Seit der Diagnose waren eineinhalb Jahre vergangen. Haven und auch ihre Familie haben sich mit der Leukämie angefreundet - so weit man das so nennen konnte. Die erkrankte junge Frau war mittlerweile zwanzig Jahre alt und inmitten der Blüte ihres Lebens. Sie konnte die Krankheit relativ gut verstecken - damit sie nicht blass aussah, benutzte sie Make - Up. Für ihren kahlen Kopf trug sie jeden einzelnen Tag eine Mütze, zumindest dann wenn sie das Haus verließ. Und ihre Kleidung hat sich auch nicht verändert. Sie trug zwar mittlerweile nicht mehr hautenge Kleidung, weil sie durch die vielen Medikamente ein paar Pfund weniger auf der Waage hatte und man dadurch ihre Knochen sah. Aber dennoch war Haven eine junge, gut gelaunte und hübsche Frau. Mit den Jahren wuchs sie heran. Ihre braunen Haare wollte sie zuerst mit einer Perücke ersetzen, aber es war nicht dasselbe - deshalb die Mütze.
Sozusagen waren die Mützen - die sie in etlichen Farben besaß - ihr Ersatz für eine Echthaarperücke.
Aber Haven schämte sich nicht. Als sie damals die Diagnose bekam, hatte sie sich tagelang in ihrem Zimmer verkrochen und kam nur zum Essen und Duschen heraus. Sie wollte nie als die Krebskranke aus der Nachbarschaft dargestellt werden. Dennoch hat sie es ihren Freunden mit der Zeit erzählt. Einige haben sich von ihr abgewandt, da sie mit einer kranken Person nicht umgehen konnten oder ihnen Haven leid tat.
Haven hatte sich aber kaum geändert. Sie war immer noch genau so, wie sie früher war. Ein paar Dinge hatten sich zwar geändert - sie ging nicht mehr so oft feiern, sie hatte tagsüber nicht immer Zeit, da sie zur Chemotherapie musste und sie verbrachte jeden möglichen Tag im Session - ein Café nicht weit von ihrem zu Hause entfernt.
Das Café war in einem Plattenladen mit integriert und ziemlich gemütlich eingerichtet. Haven ging dort seit ihrer Diagnose hin, da sie ihr Musikstudium abbrechen musste und sie dort den Tag über die Runden brachte. Ihre jüngere Schwester Amy, die mittlerweile 18 war, arbeitete dort als Kellnerin.
Haven und Amy waren ein Herz und eine Seele. Ihre Eltern waren froh darum, denn so konnte Amy ein Auge auf Haven werfen während sie arbeitete und Haven sah mal was anderes - als ihre vier Wände zu Hause. Somit konnten Sharon und Oscar wieder arbeiten gehen, denn sie hatten sich für die Anfangszeit der Therapie erstmal eine Auszeit von ihren Berufen genommen. Havens und Amys Mutter arbeitete auch nicht an jedem Tag der Woche, da sie Haven immer zur Therapie fahren musste. Haven hatte zwar einen Führerschein, war aber mittlerweile zu schwach um dorthin zu fahren.
"Haven?" Amy stand vor Havens Stammplatz im Session und sah sie verwirrt an, da sie ganz in ihren Gedanken versunken war.
"Ist alles in Ordnung? Hast du Schmerzen?", fragte sie leise, damit es niemand mitbekam.
Haven schüttelte den Kopf und lächelte ihrer Schwester aufmunternd zu. "Nein, mir gehts gut. Ich war nur in meinen Gedanken versunken!"
Haven hasste diese Frage - ob es ihr gut ging. Natürlich ging es ihr nicht gut und natürlich hatte sie Schmerzen. Sie fühlte sich, als ob ihre Organe sie von innen auffrassen.
Aber mit der Zeit hatte sie zu lügen gelernt und wie sie den ganzen Schmerz verdrängen konnte.
"Na gut." Ihre Schwester gab auf und trat wieder hinter den Tresen. Haven hatte einen gemütlichen Fensterplatz in diesem Café und saß dort mindestens sechs Stunden am Tag.
Haven fiel mit der Zeit auf, dass in dieses kleine Café immer die selben Menschen kamen. Ab und zu betraten natürlich auch fremde Menschen den Laden, aber das waren nur einzelne jeden Monat.
Haven verbrachte die Tage hier unterschiedlich. Entweder sie las in einen ihrer vielen Bücher, sie sah sich die Schallplatten im Musikgeschäft an, spielte die ein oder andere Melodie auf dem öffentlichen Klavier oder redete mit ihren Mitmenschen. Sie war immer aktiv und die Leute, die öfters im Café waren, wussten alle von Havens Leukämie. Sie wussten alle, wenn Haven nicht da war, dass sie sich gerade im Krankenhaus bei der Chemotherapie aufhielt. Es war wie eine kleine, zweite Familie für Haven.
Als sie an einem Freitagnachmittag gerade ihren letzten Schluck Wasser trank, kam ein brauner Lockenkopf durch die Tür und lief schnurstracks zu den Schallplatten. Er sah sich etwas im Raum um, erblickte Havens starrenden Blick und lächelte sie freundlich an. Er sah wieder auf die Regale, die vor ihm aufgebaut waren und beachtete Haven nicht weiter. Doch sie konnte die Augen nicht von ihm nehmen und so bestellte sie sich noch ein Glas Wasser.
"Mum hat gesagt, dass du bald nach Hause kommen sollst.", wies mich Amy hin und stellte das Glas ab.
"Ist gut. Ich gehe gleich."
Haven hasste es, nach Hause zu gehen und nicht abgeholt zu werden. Sie versuchte den größten Weg mit der S-Bahn zu fahren, musste aber dennoch ein Stück laufen. Für diesen Weg würde man eigentlich nur zehn Minuten brauchen - Haven braucht 30 Minuten dafür. Sie musste viele Pausen einlegen und verweilte oft an einer Bank, um sich wieder zu erholen.
Der Lockenkopf nahm am Tisch neben Haven Platz und lauschte unauffällig dem Gespräch zwischen ihr und Amy.
"Schaffst du das oder soll ich dir ein Taxi rufen?", fragte Amy.
"Nein, ich bin mir sicher ich schaffe das!"
Haven war keine Person, die von jedem Hilfe annehmen wollte. Sie fühlte sich immer in den Vordergrund gestellt und das hasste sie.
Der Lockenkopf - Namens Brad - fragte sich nun, wieso Haven wohl ein Taxi brauchte. Ihm fiel auf, dass Haven extrem dünn war und ihre Haut etwas blasser als bei gesunden Menschen - aber er dachte sich nichts dabei.
Haven machte sich also nun auf den Weg nach Hause und warf noch einen kurzen Blick auf den Lockenkopf, als sie langsam das Café verließ.
Er dachte sich nichts dabei und ging ihr hinterher.
"Hey, du!", rief er und tippte ihr geschickt auf die Schulter. Haven drehte sich erschrocken um und richtete ihre Mütze, unter der kein einziges Haar hervorguckte.
"Ähm...hey?" Die Aussage hörte sich eher nach einer Frage an, weil Haven nicht genau wusste, wie sie reagieren sollte.
"Du bist mir aufgefallen - gerade meine ich.", sagte er. "Und ich bin übrigens Bradley - nenn' mich Brad."
Haven versuchte sich ein Lächeln zu verkneifen, schaffte es aber nicht.
"Schöner Name, Brad. Ich bin Haven.", antwortete sie und zeigte nun in die Richtung der S-Bahn. "Ich muss jetzt leider los, sonst verpasse ich meine Bahn. War schön dich kennenzulernen!"
Brad wusste nicht, ob er sie aufhalten oder gehen lassen sollte. Er überlegte einen längeren Moment und hielt sie dann erneut auf.
"Ich will jetzt nicht unhöflich sein, aber ich habe vorhin ungewollt das Gespräch mit der Kellnerin mitbekommen und fragte mich, ob ich vielleicht Taxi spielen soll?"
Haven war überrascht und wusste nicht was sie antworten soll. Sie wollte nicht, dass Brad von ihrer Krankheit erfuhr. Wieso denn auch - schließlich kannte sie ihn nicht. Aber sie war überfragt, was sie nun sagen sollte.
"Ich werde mit der S-Bahn fahren...", sagte sie zögernd und wollte sich wieder umdrehen.
"Wenn du mir sagt wo du wohnst, bringe ich dich gerne nach Hause.", sagte Brad und in ihm erhoffte sich ein kleiner Teil, dass sie ja sagen würde.
"Wir kennen uns doch gar nicht?", meinte Haven und begann zu lachen.
"Dann lernen wir uns eben kennen..."
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soo, ein neues Kapitel :)
Das sind jetzt rund 1220 Wörter und ich denke bei der Länge werde ich bleiben..
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Before I Go [Brad Simpson FF]
عاطفية→ Brad Simpson Kurzgeschichte [FanFiction] "Du kannst und wirst mich nicht verlieren. Niemals." Brad lächelte Haven glücklich an, und sie erwiderte es. Beide Herzen schlugen ihnen bis zum Hals. Wie lange beide auf diesen Moment gewartet haben, wusst...