4.Kapitel

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*Richies Pov*

Ich fand mich selbst schließlich, zwischen all den Spieleautomaten wieder.
Direkt vor mir war der große Street Fighter Automat. Es war mein Lieblingsspiel.
Ein Spiel, indem man sich als einen Karate Kämpfer  ausgeben konnte und andere Spieler vermöbeln musste.
Dies gelang durch schnelles Knöpfchen drücken und war meiner Meinung nach der reinste Spaß.
Ein alter Freund hatte mal gemeint, dass es der reinste Adrenalinkick sei, doch ich war meistens nur tiefen entspannt.
Mit meiner Münze in der Hand, die man brauchte um das Spiel zu starten, stand ich nun davor.
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich gerade an dieses Gerät wollte.
Aber nach Hause konnte ich nicht. Nicht jetzt.
Es roch zu sehr nach ihm. Ein sauberes Zimmer war daher unmöglich.

Wenn ich also ein Superheld wäre, könnte ich dann meine Sexualität, als meine geheime Identität ansehen?
Könnte ich sie einfach verändern, wenn nicht sogar beenden?
Eddie hatte schon recht. Ich bin nur ich und das werde ich auch immer bleiben, aber wie viel werde ich für die anderen sein? Was würden die anderen von mir denken, wenn sie bescheid wüssten? Und viel wichtiger, was würde Eddie dann von mir halten?

All das Lachen um mich herum, das schütteln von den Automaten und das jubeln, von den gewonnenen Runden, all das fühlte sich für mich so falsch an.
Als wäre ich nicht erlaubt, an einem solch lustigen Ort zu sein.

"Hey, Flachpfeife! Spielst du jetzt endlich oder was?! Hier wollen noch andere Street Fighter zocken!" ein Typ, der mindestens drei Köpfe größer war als ich und auf jedenfall mehr Muskeln hatte als ich, rempelte mich unsanft an.
"N.. Nein passt schon. Kannst spielen." ich wich sofort zur Seite. In meinem Kopf klingelte sämtliche Alarmglocken. Jetzt auch noch verprügelt zu werden, konnte und wollte ich mir jetzt nicht leisten.
Der Typ hatte eine ähnliche Vokuhila, wie Henry Bowers, nur hatte er schwarzes Haar und trug ein Totenkopf Tätto an seiner Schulter. Außerdem war er muskulöser.
Wenn ich mich nicht irrte, wuchs sogar auf seiner Oberlippe ein kleines Bärtchen.
"Komm lass den Knirps, Alter!" ein weitere Teenager, der ungefähr im selben Alter zu sein schien, wie der andere, stieß seinen Freund spielerisch zur Seite.
"Was'n? der Junge hat mich eben richtig genervt." lachte er nur, als wäre es die größte Errungenschaft der Welt, mich herumzuschupsen.
"Du kriegst noch Kerbs, wenn du 'n Loser, wie ihn, anfässt." erwiederte er und schaute nun angeekelt auf die Schulter seines Freundes, die mich vor wenigen Minuten, noch angerempelt hatte.
Die beiden Kumpels verstummten kurz und brachen dann im selben Moment in schallendes Gelächter aus.
Alle, die eben noch mit sich selbst und deren Spielautomaten, beschäftigt waren, schauten uns nun an. Es war ganz still und das einzige was zu hören war, war deren Gelächter.
"Hast du gehört, Brillenschlange?! Du bist ein Looser!!" sie wurden immer lauter.
"Looser! Looser! Looser!"
Die Unbeteiligten schauten sich nur verwirrt an, fingen aber langsam und sicher auch, zu tuscheln und zu kichern an.
"Guck mal, was der für fette Brillengläser hat.", rief nun einer.
"Die sind ja dicker als die Möpse meiner Mum!" rief nun ein anderer.
"He Kleiner," kam es  aus einer anderen Ecke
"wie viel Geld hast du eigentlich bei dir?"
"ich.. Ich hab kein Geld bei mir." stotterte ich und ging rückwärts zur Tür.
"Ach komm schon, Kumpel. Ich habe kein Geld mehr und ich würde gerne weiter spielen. Du hilfst mir doch dabei, oder?"
"Oh mein Gott Jerry, du willst doch nicht ernsthaft ihn anfassen und sein verseuchtes Geld benutzen." kicherte ein Mädchen, dessen Freundinnen und sie selbst, an Hässlichkeit nicht zu übertreffen waren.
Dieser Jerry schien wohl ihr Freund, Schwarm oder Bruder zu sein. Jedenfalls gingen sie miteinander mehr, als nur ein bisschen Freundschaftlich um.
"LOSER ! LOSER! LOSER !" klang es jetzt wieder von den Hauptverdächtigen.
Die ganzen Geräusche wurden immer lauter und die Situation immer unentspannter.
Ich musste mich zwingen vorsichtig rückwärts zu gehen um erstens nicht hinzufallen und um zweitens ihnen nicht die Genugtuung zu geben, das sie mich  dermaßen eingeschüchtert hatten.
Die ganzen Situationen, in der man sich als Opfer immer wieder zurecht finden musste, so wie in dieser, erinnerten mich immer wieder daran, wie schrecklich Menschen sein konnten und wie wichtig es eigentlich ist, ein gutes Images zu haben.
Der Gedanke, je ich selbst sein zu können, mit allem was dazu gehört, verblasste mit jeder Sekunde mehr und mehr.

Schließlich spürte ich den Metallknauf, der Tür in meinem Rücken.
Ich schaute noch ein letztes Mal in die Gesichter aller, die mich ausgelacht und derjenigen, die nur stumm daneben gestanden haben, ohne zu helfen.
Wenn ich diesen Laden jetzt verlasse, ist klar, dass ich Angst habe. Dann kann ich nie wieder einen Fuß hierein setzten und nie wieder Street Fighter spielen. Weder allein noch mit Freunden. Ich werde auf ewig ein Loser bleiben, der sich nie durchsetzten konnte. Ein Loser, mit einer viel zu großen Brille, da meine Augen viel zu schlecht von alleine sehen konnten.
Meine Brille war für mich ungefähr so wichtig, wie das Asthmaspray es für Eddie war.
Ich würde einfach ein weiteres Stück, meiner selbst an dem heutige Tag verlieren, wenn ich jetzt gehen sollte.
Ich atmete noch einmal tief ein, prägte mir alle markanten Stellen in der Halle ein, wie die  abgenutzten, sogar schon fast ramponierten Automaten, der unerklärlichen Delle im Boden, die gekauten Kaugummireste, an den Säulen und die kaputten Dartscheiben an den Wänden, an.
Das hier war mein Leben. Mein Rückzugsort, meine Sicherheit. Ich blinzelte.
Es war immer noch alles da. Immer noch reden sie auf mich ein, lachten sie, tuschelten sie.
Ich war ganz allein. Verloren.
Dem Strom der Piranhas ausgeliefert.
Ich musste an Pennywise denken. Er hatte das selbe bei mir gemacht. Er hatte mich alleine in ein Raum eingesperrt, mit einen Haufen andere Clowns puppen, die alle mich anstarrten und die Münder zu einem Lachen verzogen hatten. In der Mitte dieses Raumes war ein Sarg. Eine Puppe, die ich sein sollte, lag darin. Dieser Mund war zugenäht. Mundtot gemacht.
Wie sagt man so schön? Große Klappe nichts dahinter.
Es wäre wohl besser gewesen, wenn ich nicht als Richard Tozier auf die Welt gekommen wäre. Mich würde eh niemand vermissen, wenn sie wissen würden, wer ich wirklich war.
Wieder atmete ich tief ein, drehte mich um und rannte davon.

You are my Lover Ed's (ES/ Reddie Fanfiction) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt