Ich schaute auf den Wecker. Erst fünf Uhr. Egal, ich stand trotzdem auf und ging an den PC. Das Buch oder die Idee zwang mich dazu. Ich musste alles aufschreiben, was ich erlebt hatte. Noch nie hatte ich mich so intensiv an einen Traum erinnert, ich konnte noch alle Eindrücke aufschreiben und währenddessen verarbeitete ich alles Erlebte und war am Ende noch einmal genauso geschockt wie im Traum.
Nun sitze ich da, schreibe das hier fertig und höre dabei klassische Musik. Etwas das mich normalerweise beruhigt, doch diesmal bringt es nichts, denn ich weiß, was ich tun muss und es gefällt mir nicht. Ich werde dir alles beschreiben, was ich erleben werde ohne es bereits zu erleben. Ich bin inzwischen zu einem Teil meiner eigenen Geschichte geworden, eigentlich war ich das schon immer. Wenn es das Buch mir erlaubt, kann ich also meine eigene Zukunft sehen, ohne diese verhindern zu können. Denn das ist der Nachteil: Alles was ich hier beschreibe kann ich nicht mehr verändern.
Sobald ich fertig bin, alles aufzuschreiben, gehe ich meiner normalen Morgen-Routine nach, auch wenn ich nun in Hektik bin, denn das Schreiben hat meine gesamte Zeit beansprucht. Ich frühstücke kurz, das Zähneputzen kommt etwas kurz und anschließend fahre ich etwas schneller, als das vom Gesetz zugelassen ist. Die ganze Fahrt über versuche ich mich abzulenken und zu vergessen, was ich über den heutigen Tag weiß, denn was ist das für ein Leben, in dem man schon alles weiß, das auf einen zukommt. Doch es entweicht nicht aus meinem Kopf, was nicht weiter verwunderlich ist, denn mich erwartet ein höchst seltsamer Tag.
Bis ich wieder zu Hause bin, kann ich mich dann doch ablenken, denn es gibt genügend Arbeit. Nur in den Pausen habe ich Schwierigkeiten mit meiner Ablenkung. Zuhause darf ich nicht gleich an den PC, sonst hätte ich das hier ja auch erst zu diesem Zeitpunkt erzählen können. Stattdessen habe ich eine Menge Arbeit. Mir wird nicht einmal Zeit dazu gelassen, in das Haus zu gehen, sondern ich fange direkt damit an ein tiefes Loch im Garten zu graben. Immer wieder schaue ich mich um, um mich zu vergewissern, dass meine Nachbarn mir nicht zuschauen, denn ich bin mir sicher, dass sie ziemlich verwundert wären, und das mit gutem Grund. Noch viel mehr Grund bekämen sie allerdings, wenn sie sehen würden, was ich tue, nachdem ich ein fast zwei Meter tiefes Loch gegraben habe, mit einem Durchmesser von etwas mehr als einem halben Meter. Ich fahre in den Wald, der nicht weit von unserer Stadt ist und suche bestimmte Kräuter die mir die Idee zeigt. Es sind Kräuter, die mir bisher nie auf meinen Spaziergängen aufgefallen sind, aber doch äußerst seltsam aussehen. Ich setze mich auf die Erde und rupfe.
Es ist eine sehr willkommene Abwechslung zum stundenlangen Graben, das mich an den Rand meiner Kräfte gebracht hat. Anschließend fahre ich zurück, sehe mich noch einmal nach Nachbarn um und schütte schließlich alle Kräuter in die Grube. Danach kommt noch etwas Wasser aus dem Gartenschlauch hinein und etwas zuvor ausgegrabene Erde. Ich verrühre die Brühe eine volle Stunde lang, wobei ich am Anfang und am Ende ununterbrochen auf die Uhr schaue, damit es wirklich genau auf die Sekunde eine Stunde ist.
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Bis hierhin hatte ich es diesen Morgen aufgeschrieben und bis dahin wusste ich was passiert, doch ich hatte ein ziemlich schlechtes Gefühl, denn eine Brühe mit Kräutern anrühren kam mir äußerst verdächtig vor. Mein Instinkt, der vom Buch angetrieben wurde, sagte mir, ich sollte nun in eine andere Richtung schauen. Ich tat es und wartete. Ich wartete für meinen Geschmack viel zu lange, das Buch erlaubte mir nicht, mich zu entfernen. Und als ich mich schon gegen meinen Instinkt stellen wollte und meiner Vernunft einen neuen Versuch gestatten wollte, gegen den Irrsinn anzugehen, den ich hier betrieb, hörte ich etwas. Es hörte sich an, als würde ein kleines Kind in dem Matsch spielen, den ich gemacht hatte. Immer lauter wurden die Schmatz-Geräusche und es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Dann hörte es auf und das war eigentlich noch viel schlimmer, denn nun wusste ich, es würde etwas passieren.
Ich durfte mich umdrehen und sah den Elf, den ich die vorige Nacht im Traum gesehen. In der Realität ist das noch einmal etwas ganz anderes. Im Traum akzeptiert man so gut wie alles, was passiert, doch wenn der Traum zur Realität wird, wünscht man sich, in eine Realität aufwachen zu können die realer als diese Realität ist. Doch das ging nicht und daher tat ich erst mal gar nichts. Wie schon im Traum, sah mich der Elf mitleidig an.
Schließlich fragte ich den Elf, dessen hellblonde Haare, obwohl sie meine Erfindung waren, mich irritierten: "Wozu musste ich die Grube graben?"
Der Elf sah mich an, wie ein Erwachsener ein Kind ansieht, das die Welt noch nicht einmal ansatzweise begriffen hatte. "Was kommt in Büchern und in den Fantasien der Menschen öfter vor: Das etwas Magisches passiert, ohne sich vorher groß anzukündigen oder indem irgendwelche seltsamen Dinge getan werden um in einem langen Prozess Magie herauf zu beschwören?"
Ich sagte nichts. Denn ich begriff, dass all das was ich gemacht hatte, nur den Zweck hatte, den Anschein von Magie zu erwecken. Das war ziemlich ernüchternd. Ich durfte nicht zu der Grube schauen, weil sich das plötzliche Erscheinen eines Elf schlechter mit meiner Realität verbinden lässt, aber die Schmatz-Geräusche und das Ganze drum herum, gaben mir Zeit, um mich auf etwas derart Unnatürliches einzustellen. Wie um meine Gedanken zu vervollständigen, erklärte mir der Elf: "Es ist mit den physikalischen Gesetzen der realen Welt besser zu vereinbaren, Materie in eine andere Form von Materie umzuwandeln, in diesem Fall mich. Doch jetzt, da die physikalischen Gesetze, die die Menschheit kennt, schon teilweise überschritten wurden, kann das Buch weiter fortschreiten und die Fantasie mit der Realität vereinen." Im nächsten Moment kam ein weiterer lauter Schmatzer aus der Grube.
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Der Preis der Fantasie
FantasyIch begehe einen schwerwiegenden Fehler: Ich schreibe dieses Buch. Ein Buch, in dem es um das Buch und seinen Autor geht, der sich einer Idee hingibt, die vorsieht, die Welt zu verändern. Einer Idee, die sich selbst in Buchform sehen will, um dadurc...