05. Hero

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PoV Jisung

Der weiche Schnee knirschte unter meinen Füssen, während ich zu einem ganz bestimmten Ort lief. Der Laden den ich suchte, war nicht allzu weit vom Buchladen entfernt. Bald kam ich also dort an. Es war ein kleines Haus und die Fenster waren mit Vorhängen verdeckt. Neben der Tür stand eine Tafel auf der stand; Vorhersagungen, Kartenlegungen und Geisterrituale. Letzteres hörte sich doch ziemlich passend für mein Problem an, oder? Also ging ich rein und direkt schlug mir ein ungewöhnlicher Geruch entgegen.

Die Wände des Raumes war in verschieden Farben und Muster gefärbt. Die Fenster waren mit langen, seidigen Vorhängen verdeckt. Etwas im hinteren Bereich des Raumes sass ein junger, hübscher Mann mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. Unter seinem linken Auge prangte ein Muttermal. Er trug ein seltsames Gewand und um seinen Hals hingen etliche Ketten, an denen irgendwelche komischen Amulette hingen. An seinen Fingern steckten unzählige Ringe und an seinen Armen waren irgendwelche Zeichnungen die aus wirren Linien bestanden. Waren das Tattoos? "Komm ruhig näher", meinte der Schwarzhaarige und winkte mich zu sich. Er sass an einem kleinen Tisch, auf dem etliche Karten gestapelt waren.

Ich ging zu ihm und setzte mich vor ihn. Er musterte mich eine ganze Weile und murmelte dann:"Han Jisung, nicht wahr?" Überrascht starrte ich ihn an und flüsterte:"Woher wissen sie das?" Der Schwarzhaarige grinste vergnügt und meinte:"Ich bin ein Hellseher, also sollte ich meine Kunden ja wohl kennen, oder?" Ich nickte und war immer noch ein bisschen sprachlos. Das war mir dann doch etwas zu viel Magie für einen Tag. "Ich bin übrigens Hyunjin und ich kann dir alles mögliche vorraussagen. Du musst nur sagen, was du wissen willst", stellte er sich vor und beugte sich erwartungsvoll nach vorne.

"Also eigentlich brauche ich keine Vorhersage. Ich habe eher ein kleines Problem mit einem Geist. Er verfolgt mich die ganze Zeit und angeblicherweise jetzt auch schon seit acht Jahren und naja, ich wollte wissen wie man einen Geist los wird", meinte ich und lächelte schief. Der Typ hier vor mir war genau so ein schräger Vogel wie ich. Also würde er mir ja bestimmt glauben, oder? Die Augen von Hyunjin wurden gross und er schaute mich verwirrt an. Dann zeterte er:"Sehe ich für dich aus wie ein verdammter Exorzist?! Was denkst du denn eigentlich? Das es Geister wirklich gibt?" Verwirrt schaute ich ihn an und stotterte:"Aber auf dem Schild steht Geisterrituale..." Der Hellseher schüttelte langsam den Kopf und meinte:"Es gibt keine Geister, Schätzchen. Es gibt nur Leute, die den Glauben anderer Menschen ausnutzen um Geld zu verdienen, da sie auch irgendwie überleben müssen. Und ja ich rede gerade von mir! Vielleicht solltest du allerdings einen Psychiater suchen und dein Geld lieber bei ihm verschwenden, als bei mir."

Überrascht wich ich zurück und murmelte:"Also kannst du mir nicht helfen?" Hyunjin schüttelte furios den Kopf und seine schwarzen Locken flogen hin und her. "Nein mein Lieber! Ich kann dich höchstens zu einem Psychiater bringen! Ich glaub der Unfall hat dir echt nicht gut getan." Meine Augen weiteten sich vor Schreck und ich rief:"Woher weisst du von meinem Unfall?!" Er verdrehte die Augen und meinte:"Ich bin ein Hellseher. Schon vergessen?" Ich schüttelte den Kopf und meinte herausfordernd:"Wenn es keine Geister gibt dann kann es auch keine Vorhersagungen geben! Denn das wäre übermenschlich. Das bedeutet du bist ein Lügner!"

Der Schwarzhaarige blinzelte mich überrascht an und zischte:"Wie bitte?! Wie kannst du mich bloss beschuldigen ein Lügner zu sein?!" Er knallte seine Hände auf den Tisch und lehnte sich noch weiter nach vorne. "Hör mir gut zu Junge! Nicht jeder kann so gut Geld verdienen, wie du mit deinem Buchladen. Ich muss nun mal irgendwie an Geld kommen und dafür nutze ich den Glauben der Menschen aus. Na und? Den meisten geht es danach besser, obwohl ich nichts wirklich Grosses für sie gemacht habe. Es hilft Ihnen schon nur, wenn ich ihnen sage, dass es ihren verstorbenen Verwandten gut geht. Aber bis jetzt ist mir noch nie jemand unter die Nase gekommen, der behauptet hat von Geistern verfolgt zu werden!"

Etwas eingeschüchtert zuckte ich zurück und stotterte:"E-es tut mir l-leid! Ich...ich sollte wohl besser wieder gehen. Ich dachte vielleicht, dass du mich verstehen würdest..." Ich stand auf und drehte mich um. Ich hörte wie er hinter mir seufzte, aber ich ging weiter. Ich verliess das seltsame Gebäude und trat raus an die kalte Luft. Die Schneeflocken wirbelten um mich herum und tanzten anmutig in der Luft. Der Hellseher konnte mir also nicht helfen. Was nun?

~~~
Ich schloss die Tür auf und trat in die Wohnung. Ich streifte mir meine Jacke ab und hängte sie an den Kleiderständer. "Wo warst du?" Ich schreckte hoch und entdeckte Minho, der lässig auf dem Sofa sass und in einem Buch blätterte. Anstatt das ich ihm antwortete, setzte ich mich neben ihn und fragte:"Ist das Buch aus dem Buchladen?" Minho schloss es und zeigte mir das Cover. Er nickte und meinte:"Ja...eure Sammlung an Büchern ist sehr...schön."

Der Braunhaarige legte das Buch weg und rückte etwas näher an mich. Unsicher starrte ich ihn an und schluckte leer. Was hatte er vor? Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen und er murmelte sanft:"Ich weiss zwar immer noch nicht genau warum du mich plötzlich sehen kannst. Aber es ist grandios! Ich war so lange einsam..." Ich drehte meinen Kopf zu ihm und musterte ihn mitleidig. "Warum warst du denn alleine? Gibt es keine anderen Geister?", fragte ich zögerlich. Minho seufzte und ich spürte seinen warmen Atem in meinem Gesicht.

"Doch, aber die sind alle durch die himmlischen Tore gegangen. Ich hatte es ja auch vor, aber dann habe ich dich gesehen und ich konnte es nicht übers Herz bringen, dich sterben zu lassen. Die himmlischen Tore stehen immer noch offen für mich, aber ich werde sie niemals betreten. Nicht bevor du mit mir kommst." Ich schauderte. Hatte er gerade angedeutet, er würde mich bis zu meinem Tod begleiten wollen?

"Bedeutet das etwa du verschwindest sobald du durch die himmlischen Tore gehst?", fragte ich zögerlich. Der Geist nickte und erklärte:"Sobald man durch die Tore geht gibt es kein zurück mehr. Wenn man stirbt, spürt man ein starkes ziehen in sich. Dies führt dich zu den Toren. Dann musst du nur hindurchgehen und danach kannst du in ewigem Frieden ruhen. Es hört sich vielleicht schön an, aber ich will nicht einfach verschwinden ohne meine Spuren zu hinterlassen."

"Aber du hast doch bereits diese eine Verbrecherbande aufgehalten. Was willst du noch mehr? Du bist bereits ein Held", meinte ich aufmunternd. Minho schüttelt den Kopf und schaute mich mit grossen, traurigen Augen an. "Ich will aber nicht ein Held sein. Ich will eine Person sein die wirklich jemandem etwas bedeutet."

 𝑮𝒉𝒐𝒔𝒕 || 𝑚𝑖𝑛𝑠𝑢𝑛𝑔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt