1.3 "Ich liebe dich, mein Schatz!"

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"Wann kommt Mama nach?",
frage ich Dad zum hundertsten Mal.

Wir laufen seit einer Ewigkeit in den Wald hinein und das laute Zirpen der Grillen fügt sich wunderbar in die Urwaldgeräusche ein. Mittlerweile bricht die Dämmerung herein und wir sind noch immer auf der Suche nach Holz, um ein Feuer zu machen.

"Glaubst du Aiden geht es gut?",
frage ich, als mir wieder seine strahlenden Augen in den Sinn kommen.

Mein Vater seufzt:
"Du musst aufhören, so viele Fragen zu stellen, Mandy..."

Sichtlich enttäuscht blicke ich auf den Waldboden.

Dad scheint es zu bemerken und fügt schnell hinzu:
"Lass uns jetzt erst einmal etwas zu Trinken finden, okay?"

Ich nicke verstehend mit dem Kopf.

"Komm, schlag ein!",
ermuntert er mich und ich gebe ihm lächelnd high-five.

Wir laufen immer weiter, bis mein Dad plötzlich inne hält:
"Shh! Hörst du das, Liebling?"

Ich halte den Atem an um wirklich alles um mich herum zu hören. Und tatsächlich: Ganz leise war es in der Ferne zu hören.

"Meinst du das Rauschen?",
frage ich.

"Genau!",
erklärt Dad mir,
"Falls du irgendwo mal alleine sein solltest, versuche das Rauschen zu finden. Es bedeutet das Wasser in der Nähe ist - und Wasser brauchst du zum Überleben!"

Ich nicke. Dad ist mit mir schon öfter im Wald gewesen und hat mir verschiedene Dinge erklärt.

"Weißt du noch was das hier ist?",
fragt er mich und deutet mit der Hand auf eine Vertiefung im Boden.

"Eine Spur?",
antworte ich zögerlich.

"Genau. Und weißt du auch noch von welchem Tier die sein könnte?"

Ich hocke mich neben die Spur um sie genauer betrachten zu können. Gleichzeitig versuche ich mich zu erinnern, was mir Dad beigebracht hatte.

"Ist das ein Bär?",
vermute ich und hebe meinen Blick um ihn fragend anzusehen.

"Mhm!",
macht mein Vater gedankenversunken,
"Ist es... Wir müssen aufpassen. Die können gefährlich sein, weißt du."

Staunend blicke ich der Spur hinterher, während wir unseren Weg tiefer in den Wald fortsetzen.

Es ist bereits stockdunkel als Dad mir zeigt, wie ich ein kleines Feuer in Gang bekomme. Ich versuche es mir zu merken, aber nach diesem Tag bin ich hundemüde. Dad legt etwas Laub auf den Boden, damit es weicher ist. Ich kuschle mich dicht an ihn heran.

"Werden wir morgen Mama wiedersehen?",
frage ich Dad.

"Bestimmt. Schlaf jetzt!",
antwortet er ruhig,
"Ich liebe dich, mein Schatz!"

"Ich dich auch, Dad!"

-  -  -  -  -

"Wow!",
ist alles, was die Fremde hervorbringt.

Ich blicke sie ausdruckslos an. Mitleid ist das Letzte was ich brauche. Sie wollte meine Geschichte kennen lernen - dann muss sie damit auch leben!

"Das mit ihrer Mutter tut mir Leid...",
sagt sie.

"Es ist lange her. Ich komme klar.",
sage ich kühl.

Natürlich schmerzt es mich heute noch, sowas wertvolles verloren zu haben... Aber ich kann keine Sentimentalitäten zeigen. Erst Recht nicht vor einer fremden Person!
Das mag vielleicht übertrieben oder dramatisch klingen, aber die Vergangenheit hat mich gelehrt niemandem zu vertrauen.

"Haben sie sie jemals wiedergesehen? Um sich... Sie wissen schon... Richtig zu verabschieden?",
stochert die Frau weiter in meiner schmerzlichen Vergangenheit herum, was ihr Spaß zu machen scheint.

"Nein."

"Und der junge Mann von damals... ähh... Aiden? Was ist aus ihm geworden?"

"Er ist gestorben bei dem Angriff damals... Das letzte Mal als ich ihn sah, musste ich ihm versprechen nicht nach oben zu schauen..."

"Das erwähnten sie bereits. Warum hat er ihnen diesen Rat gegeben? Wissen sie das? Hat er versucht sie vor dem Anblick ihrer Mutter zu bewahren?"

Diese Frau nimmt echt kein Blatt vor den Mund!

"Nein. Es gab Drohnen, die aus kleinen Fächern der Bomben flogen. Sie erfassten alle Gesichter der Überlebenden. Die wurden direkt auf die rote Liste gesetzt... Deshalb sollte ich nicht nach oben schauen."

Mit aufgerissenen Augen blickt mich die Autorin an, während sie wie wild auf ihrer Tastatur herumtippt:
"Ach echt???"

"Nein natürlich nicht! Das war ein Witz! Was denken sie denn warum ich nicht hochschauen sollte, abgesehen von meiner Mutter?!",
frage ich provokant, in der Hoffnung sie hat die Nachricht verstanden.

Sie starrt mich immer noch entsetzt an, betätigt dann jedoch die Löschen-Taste auf ihrer Tastatur, bevor sie sich lautstark räuspert.

"Warum fahren sie nicht fort..."

-  -  -  -  -

Ich werde durch die hellen Sonnenstrahlen wach, die durch die Blätterdecken fallen.
Mir ist eiskalt. Obwohl der Sommer naht, ist es in der Nacht doch noch relativ kalt...
Ich drehe mich zu meinem Vater. Er scheint auch zu frieren, denn sein Arm ist relativ kühl.

"Papa! Das Feuer ist aus... Soll ich ein Neues machen?",
frage ich ihn verschlafen und strecke mich ein wenig.

Die Vögel zwitschern fröhlich vor sich hin und selbst die bunten Blumen strecken sich der frühen Morgensonne entgegen. Ansonsten ist es still.

Ich beobachte die kleinen Partikel, die in der Luft umherschwirren und von dem Licht wunderschön angeleuchtet werden, als mir auffällt, dass Dad immer noch nicht geantwortet hat.

"Dad?",
ich drehe mich fragend in seine Richtung und wende den Blick von den zauberhaften Partikeln ab.

Er liegt regungslos da. Schläft er immer noch? Eigentlich ist er doch immer vor mir wach...

"Dad!",
ich rüttle an seiner Schulter.
DAD!"

-  -  -  -  -

Ein großer, dunkelhaariger Mann starrt mit wütenden, blutunterlaufenen Augen auf sein Funkgerät, als eine Stimme aus diesem ertönt:

𝙸𝚌𝚑 𝚜𝚌𝚑𝚠ö𝚛𝚎 𝙱𝚘𝚜𝚜! 𝚆𝚒𝚛 𝚜𝚎𝚑𝚎𝚗 𝚑𝚒𝚎𝚛 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝𝚜 𝙰𝚞𝚏𝚏ä𝚕𝚕𝚒𝚐𝚎𝚜!

"Schwachsinn! Findet Sie!",
brüllt der Mann in das Gerät.

𝙹𝚊𝚠𝚘𝚑𝚕, 𝚂𝚒𝚛!

Die faszinierende Stille des Urwalds wird an diesem Morgen schließlich durch den lauten Schrei eines kleinen Mädchens zerrissen. Ein Schrei, der ihr Leben für immer verändern sollte und sogar den großen Mann aufhorchen lässt...

"Johnson!",
sagt der große Mann mit einem selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen.

𝙹𝚊, 𝚂𝚒𝚛?

"Planänderung..."

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Hey there!
Danke fürs Lesen!
Was glaubst Du wie es weitergeht?

~K

Into the EyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt