Kapitel 8

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Sakurano wachte bei Dämmerung auf. Blinzelnd öffnete er die Augen und sah direkt in Hidekis Gesicht. Wie nah er bei ihm lag! Und seine Hand war nur wenige Zentimeter von Sakus Fingern entfernt. Eilig rückte Saku ein Stück zur Seite. Durch das raschelnde Geräusch wurde Hideki wach. Er stöhnte leise, schlug die dunklen Augen auf und sah Sakurano verträumt an.

"Morgen", murmelte er. "Guten Morgen", antwortete Saku. Hideki hatte anscheinend eine schöne Nacht gehabt. "Hast du gut geschlafen?" Sein Freund nickte entrückt. "Nicht viel. Aber es war wundervoll." Die Art, wie er in Sakuranos Augen sah und seine abwesende Stimme riefen Saku zu höchster Alarmbereitschaft auf.

"Hideki? Was ist passiert?" Er setzte sich leicht auf. Hideki seufzte verträumt. "Du hast dich gedreht und dann", er kicherte, "dann hast du mich berührt." Saku wurde eiskalt. "Was?!" Er starrte Hideki entgeistert an. "Wie lange? Wie lange habe ich dich berührt?" Der Junge zuckte mit den Schultern. "Ein paar Stunden? Ich weiß nicht. Aber es war so wundervoll!" Verträumt schmachtete er Sakurano an. Dieser fing an zu zittern. "Wieso hast du nicht losgelassen? Verdammt, ich hatte dich doch gewarnt!" Hideki sah ihn überrascht an. "Es ist doch nichts passiert", meinte er. "Nichts?! Du bist süchtig nach mir!" schrie Saku.

Hideki zuckte zurück. "Ich dachte nur..." Sein Kopf war noch immer in Honig getaucht. "Ich konnte nicht loslassen. Du hast dich zu gut angefühlt." Seine Euphorie ebbte ab, als er Tränen in Sakuranos Augen sah. "Sakurano? Saku? Hey, Saku." Sanft rückte er näher. Näher, er musste wieder näher zu ihm... Saku hob den Kopf. "Ich habe dir vertraut. Und du... Du hast mich verraten", schluchzte er. Hideki sah zu Boden. "Ich wollte dich doch nur einmal anfassen. Du fühlst dich zu gut an. Es tut mir doch leid, Saku. Es wird nicht wieder vorkommen." Der schöne Junge schüttelte den Kopf und eine Träne rann über seine Wange.

"Hideki... Es wird wieder vorkommen. Glaub mir." Er atmete zitternd ein. "Ich glaube, ich muss dir jetzt endlich alles erzählen." Hideki sah ihn ernst an und nickte. "Egal, was es ist, ich werde nicht weglaufen." Sakurano sah in seine dunklen Augen. Sein Blick war so unsicher wie noch nie. "Falls du es nicht verkraften kannst... Dann tu dir selbst den Gefallen und vergiss mich. Es wird kurz wehtun, aber danach wird es besser." Hideki erwiderte seinen Blick. "Erzähl."

Sakurano brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln. "Ich habe es fast niemandem anvertraut. Das ist... Ich weiß gar nicht, wie ich dir das sagen soll." Er schniefte. "Ich bin kein Mensch, Hideki."

Dieser sah ihn verwundert an, schwieg aber. "Ich... Bin ein Yokai. Eines dieser Fabelwesen unserer Mythologie. Meine Mutter oder sonst jemand meiner Verwandten muss ein Sukkubus aus Europa gewesen sein. Das sind weibliche Wesen, die durch ihre Kraft Männer verführen und in ihnen starke Gefühle von Lust auslösen." Er bemerkte Hidekis verwirrten Blick und fügte hinzu: "Bei mir funktioniert es bei beiden Geschlechtern. Es ist kompliziert und ich weiß selbst nicht genau, warum ich so bin. Ich weiß nur, dass meine Berührungen bei anderen Menschen starke Lustgefühle hervorrufen. Es kann wie eine Droge für sie wirken. Gesteigert wird es, wenn ich sie an bestimmten Körperteilen berühre oder direkt mit ihnen schlafe. Mein Sperma macht sie abhängig von mir. Einmal eingenommen sind die Menschen danach für Reize von anderen Personen abgestumpft."

Seine blauen Augen suchten Hidekis Blick. Wie verzweifelt und schutzlos Sakurano aussah! "Deshalb wollte ich nicht, dass du mich anfasst. Du bist zu gut für mich. Ich wollte dich nicht beschmutzen. Einmal im Leben wollte ich jemanden haben, der mich einfach so gernhat. Und nicht von mir manipuliert wurde. Natürlich ist das unsinnig. Ich habe dich wahrscheinlich von Anfang an schon in meinen Bann gezogen, aber... Es hat sich so gut angefühlt, in deiner Nähe zu sein." Hideki brauchte einige Minuten, um all das zu verdauen. "Du... Bist ein Yokai, der Lust in anderen Menschen auslöst und wirkst wie eine starke Droge?" Sakurano nickte. "Du glaubst mir nicht, oder?" Hideki musste an das intensive Gefühl denken, das ihn beim Berühren von Sakuranos Hand überkommen hatte und an die vielen Treffen, bei denen sein Herz viel zu schnell geschlagen hatte. "Doch", sagte er.

Saku sah ihn zweifelnd an. "Wirklich? Du musst nicht lügen." Hideki sah auf seine Hand. "Ich habe es doch selbst gespürt. Und... Du leuchtest", meinte er schlicht. Sakurano wirkte zutiefst erleichtert. "Dann findest du mich nicht abartig?" Hide schüttelte den Kopf. "Ich werde nicht gehen und es auch keinem sagen. Und das ist... In Ordnung, schließlich kannst du ja nichts dafür."

"Oh Hideki!" Saku schossen Tränen in die Augen. "Danke. Danke", schluchzte er und fing vor Erleichterung an zu weinen. Hideki lächelte. "Ich habe zu danken", sagte er sanft. Dann überkam ihn eine Idee. Er nahm die beiden Bettdecken, legte sie vorsichtig über Sakuranos Schultern und Kopf und umarmte ihn sanft. Der Junge zuckte zusammen. "Was... Tust du da", stammelte er aufgelöst. "Dich umarmen. Du brauchst das jetzt und ich berühre dich nicht." Gott, wie nah sie sich waren. Hideki spürte das ziehende Gefühl in seinem Unterleib erneut aufkeimen. Saku schniefte, dann fing er heftig an zu weinen und weinte sich in den Decken an Hidekis Schulter aus. Dieser hielt ihn einfach stumm fest. Nur die Decke trennte ihre Körper voneinander.

Sakuranos Körper wurde von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt und die Decke um sein Gesicht herum war fast komplett durchnässt. All die Anspannung und die Fassade, die er jahrelang aufbauen hatte müssen, fielen mit einem Mal in sich zusammen. Hideki akzeptierte ihn, so wie er war. Er war weder weggerannt noch hatte er ihn geschlagen oder sonst etwas getan, um ihm zu schaden. Er war geblieben. Saku fühlte sich für einen Moment wie ein kleines Kind, das von seiner Mutter in den Arm genommen wird.

Irgendwann löste Sakurano sich von Hideki und zog die Decke von seinem Kopf. Seine Haare waren ganz zerzaust und seine Augen stark gerötet. "Danke", sagte er schniefend. Hideki lächelte sanft. "Geht es wieder?" Sakurano nickte. "Es ist nur... All die Jahre musste ich das geheim halten und jetzt... Ich bin einfach nur froh." Hideki blieb vor ihm sitzen. "Wir sind doch Freunde. Wir sind für einander da, wenn es dem anderen schlecht geht." Saku sah betreten auf seine Knie. "Ich will aber eigentlich nicht vor dir weinen." Hide musterte ihn.

"Ich glaube, du weinst oft heimlich, oder?" Sein Freund nickte. "Sehr oft. Wenn mich niemand hören oder sehen kann."

Hide sah in seine Augen. "Willst du darüber reden?" Saku seufzte. "Ich hasse dieses Leben. Ich will einfach nur normal sein und nicht so ein Monster." Hideki legte seine Hand auf die Decke um Sakus Schultern. "Du bist kein Monster. Du bist... toll", sagte er und meinte es auch so. "Würdest du das auch sagen, wenn ich nicht diese Gabe hätte?" Sakuranos Stimme zitterte leicht.

Hide überlegte. "Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich schon, aber... Du hast nun mal deine Gabe. Und deshalb sage ich dir jetzt, dass du für mich der tollste Mensch auf der Welt bist." Saku lachte trocken. "Womit verdiene ich denn die Ehre?" Hidekis Herz schlug schneller. "Du hast mich akzeptiert. Und das hättest du nicht tun brauchen. Du bist freiwillig zu mir zurückgekommen. Deshalb." Sakurano sah ihn verwundert an. "Nur deshalb?" Hideki nickte. "Ja. Und gut, du siehst umwerfend gut aus, egal was du trägst, hast Geld im Überfluss und hast mich nicht geschlagen, außerdem leihst du mir deine Kleidung und..."

Saku unterbrach ihn. "Das reicht, Hideki." Er lächelte. "Du bist viel toller, als ich es jemals sein könnte." Hideki wurde leicht rot. "Eh? Ich?" Saku nickte. "Ja du, du nerviger Tollpatsch." Ein Seufzen drang aus Sakuranos Mund. "Ich weiß nicht, wieso, aber ich habe dauerhaft das Bedürfnis, dich anzufassen." Sein Herz schlug schmerzhaft schnell. "Deine Hand zu nehmen. Durch dein Haar zu fahren oder dich an Stellen zu berühren, die dich wieder rot werden lassen. Aber... Ich will dich nicht verderben." Hidekis Magen fühlte sich an, als hätte jemand darin eine Horde Schmetterlinge freigelassen. "Saku..." Er fasste einen Entschluss.

"Verdirb mich." Das silberweiße Haar rutschte zur Seite, als Sakurano ihn ansah. "Was?"

"Verdirb mich. Bitte, fass mich an. Auch wenn ich dann süchtig nach dir werde... Bitte tu es." Das Drücken in seinem Unterleib nahm zu und fühlte sich zunehmend komischer an. Zart errötend fügte er hinzu: "Ich kann dich sowieso nicht mehr aus meinem Leben streichen. Also... mach mich zu einem Teil von deinem."

Sakurano sah ihn unsicher an. "Bist du dir wirklich sicher? Du kannst dann nicht mehr zurück, Hideki." Sein Herz raste und sein ganzer Körper schrie danach, sich dem Verlangen hinzugeben und Hideki endlich zu seinem Besitz zu machen. Wie betäubt nickte Hideki. Er hatte Angst und zugleich sehnte er sich danach. "Ich bin mir sicher. Ich will dir gehören", flüsterte er. Sakurano sah ihm direkt in die Augen. Hideki wirkte so zerbrechlich. Dann rückte er näher zu ihm und murmelte:

"Und ich will dich besitzen."



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