~ Mädchen, tu es für dich ~
Ich stehe vor meinem Spind und räume gerade meine Schulbücher ein, wie an jedem Tag. Endlich Schule aus. Noch eine Stunde voller unnötigen Informationen hätte ich nicht überlebt. Ich meine, wann in meinem Leben werde ich jemals wieder Stilmittel brauchen?
Ich stelle mir gerade vor, wie ich mich in die Lüfte begebe, den Wind in meinen Haaren spüre und einfach nur fliege. Ja, das heitert mich tatsächlich auf. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Sonne bald untergeht.
Fliegen ist so essentiell für mich, wie das Atmen. Ich kenne keine Fee, die nicht auch so denkt. Wobei ich nur regelmäßig Kontakt zu Feen habe, die mich am liebsten tot sehen wollen.
Außerdem erspart das Fliegen mir einen langen Schulweg und somit auch Zeit. Da ich für die Schule nichts lerne und tue, müsste man meinem ich hätte genug davon. Doch leider ist das Gegenteil der Fall.
Mein Tag besteht nur aus dem Besuch der Schule, Training, etwas Schlaf und etwas Essen. Doch andernfalls würde ich nicht lange überleben als Feindin in meiner Heimat Elestrya und Gejagte hier auf der Erde.
Gejagte, da ich eine multitalentierte Fee bin. Ich besitze neben meinem Haupt- und stärksten Element Feuer noch elf weitere. Und das macht mich zur Feuerelementris.
Elementris sind eine der drei großen Feenarten der magischen Dimension der Feen, Elestrya.
Da meine Chancen nicht schlecht stehen
Dragoreon, den selbsternannten 'König' Elestryas, umzubringen, jagt er mich mithilfe einer treuen Anhänger. Denn seinen Untertanen sagt er, er wolle sie vor uns schützen, damit sie ihn unterstützen. Vor den bösen, gefährlichen Feen mit mehreren Elementen, die Elestrya mit ihren zwölf Städten der Elementen zerstören wollen. Die den König erlegen wollen, der zwar dem Volk Gutes tut - zumindest was Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Freundschaft zwischen den gegensätzlichen Elementen angeht - aber Feen wie mich töten will.
Und sie sind natürlich so dumm ihm zu glauben, selbst die ach so intelligenten Technofeen.
Ich bin nun auf der Erde auf der Flucht und bemühe mich, mich normal und unauffällig zu verhalten, was meistens sogar recht gut funktioniert. Außer ich bin alleine.
Wenn ich koche, besitze ich leider kaum die Geduld auf den alten langsamen Herd zu warten, sodass ich das Essen selbst erwärme. Den Ofen benutze ich daher nie und eine Mikrowelle ist genauso unnötig, wie ein Wasserkocher.
Ich unterbreche mein Gedanken, als sich mir Schritte nähern, die neben mir verstummen. David Jewis, der wahrscheinlich beliebteste Junge der ganzen Schule. Allerdings ist er die unausstehlichste Person, die ich kenne. Arrogant, selbstverliebt und verdammt provokant. Seit ich hier auf der Schule bin, nutzt er jede Gelegenheit aus, um mich bloßzustellen, zu nerven oder sonst irgendwie seinen Hass auf mich zu übertragen. Trotzdem sieht er nicht schlecht für seine menschlichen Verhältnisse aus, was er vollkommen auszunutzen scheint. Er genießt tagtäglich die Traube aus Mädchen, die sich um ihn bildet. Und diese armen Menschen haben keine Ahnung, wie sehr er sie ausnutzt.
Stumm wechsele ich meine Bücher und bleibe noch kurz am Spind stehen. David selbst hat auch noch nicht vor zu verschwinden, wie mir scheint, denn als ich einen intensiven Blick auf mir spüre, drehe ich mich zu ihm um.
Es wundert mich noch nicht einmal, dass er mich wieder so verhasst anschaut.
Innerlich verdrehe ich schon die Augen, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, was das eben soll. Mal wieder. Genervt schlage ich schon fast meinen Spind zu.
"Was starrst du so?"
"Was dagegen?"
Ich spanne mich an. Er soll sich gefälligst, um seinen eigenen Kram kümmern.
"Ja, ich habe was dagegen. Du nervst mich."
Warum rede ich überhaupt mit ihm?
Ein Anflug eines Lächelns macht sich auf seinen Lippen breit.
"Ziel erreicht" , mit diesen Worten lässt er mich kochend zurück und schlendert gemütlich nachhause. Es gibt nicht eine Beleidigung, die seinem Verhalten gerecht wäre.
Stumm mache ich mich auf den Weg nach draußen. Gleichzeitig entscheide ich mich dagegen mich zu verwandeln. Das Letzte, das ich brauche, ist ein David, der weiß was ich bin. Also laufe ich mürrisch im kalten Wind des Dezembers in Richtung meines Zuhauses.
Eigentlich vermisse ich nichts an Fotiá, die Stadt der Feuerfeen in Elestrya, aber ich fühle mich in meiner menschlichen Gestalt weitaus weniger frei. Ich habe es schon immer gehasst gehabt, meine wahre Gestalt versteckt halten zu müssen, da ich weiß, dass das nicht ich bin. Zumindest nicht mein wahres Ich.
Auch bin ich mit meinen Elementen als Mensch eingeschränkt, denn in dieser Gestalt wirken meine Kräfte so schwach, dass ich nicht in Sekundenschnelle einen Waldbrand auslösen kann. Und meine Feuerkräfte als Feuerelementris sind eigentlich enorm stark.
Vor der Haustür muss ich erst einige Zeit in meiner Tasche wühlen, bis ich meinen Schlüssel gefunden habe. Und drinnen muss ich an der Wand erst einmal den Lichtschalter suchen. Man müsste meinen, dass ich mich nach einem halben Jahr hier eingelebt haben müsste.
Mein kleines Häuschen hat, dafür dass es wirklich von draußen wie ein Häuschen aussieht, ziemlich viel Platz.
Die Arbeitsplatte aus dunklem Mahagghoni, die ich als Küche nutze, nimmt hinten die halbe Wand ein. Links führt eine gläserne Tür zu einer Terrasse mit einem wunderschönen, blumenbewachsenen Garten dahinter führt. Davor, von hier drin aus, werde ich mir gleich den Sonnenuntergang anschauen, wie fast jeden Tag.
Die graue Couch mit dem hölzernen Tisch sind auf der rechten Seite. Die gesamte Wand dort gegenüber besteht aus einem gleichfarbigen Regal. In dessen Mitte befindet sich ein schwarzer Fernseher mit dem ganzen Zubehör, auch wenn ich eher weniger fernsehe. Der Rest davon wird entweder als Vitrine genutzt, oder - hauptsächlich - als Bücherregal für magische Bücher, die von Elestrya und den Elemente handeln. Auch ein paar Schätze und Souvenirs aus allen Ländern, in denen ich schon war, finden dort ihren Platz. So zum Beispiel Muscheln von der spanischen Küste, eine Schneekugel aus den österreichischen Alpen, ein getrocknetes Ahornblatt aus Kanada oder eine Teetasse aus England. Da ich auf der Flucht bin, kann ich nie an einem Ort bleiben. Bisher war ich in Kanada, Spanien, England, Albanien, Griechenland, Österreich und jetzt in Irland. In warmen Orten werden allgemein Feuerfeen zuerst gesucht, da wir so unsere Probleme mit der Kälte haben.
Das Obergeschoss ist genauso wie das Erdgeschoss in hellen Orangetönen gestrichen. Die zweite Tür ist mein Zimmer, direkt neben dem Bad.
Gegenüber von meinem Zimmer ist ein weiteres Zimmer, nur dieses ist leer. Die Wände sind weiß und keine Möbel stehen dort. Ich weiß einfach nicht, was ich damit anfangen soll. Es ist groß genug, um Nahkampf zu üben, allerdings nicht für irgendwelche magischen Angriffe. Doch meist nutzen Ella und ich ihn dennoch zum Training.
Seit dem Vorfall mit meiner Familie und dem plötzlicheen Umziehen auf die Erde, hat es sich meine alte Nachbarin Ella zur Aufgabe gemacht mich kampftauglich zu machen. Und es hat funktioniert. Immerhin konnte ich schon gute fünf Jahre überleben.
Vor einer halben Stunde hat mein Magen, wie verrückt geknurrt, aber jetzt bin ich nicht mehr hungrig. Also setze ich mich vor die Terrassentür und mache es mir dort zwischen vielen Decken bequem.
Ich liebe das Farbenspiel, stundenlang könnte ich es anschauen. Leider dauert der Moment nicht ewig und als die Sonne kaum erkennbar ist, stehe ich auch wieder auf. Immerhin waren kaum wollen am Himmel. Nächste Woche sieht es da weniger gut aus, laut dem Wetterbericht. Es wird schneien. Wie ich diesen weißen Matsch hasse!
Nachdem ich alles aufgeräumt habe, gehe ich die Treppe hinauf in mein Zimmer. Auch wenn es erst sieben Uhr ich, schnappe ich mir meinen Schlafanzug, zieh ihn an und leg mich hin. Von meinem Nachttisch schnappe ich mir ein Buch und lese. Wann ich eingeschlafen bin, weiß ich nicht."Du musst härter zuschlagen. Und vernachlässige deine Deckung nicht! Links, rechts, vorne, hinten. Auf, noch einmal."
Seit Stunden drillt Ella mich nun, hier, in mitten der Wälder Kanadas. Durch die viele unberührte Natur, ist es ein Einfaches hier versteckt zu trainieren.
Es ist gerade mal das dritte Mal, dass ich den Kampstab in den Händen halte, doch ich kann wesentlich besser damit umgehen, als beim letzten Mal. Doch Ella reicht es nicht. Ihr reicht nie etwas.
Meine Unkonzentriertheit führt dazu, dass ich von ihrem Stock getroffen werde.
"Erledigt. Schon wieder."
Wieder und wieder zwingt sie mich auf die Beine und greift mich an. Wie eine Raubkatze, grazil und lauernd, schaut sie zu mir, beobachtet mich und jede meiner Bewegungen, bis sie merkt, dass ich nicht vorhabe, den ersten Schritt zu machen. Dass ich das alles eigentlich gar nicht mehr will.
"Firea, jetzt komm schon. Los! Greif an."
Widerwillig tue ich was sie sagt und schwinge den Kampfstock lustlos und erschöpft umher.
Einige ihrer Angriffe schaffe ich zu parieren, doch der nächste Schlag geht direkt in meiner Seite. Für einen Moment raubt mir der Schmerz den Atem, bis ich genervt und wütend meine physischen Kräfte sammle. Ich bin eine müde Feuer, die gegen ihren Willen weiter kämpfen muss ohne auch nur eine Minute die Augen schließen zu können. Normalerweise sind wir für unser feuriges Temperament - daher auch die Redewendung - und die leichte Reizbarkeit bekannt. Und genau das bin ich jetzt, gereizt.
Mit einem Knurren gehe ich auf Ella los, doch auch der Versuch mit roher Gewalt auf sie loszugehen scheitert. Sie beherrscht diese Waffe besser als den Kochlöffel, und das mag etwas heißen.
Ich ziehe mich hinter einem Felsen zurück und denke nach. Bis mir etwas einfällt. Mit erhobenen Händen, die meine Kapitulation darstellen, komme ich hinter dem Stein hervor.
"Ella, warte, bitte. Kannst du mir beibringen, wie man den Stab in Kreisen dreht?"
Für einen Weile sieht sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, ehe sie schließlich nickt und zustimmt.
Sie stellte sich direkt vor mich, allerdings in einem Abstand von einigen Metern. Immerhin waren beide unserer Stäbe jeweils annähernd so groß, wie wir selbst. Und das Risiko einzugehen einen ins Gesicht zu bekommen - wieder - verzichte ich gut und gerne.
Langsam und mit viel Bedacht zeigte sie mir die unzähligen Griffe für jede einzelne Art von Wendung und Drehung. Mit einem Mal war ich wieder wach und...voller Elan.
Erst eine Stunde später setzte die Erschöpfung wieder ein.
"Das reicht für heute. Noch etwas mehr Training und es sollte funktionieren. Aber zurück zum Thema. Ich sehe dich morgen wieder, selber Ort, selbe Zeit. Und morgen will ich dich gefälligst kämpfen sehen."
Ihr drohender Blick und ihre Strenge in der Stimme bringen mich dazu stumm zu nicken.
Dann entspannen sich ihre Gesichtszüge.
"Du weißt, ich meine es nur gut mit dir. Nicht, dass du auch..."
Nicht dass ich auch sterbe, ich weiß.
Ich umarme sie zum Abschied und lächle leicht. "Ich weiß, danke Ella."
In manchen Momenten, wie in diesem, muss ich mich ermahnen sie 'Ella' zu nennen und nicht 'Mom'. Doch sie ist die Art Mutter für mich, die ich vor Monaten verloren habe. Ich weiß nicht wann ich darüber hinweg komme. Oder ob.
Sie umarmt mich zurück, sagt aber nichts mehr. Ein Portal zu ihrem Zuhause, ihrem Haus neben meinem Alten, öffnet sich und Ella schreitet hindurch. Nur um mich im mittlerweile dunklen Wald alleine zurückzulassen.
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Elementris (wird überarbeitet)
Fantasy»Sie kommen näher und näher. Mit ihnen die Kälte und die Dunkelheit. Alles auf ihrem Weg wird verschlungen, begraben, zerstört. Mein Blick ist starr nach vorne gerichtet und doch bemerke ich die steigende Nervosität der Feen hinter mir. Der Eine, de...