6.

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"Kann es sein, dass der Schuss von vorhin dich getroffen hat?"

Stille.

Ich mustere seine Hand besorgt, doch zu meiner Frage erhalte ich mal wieder keine Antwort. Zögernd ohne groß drüber nachzudenken erhebe ich meine Hand um ihn zu berühren, doch sofort zuckt er auf als ich für eine Millisekunde seinen Oberarm streife.

Seufzend wende ich mich von ihm ab und öffne das Fach vor mir. Wie erhofft kommt eine kleine Erste Hilfe Tasche zum Vorschein. Sofort blitzen die klischeehaften Bilder aus den Romantikbüchern, wo der Erste Hilfe Kasten sich immer im Badezimmer befindet und das Mädchen den Jungen verarztet, in meinem Kopf. Doch diesmal befinden wir uns nicht wie üblich in einem Bad, sondern in ein fahrendes Auto.

Apropos Auto. Der fremde Junge neben mir weiß genau im Gegensatz zu Caleb, wie man solch ein Sportwagen fährt.

Ich nehme die kleine Tasche heraus und schaue den scheinbar verletzten Jungen neben mir an.

"Halt das Auto irgendwo an, wenn es geht."

Er schaut verwirrt zu mir und sein Blick gleitet zu der Tasche in meinen Händen. Zögernd schüttelt er den Kopf und schaut wieder auf die Straße.

"Das geht nicht."

"Und ob das geht! Du hast verdammt nochmal eine Schusswunde! Wie bleibst du überhaupt so cool und lässt dir die Schmerzen nicht anmerken?!"

"Ich bin es gewohnt."

"Du wurdest also schon öfters angeschossen? Warum?"

Ich schaue ihn schockiert und entgeistert zugleich an. Ob es nun an der Tatsache liegt, dass er schon öfters angeschossen wurde oder weil es ihm scheinbar nichts ausmacht, weiß ich noch nicht.

Er zuckt gelangweilt mit den Schultern und schaut in den Seitenspiegel um kurz darauf den Blinker zu setzten, damit er auf die rechte Spur wechseln kann.

"Wer waren diese Leute, die dich angeschossen haben und warum taten sie es überhaupt?!"

Es schwirren so viele Fragen in meinem Kopf, sodass meine Gehirn mir schon droht gleich vor Überforderung zu explodieren.

"Du stellst zu viele Fragen. Wir können nicht aussteigen, weil wir auf der Flucht sind."

"Auf der FLUCHT?! Vor Wem?! Und WARUM zum Teufel?!"

"Das geht dich nichts an."

"Und ob es mich was angeht verdammt! Du hast mich einfach entführt, also habe ich das Recht zu erfahren, wer uns hinterher ist."

"Du meinst hinter mir her. Aber bald auch dir, wenn du nicht die Klappe hältst."

Er fährt von der Autobahn runter in eine Ausfahrt. Einige Minuten fahren wir weiter, bis wir bei einem Parkplatz für LKW Fahrer anhalten, wo sie normalerweise nach lang Fahrten ein Nickerchen machen.

Ohne weiteres zu sagen schnallt er sich ab und schnappt sich die Tasche von meinem Schoss. Ich schaue ihn mit einer hochgezogene Augenbraue an.

"Warum halten wir auf einmal an? Sind wir nicht auf der Flucht?"

Er hält kurz inne in seiner Bewegung und atmet genervt aus. Dann dreht er sich zu mir um und mustert mich intensiv durch seine kalten blauen Augen.

"Dir ist schon klar, dass du mir gewaltig auf die Eier gehst, oder Kleine? Und wenn ich möchte, könnte ich dich einfach hier rauswerfen und allein ohne dich weiterfahren."

Ich zucke nur Augenrollend mit den Schultern. Soll er doch machen. Wobei, lieber nicht. Ich weiß gar nicht wo wir uns befinden und ich besitze auch nichts, was mir nach Hause helfen würde.

"Ich würde dir nicht auf die Nerven gehen, wenn du mich einfach aufklären würdest. Warum fliehen wir und wann kann ich nach Hause?"

Er mustert mich weiterhin und betrachtet mein ganzes Gesicht. Sofort wird mir ganz warm um die Ohren und ich weiß nicht wohin mit meinem Blick. Seit wann verunsichert mich ein Junge so dermaßen?

"Ich weiß nicht, wann und wie du nach Hause kommst."

"Und warum hast du mich dann mitgenommen?!"

"Woher soll ich denn wissen, dass da noch jemand im Auto ist. Ich war ziemlich in der Eile, wie du sicherlich bemerkt hattest."

"Ok. Aber was mache ich denn jetzt?"

"Ich lasse dich entweder hier raus und du kommst alleine klar oder du kommst mit bis dahin, wo ich hinfahre und ab da weißt du dann weiter."

Wow danke. Bei beiden Optionen muss ich am Ende alleine auskommen. Warum Gott? Warum nur? Ich schwanke zwischen seinen Vorschlägen und weiß nicht was ich machen soll. Aber immerhin hab ich mir bislang doch immer gewünscht, dass mein Leben bisschen spannender wird.

Aber hatte ich das wirklich SO gemeint?

ESCAPE  | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt