5. Dezember

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Everly POV

Mein Handy klingelt. Darren. Immer noch nichts von Louisa. Also entweder ist das nicht mehr ihre Nummer, oder sie will mich nicht zurückrufen. Vielleich hat sie ja auch einfach nicht auf ihr Handy geschaut.

"Hi Darren." Die letzten Male als wir telefoniert haben haben sich nicht so angefühlt, als ob wir seit Jahren nicht mehr geredet hätten.

"Everly, Schatz, Eric und ich haben geschrieben, er will sich morgen mit mir treffen!" Er klingt überglücklich, ich freue mich richtig für ihn. Gestern habe ich mir nach unserem Telefonat Erics Performance in diesem Musical On My Way angeschaut. Seine Stimme ist der Hammer. Und die Fotos die ich auf Google gefunden habe sind schon wirklich ansprechend. Kein Wunder, dass er Darren so den Kopf verdreht hat. "Das ist super! Du musst mir alles erzählen!" Wie ich es sage, klingt es bestimmt nicht so fröhlich, wie ich es meine. Ich habe mich heute noch nicht aus dem Bett gekriegt, mir tut mal wieder alles weh und ich bekomme kaum Luft.

"Du klingst übel. Ich hab da etwas, das deine Stimmung vielleicht heben könnte." Natürlich macht er eine Pause, damit es etwas dramatischer wird. Es ist halt Darren. "Ich habe Kylies Nummer."

"Das ist... Das ist wundervoll, Darren!" Mehr bekomme ich nicht raus, das hätte ich nicht erwartet. Wie hat er das nur geschafft?

"Ihre Schwester war bei mir im Café." Da beantwortet sich meine unausgesprochene Frage ja schon von selbst. "Sie ist geschäftlich gerade hier und hat das Café empfohlen bekommen. Ich hätte sie fast nicht wiedererkannt, aber zum Glück habe ich mich kaum verändert und hatte außerdem das Namensschild."

Ich habe gerade das unheimlich große Verlangen, ihn zu knuddeln. Jetzt habe ich alle Nummern, außer Jacobs. Und eventuell Louisas.

Wieso muss es ausgerechnet Jacob sein, den ich nicht erreiche? Nicht, dass mir die anderen nicht auch wichtig wären, aber es ist Jacob und da ist so vieles was ich bereue nicht getan und gesagt zu haben.

Kylie POV

Natürlich ist das eine dumme Idee, aber ich kann einfach nicht anders. Nach unserem Gespräch gestern hat Alexander mir Karten für den Delfinpark angeboten, in dem er arbeitet und bei Delfinen kann man doch nicht nein sagen. Insbesondere nicht, wenn es endlich mal ein Park ist, der den Tieren genug Platz lässt. Außerdem kann ich Clary das doch nichr vorenthalten.

"Kylie, du bist hier!" Ich bin mir sicher, wenn ich genug Zeit mit Alexander verbracht habe, können wir die Finger nicht mehr voneinander lassen und so, wie ich uns kenne, ist es ziemlich schnell so weit. Man bedenke nur, wie ich drauf war im Shopping-Center. Und dort hatte er das Kostüm an, jetzt nicht. Ich kann nun sehen, wie gut er tatsächlich aussieht. Ich werde niemals das erste Mal vergessen, als ich sein Gesicht sah. "Hi Alex..."

"Tante Kylie, wer ist das?" Das kann ja lustig werden.

"Das ist..." Was genau ist er jetzt eigentlich? Mein Ex-Mann, klar, aber das kann ich unmöglich sgen. "...ein Freund."

Irgendwas ist da in Alexanders Augen. Nach unserer Beziehung bin ich mir sogar ziemlich sicher, es deuten zu können. Er mag es, dass ich ihn als Freund bezeichne, doch etwas stört ihn daran. Oh Gott. Wünscht er sich etwa wieder mehr? Wenn er wüsste, dass das recht einfach wäre. Besser nicht. Oder? Schon wieder verliere ich die Kontrolle über mich. Ich werde knallrot.

"Kylie, alles okay?" Wenn ich das selbst nur wüsste. "Da hinten ist es etwas ruhiger." Alex tippt eine Frau an und zeigt auf Clary. "Angie, kannst du für einen Moment auf die Kleine hier achten?"

Diese Angie nickt und Alexander zieht mich zur Seite. "Kylie, wenn ich für dich ein Problem bin..." Ich höre ihm irgendwienicht mehr zu, sondern schaue stattdessen auf seine Lippen. Alex kommt einen Schritt auf mich zu. Meine Augen hängen wie festgewachsen immer noch an seinem Mund. Als Alex mir noch näher kommt ist sein Gesicht ganz nah an meinem. Ich kann nicht mehr. Jegliche Selbstkontrolle verschwindet und ich küsse meinen Ex-Mann. Leidenschaftlich. Viel zu Leidenschaftlich.

Irgendwann löse ich mich widerwillig von Alex. "Wir müssen dringend reden. Über das hier."

Wir schauen uns nur an, bis mein Handy klingelt. Ohne zu schauen, wer es ist, gehe ich ran, um den Anrufer ziemlich schnell abzuwimmeln, damit ich mit Alex reden kann. "Hi, hier ist Kylie."

"Hey. Ich bin's, Everly." Woher hat sie denn meine Nummer? Ist ja auch egal. Die Frage, warum sie anruft interessiert mich mehr. Im Laufe des Telefonats erfahre ich auch, warum. Sie ist krank. Auf einmal tut es mir Leid, dass ich ihr früher nicht immer gesagt habe, wie wichtig sie mir ist und wie froh ich war, sie als Freundin zu haben.

Nachdem ich aufgelegt habe, schaut Alex mich an und unser Kuss, sowie auch die Pläne zum Gespräch sind in den Hintergrund geraten. Alex hat einen Teil des Telefonats mitbekommen, was reicht um zu kapieren, warum ich auf einmal in Tränen ausbreche. Ich hätte sie doch nie wieder gesehen und es hätte mich nicht unbedingt interessiert, warum nimmt mich das jetzt so mit?

Alex tut das Beste, was er in diesem Moment tun kann. Er umarmt mich einfach nur und streicht über meinen Rücken, bis ich deutlich ruhiger bin. "Ich geb' dir meine Nummer. Es ist dumm, ich weiß, aber ich will wissen, ob es dir gut geht. Ruf mich an wenn du reden willst. Egal über was. Du bist mir unheimlich wichtig und bedeutest mir viel, auch wenn nicht alles zwischen uns optimal gelaufen ist." In diesem Moment bin ich Alex einfach nur unglaublich dankbar.

Louisa POV

Himmel, ist das hoch. Aber auch wunderschön. Und windig. Ich glaube, ich erfriere, doch der Ausblick ist es wert. Über die Millenium Bridge zu St. Pauls's bis zu modernen Hochhäusern und schließlich zur Tower Bridge. Chases Empfehlung ist berechtigt. Wenn er doch nur hier sein könnte. Ist er eigentlich immer noch in Deutschland bei seiner Grandma? Er meinte doch, er müsste bald wieder arbeiten. Ich habe seine Nummer, ich könnte anrufen. Nur was dann? Was soll ich sagen? Hey, ich weiß, das was wir hatten war nicht lang und so, aber ich vermisse dich total und rufe an, weil ich diejenige war, die gesagt hat, dass sie weiter allein sein will, weil das der ursprüngliche Zweck der Reise war. Ich bin so unheimlich dämlich.

Ich gehe wieder nach drinnen und bestelle mir in dem Bistro etwas zu trinken. Immer wieder will ich zu meinem Handy greifen, doch ich schaffe es, mich zusammenzureißen.

Der Weg nach unten, zum Ausgang gestaltet sich recht abenteuerlich. In einem Stockwerk steige ich nochmal aus, um es mir anzuschauen, da hier besonderes Licht ist, was wirklich cool aussieht. Als ich dann weiter nach unten fahren will, lande ich ungewollt wieder im Obersten Stockwerk. Meine Gedanken schreien förmlich danach, Chase anzurufen. Nicht mal Aufzug fahren kriege ich auf die Reihe. Nach unten nehme ich dann lieber die Treppe, da kann man nicht so viel falsch machen. Ein paar Stockwerke später bereue ich diese Idee. Meine Beine schmerzen wie sonst was.

Vor dem Eingang des riesigen Gebäudes lasse ich mich auf eine Bank fallen. Eine Straßenmusikerin fängt an irgendeinen alten Popsong zu spielen, den ich nur allzu gut aus meiner Jugend kenne. Jetzt weiß ich, wen ich anrufen sollte. Nicht Chase, sondern Everly. Sie hat es heute nochmal probiert. Ich kann sie nicht einfach ignorieren, das verdient sie nicht. Immerhin war sie mal eine meiner besten Freundinnen und wenn sie sagt es ist wichtig, warum sie angerufen hat, sollte ich ihr auch die Chance geben mit mir zu sprechen. Außerdem werde ich so davon abgehalten, bei Chase anzurufen. Wegen der Zeitverschiebung müsste es in Amerika noch recht früh sein. Hoffentlich  komme ich Everly gerade nicht ungelegen.

Ich rufe ihre Nummer an und warte. Mit jedem Klingeln werde ich ein wenig nervöser. Auf einmal hebt endlich jemand ab. "Hi."

(Bild: Kylie)

I'll be Home For Christmas (Adventskalender 2019❤️)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt