Kapitel 10

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Hideki schlief tief und fest auf Sakuranos Schoß. Sein Freund war die ganze Zeit bei ihm geblieben und lauschte Hides sanftem Atem. Inzwischen schien dieser sich von Sakus einnehmender Energie erholt zu haben. Sakurano nahm liebevoll die zierliche Hand seines Freundes und rückte näher zu ihm. Nun würden sie für immer zusammengehören. Nur sie. Seine Wangen färbten sich zart rosa bei dem Gedanken, ab jetzt sein Leben mit Hideki verbringen zu können.

Er hörte Schritte vor seiner Tür. Angespannt wartete Sakurano und beugte sich instinktiv ein wenig über Hideki, um ihn notfalls zu beschützen.

"Jodo? Bist du wach?" Es war sein Chef. Mist. Eilig stand Sakurano auf und zog den Vorhang vor, damit Hideki nicht zu sehen war. Dann öffnete er eilig die Tür einen Spalt breit. "Guten Morgen", grüßte er höflich.
Der Mann musterte ihn genüsslich. Sein Blick glitt über Sakus noch immer nackte Haut - der Junge hatte sich noch nicht wieder angezogen. "Du bist noch hier?" Sakurano schluckte. "Ja?" Hatte er etwas vergessen? Der Chef sah über Sakus Schuler auf die zerwühlten Bettlaken und die Kleidungsstücke. "Hattest du Besuch", fragte seine tiefe Stimme misstrauisch. Saku schüttelte schnell den Kopf. "Nein, ich habe nur nicht aufgeräumt. Verzeiht mir, ich werde es gleich wegräumen." "Mach das. Und dann gehst du endlich zu deinem nächsten Kunden, du bist jetzt schon verspätet!" Sakurano zuckte zusammen. Also hatte er doch etwas vergessen.
"Es wird nicht wieder vorkommen. Und ich werde ihm vier anstelle von eineinhalb Stunden zum selben Preis gönnen", schlug er vor.

Der Mann nickte lüstern. "Wie klug von dir." Er zog den Jungen enger an sich heran. "Aber verkauf dich nicht unter Wert, ja? Und... Was ist das?" Er zog schnüffelnd die Luft ein. "Du riechst nach Sperma." Saku erwiderte seinen Blick gefasst. "Ich habe mich selbst befriedigt", log er. "Heute Morgen. Es war nötig." Die Lüge kam ihm wie selbstverständlich über die Lippen.

Sein Chef grinste und ließ ihn los. "Kannst es wohl kaum erwarten, wieder von jemandem durchgenommen zu werden, wie? Reichen dir drei Mal pro Woche nicht?" Saku kochte innerlich vor Wut. "Das entscheide ich selbst", sagte er gefasst und leise. "Ich bin eh bald alt genug, um mich selbstständig zu machen." Das stimmte. Sakuranos Äußeres sah zwar noch immer aus wie ein dreizehnjähriges Kind, doch Dank des Yokaiblutes in seinen Adern hatte er schon vor Jahren aufgehört zu altern und war inzwischen fast achtzehn.
Trotzdem behandelte man ihn noch immer wie ein Kind, das bevormundet und herumkommandiert werden durfte. Die Augen des Mannes verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Das wagst du nicht, Sakurano Jodo!" Sakurano lächelte scheinheilig. "Noch nicht. Noch werde ich gehorchen. Und nun entschuldigt mich bitte, mein Kunde wartet."

Er verbeugte sich tief und wollte gerade wieder durch die Tür gehen, als die ungepflegte Hand des Mannes ihn hart ins Gesicht traf. Durch den Aufprall wurde sein Kopf gegen den Türrahmen geschleudert und Sakurano schrie vor Schmerz auf. "Gut so, schrei ruhig." Sein Chef sah ihn kalt an. "Und versuche nie wieder, dich mir zu widersetzen, hörst du? Du magst talentiert sein und außerordentlich attraktiv, aber du gehörst mir. Und solange ich dich nicht freispreche, bleibst du in diesem Schuppen!" Sakurano senkte unterwürfig den Kopf. "Ja. Ich habe verstanden." Die Tür schlug vor ihm zu und der Mann stapfte weiter. Sakurano fühlte brodelnden Hass in ihm aufsteigen. Wie sehr er diesen Perversen hasste. Irgendwann würde er ihn im Schlaf erwürgen oder ähnliches mit ihm anstellen. Doch fürs Erste war er machtlos. Also zog er sich eilig an und kniete sich neben Hideki.

"Hide. Hide-chan, wach auf." Sanft schüttelte er den dünnen Jungen. Hideki stöhnte leise und räkelte sich. "Uhm... Morgen", murmelte er. "Wach auf, ich muss los." Hideki schlug die Augen auf. Sein Blick starrte abwesend auf Sakurano. "Darf ich mit?", fragte er. Saku schüttelte den Kopf. "Das willst du nicht. Ich werde allein gehen. Wir sehen uns dann heute Abend wieder." Hideki starrte ihn entsetzt an. "So lange? Aber wie soll ich das ohne dich schaffen?" Sakurano warf ihm schlichte Klamotten hin. "Du wirst es aushalten", sagte er kalt. "Du wirst sowieso eine Pause brauchen, um dich zu erholen. Jetzt bist du schon zu vernebelt."

Hideki blieb liegen. "Dann werde ich hier auf dich warten", meinte er. Sakuranos Herz wurde schwer. "Du kannst hier nicht bleiben, Hideki. Ich darf keinen hierher lassen, schon gar nicht langfristig! Nur Prostituierte dürfen hier wohnen, und sie müssen dafür arbeiten. Selbst wenn du eine Frau wärst..." Er musste daran denken, wie sein Chef mit ihm umging und was ihm alles angetan wurde. Er würde Hideki nicht mit anderen teilen.

"Du müsstest deinen Körper verkaufen. Und das tut weh. Das würdest du nicht aushalten." Hideki zuckte mit den Schultern. "Ich habe auch mit dir geschlafen", meinte er teilnahmslos. Saku seufzte. "Du wirst hier nicht wohnen. Du kannst mich so oft besuchen kommen, wie du magst und ich kann auch erneut mit dir schlafen, wenn das dein Wunsch ist. Aber du wirst dich nicht prostituieren."

Er hievte Hideki hoch und zog ihn an. Hide ließ ihn machen. "Ich will aber bei dir bleiben", meinte er. Saku zog den Gürtel seines Freundes fest. "Was ist mit deiner Mutter? Du musst zurück. Verabschiede dich wenigstens von ihr." Hideki reagierte kaum. Sakuranos flüchtige Berührungen schalteten alles andere aus. "Sie ist mir egal", sagte er und sah in Sakuranos Augen. "Alles ist mir egal, außer du! Ich will nur noch dich, Sakurano!" Saku sah ihn liebevoll an. "Das weiß ich doch. Aber ich muss arbeiten, und du auch. Keine Sorge, du wirst die Distanz aushalten. Sonst verlernst du mir noch, wie man kocht", meinte er scherzhaft. Hideki nickte zaghaft. "Aber ich darf dich wiedersehen? Und..." Kleinlaut fragte er: "wirst du mich wieder küssen?" Saku lächelte. "Sooft du willst. Du hast ausreichend bezahlt."

Er zog Hideki hinter sich aus der Tür. Dabei achtete er darauf, von niemandem gesehen zu werden. Hideki stolperte hinter ihm her. "I-ich verstehe nicht", stammelte er verwirrt. "Ich habe keinen einzigen Yen bezahlt." Sakurano antwortete ihm erst, als er an der Hintertür angekommen war. Seine blauen Augen funkelten im Licht um ihn herum. "Du hast mir etwas gegeben, das ich mir... lange wünschte. Und du hast mir dein Leben geopfert. Das ist mehr als genug." Hideki sah ihn verständnislos an. "Was meinst du?" Saku legte ihm einen Finger auf die Lippen des kleinen Jungen. "Ich glaube, du weißt genau, was ich meine. Denk darüber nach, ja?" Er öffnete die Tür. "Und jetzt geh." Er stieß Hideki sanft nach draußen. Stolpernd trat sein Freund ins Licht. "Saku..." "Bis später", meinte dieser. Hidekis Herz schmerzte, als er nickte und sich abwand. Sakurano sah ihm nach. "Hey, Hideki!" Der Junge drehte sich um und sah zu seinem übermenschlichen Freund zurück.

Lass uns abhauen, dachte Sakurano. Irgendwohin, wo uns niemand findet und wir einfach nur wir selbst sein können. Er öffnete die Lippen. "Fall nicht hin", brachte er heraus. Hideki lächelte und setzte seinen Weg fort.

Innerlich zerbrach Sakurano. Er hatte sich nicht getraut zu sagen, was er wirklich dachte: Ich liebe dich.

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