Die Interviews

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Der Junge vor mir hat zurück gegelte, braune Locken und stechende graue Augen, die dieselbe Farbe haben, wie sein Anzug, nur das dieser noch metallisch funkelt. Er wirkt gefährlich und eiskalt. Mich schaudert es bei meinem Anblick. Ich drehe mich zu meinem Stylisten um, der wieder mal vollkommen überzeugt von seiner Kreation ist. Das Interviewoutfit ist immerhin nicht so schrecklich wie das von der Wagenparade, aber unwohl fühle ich mich trotzdem.

Mein Stylist führt mich, nach endlosen Beteuerungen in denen er sich selbst lobt, was für ein großartiger "Künstler" er ist, hinter die Bühne und stellt mich in die Reihe zu den anderen Tributen. Vor mir steht Maysilee, die mir ein kleines, begrüßendes Lächeln schenkt, dann aber sofort wieder ernst wird. Mike hinter mir ist so nervös, dass er die ganze Zeit wie verrückt seine Hände knetet. Es nervt mich so, dass ich ihm einen eiskalten Killerblick zuwerfe, woraufhin er verschreckt zurück weicht, dann aber aufhört. Die Interviews beginnen und rauschen an mir vorbei ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Gelangweilt betrachte ich die Umgebung und werde erst wieder aufmerksam, als Maysilee die Bühne betritt. Caesar begrüßt sie herzlich und macht ihr mehrere Komplimente wie wunderschön sie aussieht. So ist es wirklich. Das Kleid sieht aus, als würde es aus Kohlenstaub bestehen und schmiegt sich an ihren schlanken Körper. Die blonden Haare fließen über ihren Rücken und hier und stecken darin kleine Klammern mit schwarzen Diamanten. Sie bedankt sich höflich, bleibt aber distanziert zu dem Moderator. Neben ihrer Schönheit wirkt er wie ein hässlicher Vogel und seine Haare, die dieses Jahr dunkelgrün gefärbt sind, unterstreichen diesen Effekt nur. Seine Lippen und Lider haben dieselbe Farbe und er sieht aus wie ein Haufen Algen, aber im Kapitol ist dass wahrscheinlich gerade der letzte Schrei.

Er beglückwünscht sie noch zu ihrer hohen Bewertung und schon ist ihr Interview beendet und sie darf die Bühne verlassen. Hoheitsvoll schreitet sie hinaus und schon werde ich auf die Bühne geschoben.

Caesar gibt mir die Hand und wir setzten uns auf die Sessel. Sofort beginnt das Interview. Mit Frank habe ich besprochen, dass ich mich möglichst so geben soll, wie auf der Wagenparade, arrogant und gleichgültig.

"Also, Haymitch, was hältst du davon, dass bei diesen Spielen hundert Prozent mehr Mitstreiter dabei sind als sonst?", fragt Caesar.

Ich zucke mit den Achseln und gebe mich möglichst gelangweilt.

"Ich sehe da keinen großen Unterschied", antworte ich und staune selbst über den eiskalten Klang meiner Stimme. "Sie werden zu hundert Prozent so dumm sein wie sonst auch und deshalb schätze ich meine Chancen eigentlich gleich ein."

Die Zuschauer lachen. Obwohl sie mich anwidern, schenke ich Ihnen ein halbes Lächeln. Zu meiner Zufriedenheit, wirke ich so wie ich will. Höhnisch. Arrogant. Gleichgültig.

Der Rest des Interviews plätschert so dahin. Er fragt mich nach meiner Familie, nach Caroline. Ich muss mich zusammenreißen, damit ich ihn nicht angreife, als er über sie redet. Es geht sie alle nichts an, wer sie ist! Sie werden sie mir nicht auch noch nehmen und auf eine Bühne zerren. Sie zur Schau stellen wie einen Hund, das lasse ich nicht zu!

Nachdem der Gong ertönt, der das Ende des Interviews ankündigt, kann ich endlich gehen. Immernoch wütend stampfe ich in mein Zimmer und schließe die Tür ab. Bis ich morgen in diese Todesfalle muss, will ich meine Ruhe haben!

Haymitchs Spiele- 50. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt