Düstere Erkenntnis

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Als ich aufwachte und den Zettel sah, erinnerte ich mich wieder. Aber nicht mehr so gut, wie ich sollte. Die Erinnerung an meine früheren, lächerlichen Vorstellungen waren verblasst. Sie hatte starke Ähnlichkeiten mit Erinnerungen an Bücher die man mal gelesen hat. Aber das, was ich da auf den Zettel geschrieben hatte, war gestern noch Realität für mich. 

"Elfen und Feen, das sind doch Fantasiewesen und nun werden sie zur Realität?!"

Eine seltsame Nachricht. Was war gestern los gewesen? Ich bezeichnete den Elf, der nun schon seit mehreren Jahren bei mir wohnte, als ein Fantasiewesen. Ebenso hatte ich an der Realität der Feen gezweifelt, die mir wöchentlich einen Besuch abstatteten. Doch ich erinnerte mich. Gestern war noch etwas anders gewesen. Ich erinnerte mich, diesen Zettel geschrieben zu haben, mit einer dunklen Vorahnung, was den heutigen Tag anbelangt. Was war da plötzlich in mich gefahren. Doch schon bald fiel mir eine Lösung ein: Seit einer Weile schrieb ich an einem Buch, in dem ich von Dingen aus meinem Leben berichtete. Ich könnte einfach schauen, was ich gestern geschrieben hatte. Ich wollte schon den PC anschalten, als ich plötzlich keine Lust mehr darauf hatte. Warum das Ganze? 

Gerade als ich zur Arbeit gehen wollte und noch einmal mein Schlafzimmer betreten musste, um noch mein Handy zu holen, zog der Zettel meinen Blick wieder auf sich und das nervte mich. Warum hatte ich nicht kurz den blöden Computer angeschaltet um nachzuschauen. Jetzt würde mich der Gedanke an den Zettel vermutlich die ganze Zeit vom arbeiten ablenken. Und dieses spontane Umentscheiden sah mir gar nicht ähnlich. Es gab keinen Grund, plötzlich keine Lust mehr darauf zu haben, auf einen Taster eines Computers zu tippen und anschließlich mit wenigen Klicks das erhoffte Ergebnis vor sich zu haben. Ärger stieg in mir hoch. Ärger vermischt mit Verwirrung. Was ging in meinem Kopf vor? Ich spürte das etwas falsch war.

Auf die Gefahr hin, zu spät zu kommen, ging ich doch noch zum Schreibtisch um die Sache zu regeln, um für einen Tag zu sorgen, der trotz dieses seltsamen Anfangs, einen normalen Verlauf nehmen konnte. Gerade als ich den Taster berührte, wurde mir es dann doch zu blöd dafür meine Zeit zu verschwenden. Warum regte ich mich so auf? Gestresst von zwei Seiten in meinem Gehirn, die scheinbar unterschiedlich agieren wollten, versuchte ich meine Gedanken zu sortieren und diese eigentlich belanglose Sache mit Vernunft anzugehen. Meine Vernunft sagte mir, es sei nicht notwendig, länger über diese Sache nachzudenken, ich musste sie einfach kurz durchziehen.

Erneut berührte ich den Taster und erneut kam Widerstand in meinem Kopf auf, doch ich durchbrach ihn trotzig und drückte energisch zu. Wenige Sekunden später sah ich den besagten Text auf "wattpad", doch irgendwas sagte mir, dass es total unwichtig sei. Ich schaute es mir trotzdem an, den es war nicht mein Stil, Dinge anzufangen und dann aus Lustlosigkeit aufzuhören.

Als ich den Text gelesen hatte, war die Erinnerung wieder klarer und ich erschrak, wie ich sowas vergessen konnte. Wieso dachte ich plötzlich, der Elf würde schon lange bei mir wohnen, obwohl er erst gestern bei mir eingezogen ist? Ohne weiter auf die Zeit zu achten, las ich mir die anderen Teile auch noch durch und Angst überfiel mich. Zwar erinnerte ich mich immer besser und ich erinnerte mich auch noch daran, dass ich meiner Zukunft gespannt entgegen geschaut hatte, doch so hatte ich mir das bestimmt nicht vorgestellt. Ich druckte mir alle Teile, die ich geschrieben hatte, als Dokumente aus und packte sie ein. Dann hörte ich etwas aus dem Zimmer des Elfes und floh schnell aus dem Haus. Dieser Elf würde mich bestimmt von der Wahrheit ablenken wollen. 

In der Mittagspause schaute ich mir die Dokumente noch einmal und stellte erleichtert fest, dass ich nichts vergessen hatte. Das Vergessen des Eingriffes der Fantasie in die reale Welt, schien ein einmaliger Prozess zu sein, den ich nun überlistet hatte. Mir wurde übel, bei der Vorstellung, was passiert wäre, wenn ich auf die Stimme in meinem Kopf gehört hätte, die sich nun als die Idee herausgestellt hatte oder den Zettel erst gar nicht geschrieben hätte. Vermutlich hätte ich jeden Tag neue Überraschungen aus der Welt der Fantasie erlebt, die ich in der Nacht wieder vergessen hätte. Womöglich ging dieser Erinnerungsverlust dann auch auf meine Mitmenschen über, so dass auch sie vergaßen was sie einst über die Realität wussten.

Plötzlich war da ein neuer Gedanke, den ich sofort wieder zu verscheuchen versuchte. Er bereitete mir Kopfschmerzen und erfüllten mich mit einer neuen Angst. Der Gedanke war unausweichlich, wenn man die vorigen Gedanken konsequent weiter dachte: Hatte es diese Eingriffe in die Realität seitens der Fantasie schon einmal gegeben? Hatte ich damals keinen Eintrag in das Buch geschrieben und auch keinen Zettel auf dem Schreibtisch hinterlassen? Wie konnte ich das überprüfen? Gab es überhaupt eine Möglichkeit, wenn ich damals nichts aufgeschrieben hatte, das Realitätsverständnis vor diesem Zeitpunkt wieder herzustellen, oder war es für immer verloren? Außerdem konnte eine Einmischung der Fantasie in die Realität schon beliebig oft geschehen sein. Meine gesamte Realität, meine gesamte Welt, könnte eine Illusion sein, die sich die Menschen selbst ausgedacht hatten.

Bei meiner Heimfahrt dachte ich immer noch voller Verzweiflung an das Dilemma in das ich geraten war, in das du vielleicht auch schon längst geraten bist, ohne es im Geringsten zu bemerken. Die gesamte Menschheit könnte umgeben sein von Dingen, die einst nur in der Fantasie und in Fantasybüchern möglich waren. Fantasybücher, die jetzt als Sachbücher galten?

Diese Vorstellung machte mich ganz verrückt. Warum sollte gerade ich derjenige sein, der als erstes eine Idee hat, die sich ausbreitete und genug Macht erlangte, um die Realität zu verändern? Wie hatte ich nur so naiv sein können, auf diesen Gedanken nicht schon früher gekommen zu sein. Ärgerlich musste ich daran denken, dass ich jetzt nicht einmal mehr einen Elfen brauchte, um zu erkennen wie schief meine Vorstellung von der Wahrheit war.   

Der Preis der FantasieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt