Kapitel 19: Verhandlungen

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Astrid

Am nächsten Morgen wurden wir unsanft von Fischbein geweckt.

"Sie sind da, sie sind da! Wacht auf, sie kommen!" Sofort schreckten wir hoch.

"Die Drachenjäger?", hakte Hicks nach. Fischbein nickte düster.

"Wie viel Zeit haben wir noch?"

"Schwer zu sagen. Eine Stunde?"

Tatsächlich, in einiger Entfernung waren Schiffe zu sehen - ein Schiff. Viggo hatte sich an die Vorgaben gehalten. Ich kniff die Augen zusammen, um die Entfernung abzuschätzen. Fischbein hatte Recht, ungefähr eine Stunde noch. Aber irgendetwas an dem Schiff kam mir komisch vor. Bloß was? Das war ein ganz normales Boot. Keine Waffen, keine versteckten Drachenjäger, nichts, was zum Angriff dienen könnte. Ach, wahrscheinlich war ich durch die Anspannung in letzter Zeit übervorsichtig geworden. Und außerdem gab es jetzt Wichtigeres. Wie zum Beispiel den Plan noch einmal durchzugehen.

Als wir uns im Clubhaus versammelten, war die Stimmung am Boden. Keiner sagte etwas, bis auf die Zwillinge, die mit ihrem Geplapper versuchten, die Atmosphäre aufzuheitern, doch auch sie wirkten weniger locker als normal. Und als Hicks mit der Ansprache begann, wurden sie schlagartig still. Was vielleicht auch an Hicks' Ausraster gestern lag.

"Na schön, ihr alle wisst, was ihr zu tun habt. Denkt dran, wenn das hier klappt, dann ist es heute vorbei, also reißt euch zusammen. Haltet euch einfach an den Plan."

"Yeah, treten wir Viggo in den Hintern!", jubelte Rotzbacke. 

Alle nickten entschlossen, bis auf Romi, die betreten zu Boden starrte. Auf einmal überkam mich ein bisschen Mitleid mit ihr. Wir unterhielten uns gerade darüber, wie wir ihren Bruder loswerden wollten und erwarteten von ihr, dass sie uns dabei half. Allein dass sie sich bei uns aufhielt, erforderte eine Menge Mut und wenn unser Plan gelang, würde sie ganz alleine sein. Nicht, dass ich sie plötzlich mochte - denn das tat ich auf keinen Fall - aber das, was sie für uns tat, verdiente Respekt. Aber genug davon, es ging los. Bevor ich die Hütte verließ - ich sollte Viggo zusammen mit Fischbein empfangen - ging ich noch mal zu Hicks.

"Wir werden das schaffen", redete ich ihm gut zu, "Und egal wie es heute ausgeht, ich bin für dich da." Er lächelte mich warm an und bevor ich es richtig realisierte, zog er mich in eine feste Umarmung.

"Kommst du, Astrid?", rief Fischbein von draußen.

"Schon unterwegs", entgegnete ich, nahm meine Axt und folgte ihm. Vor der Hütte testeten wir zum letzten Mal die Verriegelung und den Draht, wünschten Heidrun, Dagur und Romi viel Glück und machten uns auf den Weg nach unten. Am Horizont prangte schon ein roter Streifen, doch noch hatte das Schiff nicht angelegt. Aufgrund der geringen Wassertiefe der Bucht mussten Viggo und seine Begleiter herüber rudern. Eine Viertelstunde noch, höchstens. Eine Viertelstunde, die so kriechend langsam verging, dass ich fast froh war, als das Ruderboot endlich auf dem Sand knirschend zum Stehen kam. Fast. Heraus stiegen Viggo, Reiker und ein Mann, der wohl dieser ominöse Krogan sein musste. Drei Menschen, die auf meiner persönlichen Hassliste die obersten Ränge belegten.

"Endlich habe ich auch das Vergnügen, die Drachenklippe mit eigenen Augen zu sehen. Wirklich beeindruckend. Astrid, Fischbein, ich bin erfreut, euch wiederzusehen."

Tja, da war Viggo der Einzige. Ich hätte es ihm nur zu gerne gesagt, doch ich befürchtete, dass nur eine Beleidigung oder wildes Geschrei herausgekommen wäre, beides nicht gerade förderlich im Angesicht unserer Lage. Auch Fischbein ging nicht darauf ein, wobei es bei ihm mehr an seiner Angst vor diesen Personen lag. Immerhin brachte er noch ein recht piepsiges "Folgt mir" zustande. Ich durfte also die Nachhut übernehmen, direkt hinter diesem Krogan. Auf halber Strecke raunte er mir so leise, dass es niemand mitbekam, gehässig zu:

Drachenseele - Die Suche nach der WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt