17. Dezember

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Kylie POV

"Ich weiß nicht, wo ich bin, bitte helfen Sie mir!" Nicht gut. Er braucht einen Arzt. Wenn nicht bald jemand bei ihm ist, wird er verbluten.

"Was sehen Sie? Sagen Sie einfach alles, was mir helfen könnte, Sie zu finden." Hoffentlich ist meine Ortskenntnis gut genug, um ihn zu finden. Es muss einfach reichen.

Er nennt ein paar Merkmale und ich schaue auf der Karte, wo er sein könnte. Nach wenigen Fagen kann ich das Gebiet schon mit recht großer Sichereit eingrenzen. "Okay, ich schicke ihnen jetzt einen Helicopter. Sagen Sie bescheid, wenn er über Ihnen ist. Bleiben Sie bei Bewusstsein, das ist wichtig."

Die folgenden Minuten sind Stress pur. Ein Stein fällt mir vom Herzen, als ich durch den Lautsprecher an meinem Ohr das Geräusch eines Rettungshubschraubers höre. "Er ist über mir!"

Ich tippe etwas in meinen Computer und gebe so den Rettungskräften bescheid, dass sie den Mann gefunden haben.

"Danke", sagt er und legt auf. Alle tun das sobald die Hilfe vor Ort ist. Aber hey, ich habe geholfen ihn zu retten und er hat sich wenigstens bedankt. Darauf muss ich micht nicht einstellen, wenn ich dann an Heilig Abend und den Weihnachtsfeiertagen Dienst habe. Den Leuten wurde gerade das für sie schönste Fest im Jahr zerstört. Es kann ja nicht jeder so ein Weihnachtsmuffel sein, wie ich. Trotzdem finde ich es schon schade, dass ich arbeiten muss. Alex hat mich gefagt, ob ich bei ihm essen will. Bei seinen Kochkünsten ist das ein wirklich verlockendes Angebot. Liebend gerne wäre ich zu ihm gegangen, aber die Arbeit ruft und ich bin selbst schuld, wenn ich mich freiwillig melde. Es wäre auch super schön Urlaub zu haben, in dem ich zu Everly fahren könnte und mal wieder meine alte Heimatstadt besuchen. Bis es soweit ist, sind es locker noch zwei Monate.

***
"Tschau, Kylie. Frohe Weihnachten!" Was ist denn mit Marc los? Wir sehen uns morgen wieder, er klingt ja so, als ob wir und bis nächstes Jahr nicht mehr sehen würden.

Als ich die Zentrale verlasse, sticht mir sofort der Weihnachtsmann ins Auge, der geradewegs auf mich zukommt. Alex. "Hi, Süße." Er zieht den weißen Bart zur Seite um mich zu küssen.

"Was machst du denn hier? Ich dachte, wir treffen uns erst später." Das schreit ja nach noch einer Überraschung. Will ich das?

"Wir müssen los, wir haben noch eine lange Fahrt vor uns." Nicht, dass ich wüsste. "Du, meine Liebe, hast nämlich jetzt bis zum 5. Januar spontan Urlaub bekommen. Ich musste deinen Chef ein wenig bequatschen, aber mein Plan ist aufgegangen. Du wirst erstmal von mir zu dir gefahren und dann packst du deine warmen Sachen ein, denn wir fahren nach Willow Springs!"

Er zeigt mir einen Zettel, der meine freien Tage bestätigt. Oh mein Gott, wie krass. "Ich liebe dich, du Weihnachtsmann."

Alex nimmt mich in den Arm. "Und ich liebe meinen kleinen Grinch."

Darren POV

Nochmals überprüfe ich, ob ich auch wirklich den Ton meines Handys eingeschaltet habe. Bis jetzt hat sich noch niemand wegen dem Casting gemeldet. Ich glaube schon gar nicht mehr daran, dass ich noch eine Chance auf eine Rolle habe.

Eric setzt sich zu mit an den Tisch. "Die rufen dich noch an. Du hast wirklich Potenzial."

Der Tag hat noch neun Studen. Genug Zeit für ein winziges Telefonat. Ich darf jetzt bloß nicht anfangen an meinem Optimismus zu zweifeln. Sobald Eric mich anlächelt, hebt sich meine Stimmung wie von alleine. Während die Sängerin mit ihrer Band eine wundervolle Version des Klassikers I'll be Home for Christmas abliefert, schauen mein Freund und ich uns in die Augen und über den Tisch hinweg greife ich nach seiner Hand. Genau hier saßen wir bei unserem ersten Date.

"Ich freu' mich schon auf nachher." Eric unterbricht die Stille. "Das war reines Glück, dass Mike mir diese Karten gegeben hat. Und dann noch so gute Plätze. Wie kann man kostenslos solche Geschenke bekommen? Ich will das auch kriegen."

Seit ich hier in New York wohne, war ich schon einige Male im Ballett, doch ich gebe das bisschen Geld, das ich habe, lieber für Musical-Karten aus, was bei mir aber keine Überraschung sein sollte. "Es wird bestimmt wunderschön. Ballett ist einfach toll."

"Darren, dein Handy!" Fast hätte ich nicht gemerkt, dass es klingelt. Eine unbekannte Nummer. Mit zitternden Händen drücke ich auf den grünen Hörer und bekomme mit Müh und Not etwas hervorgepresst. "Hi, hier ist Darren DeLacy."

Die folgenden Minuten fliegen an mir vorbei, doch das Wesentliche bekomme ich mit. Am Mittwoch wird das Casting fortgesetzt und ich bin in der engeren Auswahl. Eric freut sich so sehr darüber, sogar mehr als ich, glaube ich.

"Oh, hast du eigentlich schon die Plätze im
Bus gebucht für Freitag?" Das nenne ich mal einen Themenwechsel, wie er im Buche steht.

Ich nicke. "Ja. Hab auch schon bei meinen Eltern angerufen. Sie freuen sich riesig, dich kennenzulernen."

Wir essen noch gemeinsam und als der Abend fortschreitet, müssen wir los, dass wir pünktlich ins Ballett kommen. Ich freue mich schon voll auf das Essen in der Pause. Im Ticket sind Häppchen mit inbegriffen. Das wird bestimmt total lecker. An so einen Luxus könnte ich mich gewohnen, aber das wird auf Dauer nichts mit meinem Job

Endlich sitzen wir im Saal. Die Plätze sind genial, man kann die ganze Bühne von hier aus sehen. So ein altes, großes Theater ist schon wunderschön. Und dann führen sie sogar Der Nussknacker auf. Mit genau diesem Stück begann damals alles. Meine Granny hat mich in eine Aufführung bei uns in der Nähe geschleppt, als ich vier war. Noch am selben Abend fing ich an, meine Eltern zu nerven, bis sie mich an einer Ballettschule angemeldet hatten. Meine gleichgeschlechtlichen Altersgenossen fanden das unheimlich witzig, später wurde das sogar noch schlimmer. Erst recht, als ich zusätzlich noch mit Eiskunstlauf angefangen habe. Später kam dann endlich andere Jungs in meine Gruppe. Kevin, der auch mein erster fester Freund war, mit Jacob, der damals noch mit ihm befreundet war und auch tanzen wollte, sich nur nicht alleine getraut hat. Wir männliche Ballerinas haben es eben nicht immer leicht in dieser von sturen, festgefahrenen Männern regierten Welt. Etwa ein Jahr vor unserem Abschluss ist Kevin ein richtiges Arschloch geworden und hat Jacob und meine anderen Freunde mies behandelt. Ich habe mut ihm Schluss gemacht, weil ich das nicht länger mit ansehen konnte. Eric ist der erste Freund, den ich seit Kevin hatte. Da waren noch ein oder zwei One-Night-Stands, als ich neu hier in New York war, die ich schon bereue, aber nichts ernstes. Ich bereue nicht, auf eine besondere Person gewartet zu haben.

"Es geht los!" Der Vorhang öffnet sich und auf meinem Gesicht breitet sich ein riesiges Lächeln aus. Eric greift nach meiner Hand und lässt sie die ganze Vorstellung lang nicht mehr los.

(Bild: Kylie)

I'll be Home For Christmas (Adventskalender 2019❤️)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt