Hicks
Es gab Tage, an denen einfach alles perfekt lief. Man wachte gut gelaunt und fit auf, verstand sich bestens mit seinen Mitmenschen und alles, was man sich vornahm, funktionierte einwandfrei. Heute war keiner dieser Tage.
Nachdem ich die halbe Nacht wachgelegen war und darüber nachgedacht hatte, was wir wegen Romi unternehmen sollten, war ich völlig unausgeschlafen aufgewacht, nur um dann feststellen zu müssen, dass die Zwillinge es für lustig befunden hatten, mich im Schlaf auf einen Baum zu verfrachten. Danach stieß mein Vorhaben, nach Romi zu suchen, um noch einmal mit ihr zu reden, nur auf Gemeckere. Und jetzt flogen wir seit Stunden durch die Gegend, ohne etwas zu finden. Zu allem Überfluss schien es Ohnezahn nicht gerade gut zu gehen, denn er sackte immer mal wieder ein Stückchen nach unten. Wie schon gesagt, nicht gerade mein Tag.
Auf einmal riss Astrid mich aus meinen Gedanken: „Lass uns umkehren! Wir werden sie nicht finden! Wahrscheinlich gehört das alles sowieso zu Viggos Plan."
Vielleicht hatte sie Recht. Vielleicht führte ich uns alle wieder in eine Falle. Aber mein Gefühl sagte mir, dass man Romi trauen konnte und auf mein Gefühl konnte ich mich für gewöhnlich verlassen. Außerdem brauchte sie unsere Hilfe und sie in so einer Situation im Stich zu lassen, kam mir wie Verrat vor.
„Wir suchen weiter", entgegnete ich bestimmt.
„Mein Hintern ist schon eingeschlafen", quengelte Rotzbacke.
„Und ich müsste mal", schloss Fischbein sich ihm an.
„Na schön, wir machen eine Pause", gab ich nach, „Fliegen wir zu der Insel dort drüben." Um ehrlich zu sein, war auch ich froh, als wir auf der Insel landeten. Nach dem langen Flug wollte ich mir nur zu gern die Beine vertreten.
„Kommst du mit, Kumpel?" Doch Ohnezahn grummelte bloß und rollte sich auf dem Boden zusammen.
„Da ist jemand aber müde", lachte ich, „Also Leute, in einer halben Stunde treffen wir uns wieder hier. Aber seid vorsichtig, das ist Drachenjägergebiet."
Ein bisschen mulmig war mir schon, als ich alleine durch das Tal spazierte, doch ich hatte vorhin etwas gesehen, das ich überprüfen wollte. Womöglich hatte ich es mir nur eingebildet, doch man konnte nie sicher sein und meine Neugier war schon immer stärker als die Vernunft gewesen.
Trotzdem blieb ich wachsam. Noch einmal wollte ich nicht in die Gefangenschaft der Jäger geraten. Da, Stimmen! Ob das die Jäger waren?
„Noch mal, gleich haben wir es geschafft! Uuuund... Ja! Super gemacht, Sternenwind!"
Eindeutig nicht die Drachenjäger. Ich hatte mich vorhin also doch nicht geirrt. Tatsächlich, Romi trainierte mit ihrem Drachen. Auf einmal ertönte ein lauter Platscher, Protestgeschrei, ein nach Schlamm klingendes Schmatzen und ein empörtes Heulen. Was ging da vor sich? Vorsichtig spähte ich hinter dem Baum, hinter dem ich mich versteckt hatte, hervor.
Sternenwind hatte Romi in den See geworfen und wurde dafür von ihr mit Schlamm beworfen. Daraufhin ließ Sternenwind eine Ladung Seetang auf sie fallen und Romi brach in haltloses Kichern aus. Das ausgelassene Treiben der beiden erinnerte mich an meine Spielchen mit Ohnezahn. Ich wollte ihnen den Moment nicht rauben, doch ich musste mit Romi reden. Mit erhobenen Händen trat aus meinem Versteck heraus - und wurde prompt von einer Handvoll Schlamm ins Gesicht getroffen.
„Ich würde dir raten, zu verschwinden, ansonsten fliegt ein Messer hinterher", drohte Romi. Dann fragte sie ungläubig:
„Hicks?"
Auf dem Rückweg zum Treffpunkt sagte ich kaum ein Wort. Hauptsächlich, weil Romi die ganze Zeit redete. Über Sternenwind, das Leben im Lager der Drachenjäger, ihre Brüder, und, und, und. Ihr Redefluss erinnerte mich an Wasser, das von einem Damm gestaut worden ist und jetzt mit einem Schwall herausfloss. Ein wenig tat sie mir leid. Ich wusste ganz genau, wie schrecklich es war, niemanden zum Reden zu haben. Und dann auch noch dieser Zwiespalt, wo sie hingehörte und das schlechte Gewissen ihren Brüdern gegenüber... Kein Wunder, dass sie bei unserer letzten Begegnung so überreagiert hatte. Aber so wie es aussah, tat ihr ihr Verhalten leid.
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Drachenseele - Die Suche nach der Wahrheit
FanfictionVerschleppt von skrupellosen Drachenjägern, gezwungen Entscheidungen zu treffen, von denen das Wohl seiner Freunde, der Menschen auf Berk und aller Drachen abhängt. Die einzige Hoffnung: eine mysteriöse Drachenreiterin. Aber wer ist sie wirklich und...