~ Betrug kann nur geschehen, wenn du liebst ~
"Moment, ich komme hier irgendwie nicht ganz mit. Wie soll sie Dragoreon umbringen? Niemand, nicht ein Mal du, ist dazu ohne Hilfe anderer Feen in der Lage. Allen voran keine Feuer in dem Alter."
Würde ich Tekno nicht kennen, würde ich glatt denken, er hätte den Verstand verloren. Unser Feind Dragoreon, der selbst ernannte König Elestryas, ist nicht nur die mächtigste Fee, sondern auch nahezu unbesiegbar. Da wird ihn ein Teenager nicht aufhalten können.
"Es gibt nur einen Weg das herauszufinden."Ich weiß nicht, warum ich mich von Tekno dazu habe überreden lassen. Aber meine Mutter auszuspionieren gehört nicht zu meinen liebsten Freizeitaktivitäten.
Davon abgesehen, dass sie ihre Zeit mit banalen Aufgaben, wie ihrer Arbeit, Training, Essen und Frisieren, verbringt, störe ich ihre Privatsphäre. Sie ist und bleibt schließlich meine Mutter. Auch wenn ich sie innerlich dafür hasse, dass sie Geheimnisse vor mir, nicht aber vor meinem Bruder, hat.
"Soll ich etwas anderes für dich zum Essen machen? Ich glaube im Kühlschrank müssten wir noch Fisch haben."
Meine Lasagne ist nun noch ein Haufen zermatschter Teig mit Füllung und Käse. Bei all dem Nachdenken ist mir der Appetit vergangen.
Seufzend schiebe ich den Teller von mir weg und schaue auf. In der kleinen irischen Stadt, in der wir leben, wagt es keiner von uns sich zu verwandeln, da wir in unserer Nachbarschaft überaus neugierige und tratschende Menschen haben. Und möglicherweise auch feindliche Spione. Und so Blicke ich in einfache, haselnussbraune Augen, die mich fürsorglich anschauen.
"Warum soll sie uns nicht helfen? Du weißt, dass wir jede erdenkliche Hilfe brauchen. Ist sie nicht stark genug? Ist sie zu unerfahren, um ihre Kräfte zu kontrollieren? Weigert sie sich? Was verdammt noch Mal ist der Grund?"
Völlig außer mir bemerke ich erst jetzt, dass ich aufgestanden bin und so stark auf den Tisch gehauen habe, dass das Geschirr klirrt.
"Ich weiß, du und General Serv hattet eure Differenzen, aber Tekno ist nicht wie sein Vater. Er ist... menschlicher und nicht so grausam."
Sie starrt ihren Teller an, während sie kaum hörbar knurrt: "Aber grausam genug, um jeden Preis zu zahlen, den der Sieg verlangt."
Mit diesen Worten erhebt sie sich und beginnt den Tisch abzuräumen, nur um mich nicht anzusehen. Ich seufze laut und helfe ihr.
"Er-"
"Ja, sie ist stark. Stark genug, um Dragoreon zu töten."
Das war die Antwort, die ich gebraucht habe. Aber es liegen noch Tausende unausgesprochene auf meinen Lippen.
"Würde sich dieser Dreckskerl wenigstens einmal blicken lassen, wäre er möglicherweise auch nicht mehr am leben. Aber er scheint clever genug zu sein, sie nur anzugreifen, wenn seine Handlanger sie davor schon geschwächt haben."
Etwas zu energisch knallt sie die Becher auf den Tresen, sodass ich Angst bekomme, sie würden kaputt gehen. Aber nur das Wasser darin schwappt über und beginnt sofort zu kochen. Ob sie vor hat einen Tee zu trinken, oder ihren Frust auslässt, weil Dragoreon schon hätte tot sein könnte, ist mir unklar. So habe ich sie jedenfalls noch nie gesehen und eine kurze Welle der Sorge breitet sich in mir aus, bevor sie von Unglauben abgelöst wird.
"Als ob sie dazu in der Lage wäre. Nicht einmal Tekno -"
Ruckartig dreht sie sich zu mir um und sieht mich mahnend an.
"Tekno ist mit ihr verglichen kein Elementris."
Was ist er dann? , will ich fragen, doch meine Mutter verlässt den Raum. Sie hat genug gesagt. Bleibt nur zu hoffen, dass Tekno etwas damit anfangen kann.Selbst als der Abwasch gemacht ist und ich in meinem Bett liege und die Decke anstarre, gehen mir ihre Worte nicht aus dem Kopf.
Ein Klopfen zerreißt die Stille und lässt mich zur Tür blicken. Tekno steht dort als Mensch vor mir. Seine Brille, die er in der Schule ständig trägt, verdeckt nun nicht mehr seine dunkelblauen Augen. Man könnte fast meinen sie würden den Himmel bei später Dämmerung spiegeln, so dunkel sind sie. Seine noch dunkleren Haare konkurrieren mit dem Schwarz der Tiefsee und sind an seinem Gesicht so vollkommen anders, als die sonst kurzen, violetten Haare.
Ich rühre mich nicht, auch nicht, als er sich den nächstbesten Stuhl nimmt und sich mir gegenüber setzt.
"Ich muss dir was erzählen."
Wäre meinen Nachricht nicht alles andere als erfreulich, würde ich über die Tatsache lachen, dass wir beide dasselbe gesagt haben. Doch jetzt verziehe ich nicht die kleinste Miene. Und er genauso wenig.
"Du zuerst" , fordere ich ihn auf. Vielleicht hat er ja etwas fröhliches zu berichten, wie, dass Dragoreon tot ist und all unsere Probleme gelöst sind. Nur leider habe ich noch die an solche Träume geglaubt.
"Stone, sagt sie dir was?"
Nur der Gedanke an dieses nervenaufreibend Mädchen mit dem frechen Grinsen treibt mich in den Wahnsinn. Es grenzt an ein Wunder, dass ich meinen Hass und meine Eismagie in ihrer Nähe im Zaum halten kann.
"Wenn du die Nervensäge meinst, dann ja. Hat sie irgendein Raumtier verschlungen? Oder eine Lawine sie überrollt?"
"Sie ist verdächtig."
Während ich fragend eine Augenbraue hebe, setze ich mich auf und bedeute ihn weiter zu reden.
"So, wie Ella sie beschützt, würde sie das Mädchen nicht am Ende der Welt leben lassen. Und wir sind bisher nie auf die Idee gekommen, dass Firea nicht auch direkt vor unseren Nasen sein könnte. Keine Fee würde das wagen, außer deiner Mutter. Und zugegeben, es ist clever."
Ich weiß, dass das nicht alles sein kann. Tekno braucht genug Beweise, das weiß ich.
"Da sie in unserem Alter ist, bin ich unsere Stufenkameraden durchgegangen. Ist dir aufgefallen, dass Stone und du eine ungewöhnliche Beziehung zueinander habt?"
"Wir sind in keiner Beziehung!" , feuere ich zurück. Ein Blick von ihm und mir wird klar, was er eigentlich meinte.
"Oh, so eine Beziehung."
Nickend fährt er fort.
"Euer gegenseitiger Hass zu einander kann nicht normal sein. Anfangs dachte ich, es liegt einfach an deinem eisigen Herzen. Aber du verhältst dich nur Uhr gegenüber so."
Das könnte natürlich auch daran liegen, dass ihr Charakter alles andere als mein Typ ist, aber das erwähne ich nicht.
"Stone, also Stein, ist neben Feuer das einzige, woraus ein Vulkan besteht."
"Und ihr Nachname ist Vulco" , denke ich laut mit.
"Ziemlich unkreativ, findest du nicht? Außerdem heißen sicher viele 'Stone' "
Doch er will meinen Worten keinen Glauben schenken.
"Nicht hier in Irland, so viel steht fest. Außerdem ist mehr als jede zweite Fee bei ihrem Menschennamen nicht sonderlich kreativ."
Das ist ein Argument. Schließlich nennt sich die Windelementris Aira 'Aria'.
"Gut, dann knöpfe ich sie mir morgen vor."
Mein Freund scheint jedoch andere Pläne zu haben, denn er schüttelt heftig den Kopf.
"Nicht nötig. Sie ist mein Date für den Winterball. Und das nutze ich als Vorwand um die restliche Woche mit ihr Zeit zu verbringen. Ich weiß, es ist nicht die beste Idee, aber mein Gelingen ist wahrscheinlicher als mein Versagen."
Ich mustere jeden Zentimeter seines Gesichts in der Hoffnung, dass das alles ein schlechter Scherz sein soll. Nicht, dass ich Teknos Plänen sonst misstrauisch gegenüber stehe. Aber sein gesamter Plan basiert darauf, dass sie in den nächsten Tagen seine Anwesenheit toleriert, obwohl er ihr fremd ist. Und das tut eine Flüchtige, die ihre wahre Identität versteckt halten will für gewöhnlich nicht. Noch dazu kommt, dass er ihr erst nach einem halben Jahr plötzlich seine Aufmerksamkeit schenkt.
Aber ich bleibe still, denn egal was ich sage, bringt nichts. Es ist wohl ohnehin zu spät.
Inmitten meiner Gedanken realisiere ich, wie mein Freund mit dem Kiefer mahlt. Etwas stimmt hier nicht.
"Du wirst ihr nichts sagen" , erklingt sein Befehlston. Der Ton, den er stets als General anschlägt, wenn er etwas zu befehligen hat.
Die Tür öffnet sich langsam und meine Mutter erscheint mit kühler Miene dahinter. Sie beherrscht den Killerblick einwandfrei und würde Tekno wohl gerne in Stücke reißen.
Dieser schaut gleichgültig in ihre Richtung, auch wenn ein leichtes Lächeln seine Lippen umschließt.
"Ich habe Recht, nicht?"
Er erhebt sich, ohne einen Antwort zu erwarten und geht in ihre Richtung.
"Firea Vulco ist Fiona Stone. Es hat mich einiges an Zeit gekostet darauf zu kommen, Glückwunsch."
Direkt vor ihr bleibt er stehen und verdeckt sie beinahe gänzlich. Meine Mutter ist alles andere als klein. Aber Tekno überragt sie dennoch um einen Kopf mit seinen fast zwei Metern Größe.
"Ich wusste doch, dass die Mecs nicht alles wissen können" , knurrt sie. Ich kann ihren Gesichtsausdruck zwar nicht sehen, aber ich weiß, dass sie rot angelaufen ist vor Wut und diese sich als Inferno in ihren Augen wiederspiegelt. Und doch kann ich auch Erleichterung in ihrer Stimme hören.
Bevor ich mir darüber weiter Gedanken machen kann, macht Mom auf dem Absatz kehrt und meinen Freund und mich verwirrt zurück.
Seufzend lasse ich mich wieder nach hinten auf das Bett fallen.
"Sind wir jetzt auf dem kompletten Holzweg?"
Unsicher schiele ich zu dem Technologie hinüber, doch er scheint angestrengt zu grübeln, also folge ich seinem Beispiel.
Wenn nicht Fiona, dann bleiben allein in unserer Stufe noch vierzig andere Mädchen. Ganz zu schweigen von den Jahrgängen unter uns. Als Mensch kann sie behaupten sie wäre 15, obwohl sie in Wahrheit zwei Jahre älter ist, denn niemand kann das überprüfen.
Wir haben also noch viel nachzuschauen.
DU LIEST GERADE
Elementris (wird überarbeitet)
Fantasy»Sie kommen näher und näher. Mit ihnen die Kälte und die Dunkelheit. Alles auf ihrem Weg wird verschlungen, begraben, zerstört. Mein Blick ist starr nach vorne gerichtet und doch bemerke ich die steigende Nervosität der Feen hinter mir. Der Eine, de...