Zum dritten Mal hörte sie die Tür knallen und eben dadurch wurde sie geweckt.
Sie dachte nicht nach, sprang auf, riss die des Badezimmers auf, trat in den Flur, stürzte ins Wohnzimmer und erstarrte.
Wieder nicht Malik.
Aber auch nicht Eysha.Raphael.
Er saß auf dem Sofa; Zigarette in der einen, Whisky in der anderen Hand. Liv's Mund wurde staubtrocken. Sie war vor Angst wie gelähmt und konnte sich, obwohl sie zu gern so schnell wie irgendwie möglich über alle sieben Berge davongelaufen wäre, nicht einen Millimeter von der Stelle bewegen. Sogar das mittlerweile altbekannte Zittern blieb aus, als er den Kopf drehte und sie fest ansah.
So schnell, wie er aufgestanden und zu ihr gekommen war, konnte sie gar nicht gucken.
Er fasste sie nicht an. Er stand nur da und schrie.
Er brüllte sie an, ob sie jetzt glücklich sei, warum sie sich nicht einfach wieder verkroch, wie "die feige Fotze, die sie doch war" und all sowas.
Eine ganze Weile hörte sie es sich an und sagte nichts. Doch dann fiel ein Satz:
„Warum hat deine Mutter nicht einfach sich selbst umgebracht?"
Das war eindeutig zu viel. So laut sie konnte schrie sie:
„Was willst du Psycho von mir!? Ich habe dir nichts getan und meine Mom erst recht nicht! Ich habe keine Ahnung, warum ich immer noch hier bin oder warum du mich her geholt hast und was das alles soll! Wie ihr hier lebt ist so krank; du bist krank! Ich hab doch überhaupt nichts damit zutun, dass Malik den Posten hat, den du gern hättest!"
„Achso? Du hast also nichts damit zutun?"
Er klang seltsam brav; scheinheilig.
„Setz dich Kleines. Dann erzähl ich dir 'ne Geschichte."
Sie rührte sich nicht.
„Ich hab gesagt, du sollst dich setzten, Miststück!", brüllte er wieder aus voller Kehle.
Sie fügte sich; zog ihre Beine mit beiden Armen umschlungen zu sich, zitterte.
Er baute sich vor ihr auf, nahm einen Schluck aus der Flasche in seiner Rechten und stellte sie auf dem Fensterbrett hinter sich ab.
„Du willst wissen, warum du hier bist?"
Ja verdammt.
„Weil deine Mom mein Leben zerstört hat. Aber es nunmal mehr Spaß macht, 'ne Vierzehnjährige fertig zu machen, als 'ne hängebusige Vierzigjährige, oder wie alt ist sie jetzt?"
Liv sagte nichts.
„Auch egal. Jedenfalls ist es eigentlich 'ne Frechheit, dass wir uns nicht schon viel eher begegnet sind."
Er sah hinter ihr an die Wand, als er sagte:
„Deine Mom weißt du.. das ist meine Tante. Unbiologisch; ihr Vater hat viele Weiber gefickt, aber ja, der Dad deiner Mom war ja nicht mal ihr richtiger.. und trotzdem hat die Hure sich das Recht rausgenommen, ihn umzubringen."
Was?
„Guck nicht so. Du hast mich schon verstanden. Der unbiologische Dad deiner Mom ist mein Großvater. Deine Mom ist meine Tante. Ich bin dein Cousin. Der behinderte beste Freund deiner Mutter - dieses Arschloch von Kadir; Malik's Dad - hat sich alles unter den Nagel gerissen, als Dad an der Leberzirrhose verreckt ist und als der Hurensohn Kadir an der Überdosis krepiert ist, hat Malik übernommen."
Er machte eine Pause.
„Das alles gehört mir; ich sollte sagen, wo's lang geht!"
Letzteres hatte er dann doch wieder geschrien.
Olivia war fassungslos. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte.
„Deine Mom hat Großvater kalt gemacht, ist abgehauen, hat sich 'ne neue Identität zugelegt - blond steht ihr im Übrigen nicht - und dachte, sie wäre hier raus."
Er lachte.
„Ist sie nicht. Wird sie nie sein. Und sie hat dich mit reingezogen. Deshalb hab ich dich entführt, weil die Schlampe alles dafür tun wird, doch wiederzubekommen, aber weißt du was? Selbst, wenn sie das Lösegeld, das sie gar nicht aufbringen kann, zahlt, dann bleibst du hier, denn ich will sie genauso am Boden sehen, wie mein Dad es all die Jahre war."
Regungslos starrte sie ihn an; hatte aufgehört zu zittern.
„Du lügst", flüsterte sie; beinahe tonlos.
Raphael sagte nichts mehr. Er machte zwei Schritte auf sie zu, griff sie bei den Haaren, zog sie daran auf die Füße, sie schrie auf, weinte, versuchte, sich zu wehren, er drückte die Kippe, die er die ganze Zeit gehalten hatte, auf ihren Unterarm, zog sie weiter Richtung Schlafzimmer, zerriss ihr das Shirt, unter dem sie keinen Bh mehr trug, packte sie beim Hals, drückte sie auf die Matratze und
..fiel, begleitet von einem dumpfen Geräusch, schlaff auf sie.
Liv zog ihre Beine zu sich, weinte, bekam keine Luft, bebte vor Angst und sah Malik, der mit einem Schlagstock am Fußende des Bettes stand und sie mit weit aufgerissenen Augen ansah.
Sofort war er bei ihr, schien zunächst unschlüssig, was er tun sollte, doch dann legte er beide Arme um sie und wartete.
Er wartete einfach, dass sie sich beruhigte, streichelte ihr über den Kopf, redete ihr zu, dass alles gut wäre ..und er entschuldigte sich, dass er nicht eher hatte kommen können.Sie verbrachten noch genau zwei Nächte und einen Tag zusammen.
Die erste Nacht war die, in der Malik Liv aus Rapha's Wohnung, bei dem er ziemlich überzeugt war, keinen Puls mehr ertasten zu können und um dessen Kopf sich eine kleine Blutlache gebildet hatte, mit in ein Nähe Zellendorf gelegenes Motel nahm.
Im Anschluss der Tag, an dem Olivia Malik gestand, dass sie glaubte, sich in ihn verliebt zu haben; so wahnsinnig das auch klang.
Zunächst sagte er nichts; sah sie nur an, doch dann küsste er sie.
Es folgte die erste Nacht seit fünfzehn Tagen, in der sie keine Todesangst hatte.Sie wachte auf, als die Sonne ihr Gesicht traf, drehte sich auf die andere Seite, streckte sich
..und erstarrte.
„Malik!?", rief sie, sich aufrichtend; ihre Blöße mit der schneeweißen Bettdecke bedeckend.
Panisch sah sie durch den ganzen Raum; ein Zettel; auf dem quadratischen Tisch neben dem Ikea-Kleiderschrank. Sie näherte sich ihm, faltete ihn auf, las, weinte.Malik war fort.
Er hatte ihr Geld für ein Taxi gelassen, sich ein letztes Mal entschuldigt; zuletzt dafür, dass er "gehen musste", wie er es selbst geschrieben hatte.
Er wusste und Liv wusste es auch, dass ihm, nach all dem, eine langjährige Haftstrafe drohte.
Olivia sackte auf dem Boden zusammen. Die Tränen flossen unaufhörlich; sie presste sich die Hand auf den Mund. Sie glaubte, noch nie einen vergleichbaren Schmerz gespürt zu haben.
Malik war fort. Und er würde nicht wiederkommen; das wusste sie.
Unglaublich langsam stand sie auf, wischte sich durchs Gesicht, zog geräuschvoll die Nase hoch, zog sich an, steckte den Zettel und das Geld ein.
Sie verließ das Hotelzimmer, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen.- Ende -
DONE 🥳
am 14.10.2019 angefangen, am 25.10.2019 beendet;
noch nie so schnell so viel geschrieben.
Weiß auch ehrlich nicht, wann ich das letzte Mal so zufrieden mit 'ner Story war (& hab' noch nie zu irgendwas 'n zweiten Teil geschrieben).
Ende ist so mehr oder minder 'n Cliffhanger;
vielleicht gibt's irgendwann 'n dritten ¿? 🌸💗
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bloody scars
Teen FictionSie dachte, sie hätte die Hölle hinter sich. Sie dachte, sie könnte ihre Vergangenheit vergessen. Sie dachte, sie würden sie nie finden..