie zusammen, während er sein Tempo beschleunigte.

,,Crowley, es tut mir so leid", sagte er, sobald er in Hörweite war, "ich hatte eine Bestellung für ein Buch, das ich einfach nicht finden konnte und ich musste es noch versenden. Die Verpackung-"
,,Mach dir keine Sorgen, Engel. Ich habe nur ein paar Minuten gewartet", sagte er beruhigend. Erziraphael nickte, sein Gesicht entspannte sich nach ein paar Sekunden und verwandelte sich zu seinem üblichen angenehmen Lächeln.
,,Sollen wir?", fragte Crowley und streckte einen Arm in die Richtung eines neu eröffneten Restaurant's aus.
,,Liebend gern", grinste Erziraphael und Crowley konnte nicht anders, als ein kleines Lächeln zurückzugeben.

* * *

,,Was machst du eigentlich den ganzen Tag, Crowley?"
Diese Frage kam erst, nachdem Erziraphael mit dem Schwärmen über Shakespeare fertig war und die Hauptgerichte gebracht wurden. Er aß fröhlich und war über die Kochkünste begeistert, während Crowley nach Essen griff, das er hauptsächlich zum Wohl des Engels bestellt hatte. Er dachte eine Sekunde lang ernsthaft nach und war bestürzt, als die einzige Antwort, die er finden kann, darin bestand: ,,Zeit mit dir verbringen und die Gedanken in meinem Kopf sortieren."
Natürlich gab es dort noch mehr zu sagen, aber er konnte doch nicht zugeben, dass er eine Lieblingsserie besaß, oder?
,,Gibt es da denn so viel zu ordnen?", wollte sein Gegenüber wissen.

Wenn du wüsstest, Engel. Allein die Tatsache und dass er sich dessen auch noch im Klaren war, Erziraphael zu lieben, machten ihm zu schaffen.

,,Hm, naja. Jetzt haben wir erstmal unsere Ruhe und viel Zeit für ein ... normaleres Leben", sagte Erziraphael und sah unsicher aus.
,,Und mit "normal" meinst du menschlich?", fragte Crowley und stocherte in seinem Medium-Steak herum.
,,Nicht wirklich", meinte Erziraphael mit zusammengezogenen Brauen. 
„Auch wenn ich denke, dass es so sein könnte."
Crowley lächelte, ein unscheinbares und nicht beabsichtigtes Lächeln. Die Art und Weise, wie Erziraphael manchmal seine Meinung über verschiedenste Dinge änderte, war absolut bezaubernd. Er konnte nicht widerstehen, jedes Argument mit seinen Fragen zu durchlöchern, weil Erziraphael sich sofort in ein nervöses Nervenbündel von Rechtfertigungen und Zappeln verwandelte.
Es sollte wahrscheinlich nicht so knuffig sein, aber wenn er sich an diesem Punkt befand, an dem er das Wort "Liebe" verwendete, um seine Gefühle gegenüber dem Engel zu beschreiben, war es sowieso so gut wie um ihn geschehen. Er war verloren, hoffnungslos.

,, ... aber wenn du jemals etwas zu tun brauchst, bist du bei mir immer willkommen. Es gibt jeden Tag viel zu tun", bot Erziraphael an und Crowley merkte, dass er beim größten Teil dessen Monologes überhaupt nicht dazugehört hatte. Er schaute den Engel verträumt an, ein sanftes und fast schon verliebtes Lächeln auf den Lippen.
Erziraphael fummelte mit seiner Serviette herum, sodass es so aussah, als hätte er fast Angst vor dem, was er gerade eben gesagt hatte. Crowley schob den Gedanken beiseite, es war wahrscheinlich eh nicht wichtig, und außerdem war Erziraphael derjenige, der jede Interaktion analysierte, und nicht Crowley.  Er würde damit verdammt nochmal nicht anfangen.

𝕴𝖓𝖊𝖋𝖋𝖆𝖇𝖑𝖊 • 𝕲𝖔𝖔𝖉 𝕺𝖒𝖊𝖓𝖘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt