9. Dezember

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Jacob POV

Ist mir egal, ob das eigentlich Job der Pflege- und Putzkräfte ist. Ich werde das Zimmer für Everly vorbereiten. Es muss perfekt sein. Wer weiß, wie lange sie hier bleiben wird. Vielleicht bricht sie die Studie ja auch recht schnell wieder ab, vielleicht verbringt sie aber den Jahreswechsel bis hin zu ihrem Tod hier. Beim Gedanken daran wird mir schlecht. Was wenn es eine grausame Idee ist, Everly herzuholen? Hätte ich sie einfach in Ruhe lassen sollen? Bei bisher keinem hat die Studie gewirkt. Ich mache Everly doch nur falsche Hoffnung, ich bin ein schlechter Mensch.

Durch die Rentierbettwäsche, die ich irgendwie besorgt habe, wirkt das Zimmer etwas weniger kahl, doch es wirkt für meinen Geschmack immer noch zu steril. Es fehlt einfach Deko. Everly liebt Weihanchten. Ich kann sie nicht ihr letztes Fest hier verbringen lassen in so einem Raum. Durch meine Kopf flattern so viele Ideen, wie ich jeden Winkel ausnutzen könnte. Zum Glück habe ich noch bis morgen Zeit. Oh Gott... Morgen. Genug Zeit zum Dekorieren habe ich, sogar wenn ich mich an jede winzigste Regel halte, die das Krankenhaus mir vorschreibt. Nicht genug Zeit, um mich mental darauf vorzubereiten, Everly zu sehen.

Nun tue ich erstmal, was ich tun kann. Deko kaufen und ich weiß auch schon wo. Hier in der Nähe ist dieser super kitschige Shop, meiner Meinung nach genau das richtige für Everlys Geschmack, wenn dieser sich denn nicht geändert hat.

Gesagt, getan. Sobald ich den kleinen Laden betrete, werde ich von einer Glitzerwolke attackiert und ein kleiner Herr, als Elf verkleidet steht vor mir. "Hi! Kann ich helfen?"

"Ich brauche Deko. Viel Deko." Der Elf nickt, während ich versuche, den Glitzerstaub aus meiner Lunge zu husten. Endlich bekomme ich wieder Luft. "Je kitschiger, desto besser, aber da bin ich hier an der richtigen Adresse."

Die Wimpern des Elfs klimpern auf und ab. "Es ist Weihnachten, mein Süßer. Wir leben hier praktisch nur für die Weihnachtszeit. Natürlich sind Sie hier richtig. Gibt es einen Anlass?"

Ich erzähle ihm von Everly und zähle ihm die Regeln auf, die ich dekomäßig im Krankenhaus einhalten muss. Der Elf ist emotional danach etwas angeschlagen, aber es ist schon goldig, wie er seinen Beruf liebt und freundlich und mitfühlend gegenüber anderen Menschen ist; etwas, dass sich viel mehr Leute angewöhnen könnten.

Nach circa zwei Stunden gehen der Elf und ich mit zwei riesigen Taschen zusammen ins Krankenhaus. Anscheinend sieht er es als Teil seiner Arbeit, mir beim Dekorieren zu helfen. Damit habe ich natürlich kein Problem. Auch nicht mit der recht hohen Rechnung. Mein Konto findet es natürlich nicht so toll, als Assistenzarzt im ersten Jahr verdient man eben nicht sonderlich viel, aber es ist für Everly, damit kann ich sehr gut leben.

"Hui, das sieht hier aber schon... unschön aus." Gut kombiniert Sherlock Elf. Warum war ich wohl bei dir im Shop?

Er hilft mir, die aufklebbaren Schneeflocken an den Fenstern zu befestigen und auch sonst die gekauften Sachen übers Zimmer zu verteilen. Am Ende bin ich wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. Hoffentlich sieht Everly das auch so.

"Das Mädchen bedeutet Ihnen viel, oder?" Da habe ich wohl nicht erwähnt, dass ich vor ein paar Tagen zum ersten Mal seit Ewigkeiten mit ihr gesprochen habe. Aber sie ist mir trotzdem wichtig. Ich habe ihre Krankheit irgendwie ausgenutzt um sie zu mir zu holen. Zu sagen ich hätte keine Gefühle für sie, wäre also falsch. Natürlich mag ich sie. Sehr. Wahrscheinlich mehr, als ich mir eingestehe.

Kylie POV

"Ich hab' dir Earl Grey gemacht, so wie du ihn am liebsten magst. Oder hat sich das mittlerweile geändert?" Am liebsten würde ich ja bereuen, die Nacht mit Alex verbracht zu haben, aber ich kann einfach nicht. Es ist unmöglich.

"Danke, du bist zu süß." Wenigstens bekomme ich noch ein bisschen Entspannung, bevor ich wieder zur Arbeit muss.

Ich nippe an meinem Tee und bin im siebten Himmel. So gut hatte ich das Getränk nicht in Erinnerung. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Alex den Tee gemacht hat. Früher hatte er immer gesagt, er benutzt eine geheime Zutat. Und er hat verschwiegen um welche es sich handelt. In den ganzen drei Jahren Beziehung, die wir hatten. An sich ist das nichts schlimmes, nur so war es bei vielem. Alex hat zu wenig über seine Gefühle und sein Leben geredet. Irgendwann habe ich einfach den Anschluss verloren, na ja, zumindest hatte ich das Gefühl.

Ich leere die Tasse, klettere aus dem Bett, ziehe mir meine Sachen an und mache mich im Bad so weit fertig, dass ich los kann. "Alex, es war schön, aber ich muss los."

"Du tust es schon wieder." Was genau will er mir denn jetzt damit sagen? Das ist ja mal so wieder ein typischer Alex-Satz. Ich stelle mich vor ihn an den Tisch. "Was tue ich schon wieder?"

Alex zuckt mit den Schultern. "Du macht den Eindruck, als würde dich deine Arbeit mehr interessieren als ich. Wie damals. Kylie, ich verstehe, du willst alles so gut wie möglich machen, aber wenn du dafür deinen Ehemann vernachlässigst ist es echt Kacke."

"Okay, halt. Das ist Unsinn." Warum sagt er nur so etwas? "Du hattest anscheinend auch keine Lust mehr auf mich. Ich war irgendwann, die letzte Person, die erfahren hat, wie es dir geht und so."

Alex lacht. "Ja, weil du die ganze Zeit mit andren Dingen beschäftigt warst! Ich kenne nichtmal deine Familie, mal abgesehen von deiner Nichte die da im Shopping Center mit mir geredet hat."

Das war doch alles anders. "Du meintest, du hättest Angst, meine Familie kennenzulernen, also hab ich dich verschont."

"Oh Gott, ich wollte sie doch kennenlernen, ab einem gewissen Punkt, habe ich nur darauf gewartet, dass du es vorschlägst." Fuck. Wir kann ich nur so dumm sein.

"Alex, wir streiten schon wieder." So in etwa hat es dann wirklich angefangen hässlich zwischen uns zu werden, doch eine Sache ist anders. "Aber wenigstens reden wir jetzt über das, was wir damals totgeschweiegen haben."

Er schüttelt den Kopf. "Ich glaube, dass wir es nochmal versuchen, ist falsch. Wir halten beide zu sehr an der Vergangenheit fest und du bist super negativ gegenüber vielem. Bei dem Date gestern habe ich es doch schon wieder gemerkt. Das kann mir nicht gut tun."

"Aha", sage ich, "Vielleicht hast du recht. Es ist dann wohl besser, wenn ich gehe. Ich wusste es von Anfang an, es funktioniert nicht. Unsere Scheidung war berechtigt."

Ich muss schnellstens hier raus. Alex darf jetzt nicht sehen, wie ich weine. Er ruft nochmal nach mir, doch ich ignoriere es. In der Notrufzentrale werde ich jetzt eh gebraucht und da wollte ich eigentlich schon auf dem Weg sein. Es ist nur schwer, zu merken, wie die Hoffnung, die ich für Alex und mich für einen winzigen Augenblick hatte, gerade wieder zu Staub zerfallen ist.

I'll be Home For Christmas (Adventskalender 2019❤️)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt