Kapitel 1.8 ~ Firea

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~ Wenn du auf deinen Lieblingsmenschen wütend bist: 😡🥰 ~

"Und genau deswegen, habe ich zugesagt" , beende ich meine Erklärung, warum ich mich darauf eingelassen habe mit Eric auf den Ball zu gehen.
Cathrin, die ihn, ihrem angewiderten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, nicht leiden kann, sucht fieberhaft nach einem Gegenargument.
"Ich kann Troy auch absagen, so ist das nicht, immerhin-"
"Immerhin stehst du auf ihn und wirst mit ihm da hingehen. Ich komme mit Eric klar, nach dir da mal keine Sorgen."
Schließlich habe ich schon weitaus schlimmere Feen getötet, da sollte ein Menschenjunge wohl kein Problem darstellen.
Da wir gerade eine Freistunde haben, lungern meine Freundin und ich drinnen in der Kantine, wo wir in der Wärme der Öfen gut geschützt vor der Kälte sind, die außen herrscht. Ich hasse den Winter.
"Und ich sorge dafür, dass sie wohlbehalten zurückkommt."
Bevor ich mich zu der Stimme umdrehen kann, erkenne ich aus dem Augenwinkel einen Schatten, der sich neben uns an den Tisch setzt. Der hat mir ja gerade noch gefehlt.
"Danke, das wissen wir zu schätzen. Aber trotzdem heißt das nicht, dass du uns belauschen darfst."
Ich mag zwar Cathrins Freundin sein, doch ich muss zugeben, dass ich diesen eiskalten Tonfall an ihr gar nicht kenne. Ihr Gesicht ist dabei vollkommen emotionslos. Und ich habe gedacht, dass ich das Pokerface gut beherrsche.
Erics Miene ist nicht anders, doch seine Worte kommen ihm deutlich freundlicher über die Lippen.
"Entschuldige, aber ihr seid die Einzigen in diesem Raum. Jeder würde euer Gespräch hören."
Er trägt seine Haare heute anders. Sie sind etwas gewellter und zersauster, als wäre er eben durch einen Sturm gelaufen. Seine Unterarme hat er auf den Tisch gestützt und knetet seine Hände, um Wärme durch sie hindurch fließen zu lassen.
Meine Freundin schnaubt bloß und verschränkt ihre Arme vor der Brust.
Ich sollte wahrscheinlich etwas sagen, denn ich nehme ein angespannten Knistern in der Luft wahr. Und ich fürchte, dass tatsächlich etwas in die Luft gehen könnte.
"Also" , beginne ich und ziehe das Wort in die Länge. Ich habe jetzt die volle Aufmerksamkeit Beider und räuspere mich kurz.
"Eric, was tust du hier? Ich dachte, der beliebteste Ort sei das Foyer mit den Sitzkissen?"
Nicht, dass ich meinen warmen Platz je gegen einen ungemütlichen, mit Minikugeln gefüllten Sack eintauschen würde. Aber die meisten Menschen scheinen total darauf abzufahren.
"Und das ist der Grund, warum ich nicht dort bin. Davids Rudel hält sich dort auf."
Die Beschreibung lässt mich ein wenig schmunzeln. Denn ja, manchmal führen sich die drei Jungs auf, als wäre dies ihre Schule und Fremde wären nicht erwünscht. Naja, eigentlich immer in meiner Gegenwart.
"Hätte ich fast vergessen, du stehst auch auf seiner Feindesliste."
Cathrin unterbricht uns, in dem sie ihren Stuhl zurückschiebt und aufsteht.
"Ich muss kurz telefonieren. Du hast drei Minuten, Eric."
Damit verschwindet sie schneller, als ich mich fragen kann, was mit ihr los ist. Als hätte er meine Gedanken gelesen, stellt Eric genau die Frage.
"Ich habe keine Ahnung. So habe ich sie noch nie erlebt. Hast du irgendetwas getan?"
Das erscheint mir der einzige plausible Grund für ihr abweisendes Verhalten zu sein. Schließlich ist sie erst seit seiner Anwesenheit so.
"Ich bin zwar schon mehr als ein halbes Jahr hier, aber ich weiß nicht alles über die ganzen Schüler hier. Und da du jetzt der Meinung bist, dass wir Freunde sind und Freunde sich so ziemlich alles anvertrauen, kannst du mir ja von deiner und Cats Beziehung erzählen."
Ich versuche es mit einem unschuldigen Blick und einem zuckersüßen Lächeln, um ihn zum Reden zu bringen. Lange hält er meinem Blick stand, bis meine Wangen schon anfangen zu schmerzen. Doch schließlich schmunzelt er.
"Nur, weil du so süß guckst."
Er dreht sich mehr in meine Richtung, setzt seine Brille ab und fährt sich mit einer Hand durch die Haare. Die typische Bewegung, die jedes Mädchenherz zum schmelzen bringt. Mich bringt es eher dazu ihn genauer zu betrachten.
Ich habe ihn stets als einen unscheinbaren Jungen abgestempelt, der gerne in Rätseln spricht. Obwohl sein Wortschatz laut den Lehrern enorm groß ist, als hätte er zu viele Lexika verschluckt.
Wieder ermahne ich mich vorsichtig zu sein. Doch selbst wenn seine Intelligenz für eine Technologiefee spricht, scheint er tatsächlich amüsiert über meinen Gesichtsausdruck zu sein - etwas, dass diese Maschinen nicht können. Zum Anderen kann ich keine magischen Wellen von ihm wahrnehmen und er verhält sich seit ich ihn kenne unverdachtig (möglicherweise habe ich ihn einen Weile ausspioniert), weswegen ich im seiner Nähe doch nicht ganz so vorsichtig bin, wie bei Anderen.
Doch er ist attraktiver, als ich zugeben will. Ohne dieses lästige Gestell in seinem Gesicht könnte er tatsächlich eine erfolgreiche Modelkarriere starten.
Doch dann setzt er das Ding wieder auf und Puff - aus ist der Traum.
"Ich weiß nicht genau wann es war, aber vor einigen Jahren haben ihre Freundin und ich uns tatsächlich ziemlich gut verstanden. Mehr als gut, sogar. Wir waren sehr gute Freunde. Nur irgendwann hat mein Vater mich mit in seine Geschäfte eingebunden. Er wollte, dass ich sein Nachfolger werde."
Bei der Erwähnung seines Vaters senkt er den Blick. Ich kann Trauer in seiner Stimme wahrnehmen, wenn auch nur wenig. Aber sie ist da. Und er leidet mehr darunter, als irgendwer erahnen kann. Nur ich glaube es zu wissen.
"Ich tat, was er wollte und opferte meine Zeit dafür. Zeit, die ich zuvor mit Alyssa verbracht habe. Sie wurde zweitrangig für mich bis...wir uns auseinander lebten. Irgendwann habe ich sie nicht mehr gesehen und Cathrin gefragt. Aber Alyssa war schon weggezogen, ohne, dass ich mich verabschieden konnte."
Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter und verdränge alle Zweifel. Er ist nichts weiter, als ein trauriger Menschenjunge.
"Du musstest wählen und hast dich für die Familie entschieden. Und weißt du was? Ich hätte meinen Vater wahrscheinlich auch nicht enttäuschen wollen."
Noch nie habe ich in so schöne, so tiefblaue Augen geschaut, wie in Erics. Wie die See ziehen sie sich mich in ihren Bann und lassen mich für einen Augenblick vergessen wo ich bin.
"Aber jetzt scheinst du Zeit zu haben. Warum versucht ihr es nicht mit einem Neuanfang?"
Seufzend schüttelt er den Kopf.
"Weil es schon so lange her ist, dass sie mir nicht mehr verzeihen kann. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich lieber darüber reden, wer du bist. Die paar Monate, die du an unserer Schule bist, haben noch nicht gereicht, um mehr herauszufinden, als deinen Namen, dein Alter und deine Lieblingsfarbe."
Gerade als ich fragen will, woher er Letzteres weiß, zeigt er auf mein Oberteil. Ein roter Pullover. Da ich nicht weiß, ob er es gewusst oder geraten hat, merke ich mir für die Zukunft, keine Wetten mit ihm zu schließen. Nicht, dass er da auch so viel Glück hat.
"Du musst da schon genauer werden, Eric."
"Nein. Ich überlasse es dir, was du mir sagen willst und was nicht. Immerhin verhöre ich dich hier nicht."
Das ist eine verdammt schwere Aufgabe, die er mir da stellt. Bei einer Frage lenkt er mich in eine Richtung und ich kann jederzeit sagen, dass er etwas anderes fragen soll. Aber jetzt da ich die Freiheit habe...mir fallen auf die Schnelle nur Dinge ein, die er nicht wissen darf.
"Gibt es etwas, dass niemand weiß? Ich erwarte jetzt nicht deine tiefsten Geheimnisse. Aber ich beispielsweise habe schon seit einiger Zeit eine Schwäche für Vögel. Ich könnte sie stundenlang beobachten und studieren. Wie gerne würde ich einen als Freund haben."
Der Gedanke von Eric und einem kleinen Spatz auf seiner Schulter bringt mich zum Grinsen. Immerhin gehört er mit seinen fast zwei Metern Größe nicht zu den kleinen Menschen und überragt mich um einen ganzen Kopf.
"Das ist wirklich süß" , gebe ich zu. Aber was mich selber angeht, fällt mir nichts auf die Schnelle ein. Weiter darüber nachzudenken brauche ich auch nicht, denn Cathrin kommt herein. Das sind sicherlich mehr als nur drei Minuten gewesen.
Auf ihr Eintreffen reagiert Eric mit einem enttäuschten Seufzen und dreht sich von mir weg, um wieder gerade auf dem Stuhl zu sitzen.
Noch bevor sie ganz durch die Tür ist, erklärt sie ihm mit Handzeichen, dass er verschwinden soll. Und er steht auf.
Wie vom Blitz getroffen tue ich es ihm nach.
"Ich habe schon immer davon geträumt zu den Sternen zu reisen."
Meine Stimme ist kaum hörbar und doch zeigt mir sein Blick, dass er jedes Wort verstanden hat. Mehr sehe ich aber nicht, denn er reizt Cathrin nicht weiter und geht nach draußen.
"Was sollte das?" , fahre ich sie an. Schließlich hätte er auch bleiben und wie wir die Wärme genießen können.
"Das fragst du mich? Ihr scheint euch ja mehr als gut zu verstehen. Und das obwohl du keine Ahnung hast, was er getan hat!"
Ich bin schon so oft von so vielen Leuten angeschrien worden. Doch bei Keinem hat mein Herz so sehr leiden müssen, wie bei Cathrin. Noch schmerzvoller ist, dass auch ich nicht anders kann, als meine Stimme zu erheben.
"Du meinst das mit Alyssa? Das hat er mir erzählt und auch, wie Leid es ihm tut."
"Oh natürlich, weil er es auch wirklich so meint" , erwidert sie in einem sarkastischen Ton.
"Nur weil du ihm nicht vertraust, muss das nicht auch für andere gelten. Menschen machen nun mal Fehler, aber nicht alle geben sie zu und versuchen sich zu bessern. Er schon, also gib ihm einen Chance."
Ihre zu Fäusten geballten Hände knallen mit einer solchen Wucht auf den Tisch, dass ich bei dem Laut zusammenschrecke. Noch bevor ich mich fassen kann, springt sie auf.
"Es wäre besser für dich, du würdest mir glauben. Ich versuche nur, dich zu schützen. Er ist nicht der, den du glaubst in ihm zu sehen. Und solange du derart blind bist, kann ich dir nicht weiterhelfen."
Mit diesen Worten stürmt sie aus dem Raum und lässt mich mit einem chaotischen Strudel an Gefühlen zurück.
Wut, darüber, dass sie mir nicht zuhören und über das eine Geschehene hinwegsehen will.
Verzweiflung, denn dass Cathrin einmal derart wütend auf mich sein kann, lässt mich daran zweifeln, dass unsere Freundschaft jemals so wird, wie vorher.
Erschrecken, denn ich habe soeben einen Fremden Cathrin vorgezogen.
Und doch könnte ich über ihre Dickköpfigkeit lachen, denn sie erinnert mich nur zu gut an mich selbst. Wenn ich nicht die sturste Fee ganz Elestryas bin, dann weiß ich auch nicht weiter.
Kopfschüttelnd versuche ich meine sich anbahnenden Kopfschmerzen zu verdrängen und denke darüber nach, wie ich mich bei ihr entschuldigen kann.
Unter anderen Umständen würde ich das gar nicht erst in Erwägung ziehen, doch nachdem ich vor Jahren alles und jeden verloren habe, der mir wichtig ist, muss ich gestehen, dass ich sie nicht auch noch verlieren will. Cathrin McDeen, meine einzige beste Freundin auf diesem Planeten.

Elementris (wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt