Ich halte die Luft an und strecke meinen Kopf nach oben. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man so leiser atmen kann... Schritte nähern sich meinem Versteck, einer einfachen Hecke, die bei jeder Bewegung raschelt. Egal, jetzt ist es sowieso zu spät...
Ich versuche meinen Puls zu beruhigen, während die Schritte sich langsam entfernen. Mist, das war knapp. Eigentlich müsste ich jetzt weiterlaufen. Ich kann hier nicht bleiben. Nur ist das gefühlt total sinnlos ohne einen richtigen Plan. Ich muss mir überlegen wie es weitergehen soll. Schmerzerfüllt bewege ich mein Handgelenk. Ich muss es mir irgendwo angeschlagen haben.
Eigentlich ist es ja klar: Ich muss zu Jake. Ich weiß, dass ich ihn dadurch wahrscheinlich in Gefahr bringe... Aber ich weiß nicht weiter. Alleine schaffe ich das nicht und er ist die einzige Person, der ich vertraue. Am Besten treffen wir uns nicht bei ihm Zuhause... Das ist sicherer. Jetzt muss ich nur noch herausfinden wie ich ihn kontaktiere...
Vorsichtig schiebe ich einige Zweige zur Seite um mir freien Blick auf meine Umgebung zu schaffen. Ich bin am Rand eines Parks. Auf der anderen Straßenseite kann ich eine Telefonzelle ausmachen. Riskant, aber die einzige Möglichkeit. Ich stütze mich auf meiner Hand ab und ziehe sofort scharf die Luft durch meine Zähne ein. Verdammt, tut das weh. Ich blicke mich nochmals um und kann tatsächlich einen kleinen Supermarkt ausmachen. Perfekt! Ich gehe sicher, dass niemand in der Nähe ist und renne schließlich aus meinem Versteck, über die Straße in den Supermarkt.
Etwas weiter hinten kann ich einen großen Hoodie ausmachen. Etwas weiter links ist sogar eine kleine Arznei-Abteilung in der ich ein paar Schmerztabletten mitnehme. Zwar keine starken, aber sie erfüllen hoffentlich ihren Zweck...
Ich bin die einzige Kundin an der Kasse und lege meine Sachen auf den Tresen. Die Kassiererin kaut lautstark auf einem Kaugummi, während sie ihren Zeigefinger um das Telefonkabel wickelt. Sie telefoniert also... Ich warte geduldig darauf, dass sie das Gespräch beendet und blicke mich unsicher um. Über der Kassiererin hängt ein kleiner Fernseher, auf dem die News laufen. Nichts Neues. Wieder irgendein Autounfall.
Die Kassiererin hängt immer noch am Telefon und ich werde langsam ungeduldig. Ich räuspere mich lautstark, woraufhin die Kassiererin genervt die Augen verdreht. In Zeitlupe, selbstverständlich ohne das Telefon wegzulegen, scannt sie meiner Produkte. Ungeschickt versucht sie mit ihrer freien Hand das Etikett des Hoodies zu finden.
Ich seufze genervt und lasse meinen Blick schweifen. Der Fernseher bringt immer noch die News. Man sieht wie Typen in schwarzen Schusswesten herumrennen. Und dann... Moment! Das sind doch die Typen die hinter mir er sind! Leider ist der Fernseher auf stumm, weshalb ich nicht höre was gesagt wird. Dann erscheint das Bild einer jungen Dame, das Bild von... mir?
Geschockt reiße ich die Augen auf. Ich werde mit Bild gesucht? Über das Fernsehen? Die Luft scheint dünner zu werden und alles dreht sich. Schnell fasse ich mich wieder und bemerke, dass die Verkäuferin endlich das Etikett gefunden hat.
Ich schaue mich schnell um und entdecke direkt im nächsten Regal etwas Haarfarbe. Ich nehme mir zwei Packungen mit der Bezeichnung "Mahagoni" und packe sie neben die Schmerztabletten auf den Tresen. Die Kassiererin schaut mich mit einem wütenden Blick an und ich lächle entschuldigend. Wie gut, dass sie so abgelenkt ist und nicht auf den Fernseher schaut...
"27,95",
nörgelt die Kassiererin mich an, wobei die die neunzig am Ende besonders lang zieht.Ich zahle und sehe zu, das ich weg komme. Beim Rausgehen stülpe ich mir den Hoodie über und ziehe mir die Kapuze bis ins Gesicht. Die Telefonzelle ist direkt um die Ecke. Ich schlüpfe hinein, werfe ein paar Münzen in den Slot und tippe Jakes Nummer ein.
Es tutet bereits zum vierten Mal und ich schaue mich unsicher um. In dieser Glaszelle bin ich wie auf den Präsentierteller und das gefällt mir gar nicht...
"Tuuut",
das 6. Mal.Ich will gerade auflegen, als Jake endlich abnimmt.
"Hallo?",
fragt er unsicher."Hi!",
flöte ich mit übertriebener Freundlichkeit, für den Fall dass doch jemand mithört,
"Hier ist Rose!"Ich hoffe einfach, dass Jake es kapiert.
"Hey Rose! Dich hab ich ja ewig nicht gehört! Was gibt's?",
spielt Jake sofort mit und ich atme erleichtert auf."Ich wollte nur mal hören wie es Dir geht. Wird Zeit das wir mal wieder was zusammen machen...",
"Mir geht's prima. Wann und wo wollen wir uns treffen?",
fragt er besorgt.Ich schaue mich wieder einmal unauffällig um:
"Hast Du heute Zeit? Vielleicht so in 40 Minuten beim alten Joe?""Ich werde da sein...",
dann legt er auf.Ich trete sofort aus der Zelle und verschwinde in einer dunklen Gasse.
Ich muss daran denken, wie Jake mich gefragt hat, ob ich mit ihm zum Abschlussball gehe. Wie konnte alles nur so schnell schief gehen? Ich hatte die Chance auf ein normales Leben einfach versaut. Ich schüttele den Gedanken ab und machen mich auf den Weg zum alten Joe. Das ist eine sehr alte Bar, die schon total heruntergekommen ist. Keine Kameras, kaum Leute, also perfekt.
- - - - -
Ich bin bereits nach 10 Minuten da und verschwinde sofort auf der Toilette. Hinter mir schließe ich die Tür ab, sodass kein anderer den Raum betreten kann. Ich öffne den Wasserhahn und nehme einen großen Schluck um zwei der Schmerztabletten herunter zu würgen. Wie ich das hasse. Mit der Hand spritze ich mit etwas kühles Wasser ins Gesicht. Dann ziehe ich den Hoodie und mein Oberteil aus und krame die Haarfarbe aus der Tüte... Ob es ein Glow up wird - kein Plan. Auf jeden Fall ist es Zeit für ein Makeover...
+ + + + +
Danke fürs Lesen.
Mal ein etwas kürzeres Kapitel. :)
Hast Du Verbesserungsvorschläge? Wie gefällt es Dir bis jetzt?
Bis zum nächsten Kapitel.
~ K
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Into the Eye
Mystery / ThrillerAmanda Mason ist auf der Flucht seitdem sie 10 Jahre alt ist. Vor wem sie flieht? Das weiß sie nicht. Warum sie flieht? Sie hat keine Ahnung. Doch eine Frage beschäftigt sie ganz besonders: Wer ist sie wirklich? - - - - - „Wie alt sind Sie, wenn...