Kapitel 13

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Die Stimmung sank mit der Temperatur und als es komplett dunkel geworden war, wurde Freude zum Fremdwort. Durch die stetige Bewegung wurde ihnen zwar warm, doch der Schweiß wurde kalt auf ihrer Haut und ihre dünne Kleidung umwehte sie im kühlen Wind der Nacht. Dass sie außerdem kaum etwas von ihrer Umgebung sehen konnten und es eine wolkige Nacht war machte es nicht besser, denn so liefen sie noch mehr ins Ungewissen, als sie es ohnehin jeden Tag machen mussten. Ihre stark eingeschränkte sich führte dazu, dass sie sich komplett auf ihr Gefühl verlassen mussten, was die Richtung anging und sie wegen mangelnden Punkten in der Landschaft nur hoffen konnten, dass sie wirklich geradeaus liefen.
Doch das bedrückendste war die endlose Stille, die für gewöhnlich durch mehrere Gespräche unterbrochen wurde, nicht jedoch in dieser Nacht. "Du hast doch gestern Abend noch mit Jacob unterhalten, oder?", versuchte Izzy ein Gespräch gegen die unheimliche Stille zu beginnen. "Ja." Da Jas ihr nicht sonderlich entgegenkam, versuchte sie es weiter: "Worum ging es denn? Hat er erzählt, was zwischen ihm und Nick ist?" "War nichts wichtiges", antwortete Jas wieder in Gedanken vertieft. "Ich frag mich wirklich, warum Nick ihm gegenüber so schlecht gelaunt ist", überlegte Izzy laut weiter, um das karge Gespräch am Laufen zu halten. "Ist doch offensichtlich", bemerkte Jas trocken: "Jacob hat bei den Rätseln nicht geholfen und Nick ist enttäuscht über die mangelhafte Unterstützung des Lexikons." Erfreut über die wortreiche Antwort sprach Izzy direkt weiter: "Das hat mich auch gewundert, er hat ihn auch immer genau dann so vielsagend angeschaut. Ich verstehe Jacob da aber auch nicht so richtig, vielleicht sollten er und Nick mal in Ruhe reden." "Jacob hat schon seine Gründe, wer weiß", sagte Jas Izzy dasselbe, was sie auch sich selbst immer wieder sagte. "Aber Nick ist immerhin unser Anführer, er sollte sowas erfahren, meinst du nicht?" Daraufhin seufzte Jas: "Sieht er auch so, aber wir können es ja nun einmal nicht ändern, der muss seine Emotionen in den Griff bekommen und kann ihn nicht so passiv aggressiv angehen." Izzy bemerkte durchaus, dass Jas momentan Nick gegenüber wenig positiv eingestellt war, was, so vermutete sie, an der telepathischen Verbindung las, die es ihr ermöglichte ziemlich genau zu wissen, wie sauer Nick wirklich war, auch wenn er es nur selten zeigte.
Die gereizte Stimmung zwischen ihren Freunden behagte Izzy ganz und gar nicht, weshalb sie sich lieber ein Stückchen hinter Jas zurückfallen ließ. Sie hätte als nächstes mit Nick sprechen können, aber aus der Stimmung von Jas schloss sie, dass diese es bereits erfolglos versucht hatte. Auch mit Jacob hätte sie reden können, doch sie konnte ihm ja schlecht vorwerfen, nicht schlauer als alle anderen zu sein, deshalb blieb sie vorerst allein, um über die Situation nachzudenken.
Doch ihre nachdenkliche Ruhe hielt nicht lange an, denn keine zwei Minuten später, gesellte sich Tyler zu ihr: "Wie findest du es so, nachts zu laufen?" "Besser, ich schwitze nicht so stark und vor allem friere ich nicht im Schlaf und finde endlich Ruhe." Tyler grinste sie an: "Ja, da stimme ich dir voll und ganz zu, es ist sehr entspannt so." Izzy zog eine Augenbraue in die Höhe: "Hast du dich nicht vorhin erst beschwert, dass dein Schlafrhythmus kaputt sein?" "Ja", Tyler zog seine Antwort sehr in die Länge: "Aber jetzt, wo wir laufen, finde ich es super entspannt." Das Mädchen wischte sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht: "Nicht unbedingt das Wort, welches ich verwenden würde, aber ja, ein wenig." Er musterte sie für einen Moment und schlug daraufhin vor: "Ich könnte ja mal Liam bescheid geben, dass wir das Tempo ein wenig drosseln sollten?" Daraufhin atmete Izzy einmal tief ein, und lehnte den Vorschlag dann ab: "Ich denke aber, dass ich mal nachfragen werden, wann eine Pause ansteht. Dich nimmt Liam ja ohnehin nicht ganz ernst." "Dann begleite ich dich zumindest!" Das konnte Izzy nicht ablehnen, ohne unhöflich zu erscheinen, weshalb sie vorerst keine Zeit mehr zum Nachdenken haben würde. Vielleicht war es aber auch besser so.

Als in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages die Sonne über dem Horizont hervorlugte, hatte Paul einen beträchtlichen Abstand zwischen sich und die Gruppe gebracht. Er nahm sie nur noch als kleine Flecken westlich von ihm war, sodass er seine Richtung und Geschwindigkeit an sie anpassen konnte, aber nicht in irgendwelche Konversationen mit einbezogen wurden. Es war bereits der siebte Tag ihrer neuen Reise angebrochen, doch er hing mit den Gedanken noch ganz beim Labyrinth und bei Toni. Er wollte sich damals nur einen Spaß erlauben und nicht die gesamte Nacht im Labyrinth verbringen. Er konnte auch Izzy noch immer nicht in die Augen sehen, da er sich selbst nicht verzeihen konnte, dass er sie damals gebissen hatte. Er wusste, dass er sich nicht unter Kontrolle gehabt hatte, dass es nicht seine Schuld gewesen war und doch, wenn er nicht ins Labyrinth gelaufen wäre, wäre all das nicht passiert. Dann wäre Toni vielleicht noch am Leben.
Keiner hatte je ausgesprochen, dass er schuldig war, aber trotzdem blickten ihn alle anders an als zuvor, früher war er der komische, alberne Typ gewesen, jetzt war er der, der gestochen, verbannt und benutzt wurde. Vielleicht, so überlegte er, lag es auch daran, dass er sie mit einem Dolch bedroht hatte, aber das war für ihn nicht von großer Bedeutung. Er wollte einfach nicht bei der Gruppe sein, bei den Wieslingen, bei seiner Familie, dessen schwarzes Schaf er immer war und immer sein würde.
Als die Sonne im Osten immer höher stieg, erkannte der einsame Junge in der Ferne etwas großen, nahezu gigantisches, zumindest würde es das sein, wenn man näher kommen würde. Bestimmt war es ein Gebäude aus der Stadt, die sie bald erreichen sollten. Wenn das Gebäude soweit weg war, dann musste es ein riesiger Wolkenkratzer sein. Doch etwas stimmt nicht und als Paul verstand, was es war, war es bereits zu spät, denn das Gebäude bewegte sich.
Es war eine unvorstellbar schreckliche Gestalt, selbst wenn man schon Griever kannte, war dieses Monster noch immer grauenhaft. Die Bestie war mindestens drei Meter groß und so breit wie vier erwachsene Männer. Im ersten Moment dachte Paul an einen Gorilla, doch das war natürlich albern, nicht nur wegen der Größe, sondern auch wegen der mechanischen Elemente. Ein Gorilla war vielleicht eins das Vorbild gewesen, doch der Mensch, der das entwickelt hatte, war eindeutig komplett gestört.
Neben der Stärke und den roboterartigen Teilen hatte es zusätzlich mit langen Messern besetzte Tatzen, das Wort "Krallen" wäre dem auf keinen Fall gerecht geworden. Vermutlich konnte es einen Baumstamm mit einem leichten Hieb in Scheiben Schneiden, denn die breiten Klingen waren dick und glänzten in der aufgehenden Sonne. Wie auch schon die Pfoten fielen Paul die Augen auf, die sich leuchtend gelb von der dunklen Fratze abhoben und ihn finster taxierten, bereit, ihn mit einem Schlag zu töten. Blinder Zorn und rasende Wut erfüllten die Augen mit einer erschreckenden Energie und das Maul verzog sich zu einer gierigen Grimasse, sodass man die weißen Zähne funkeln sah.
All das nahm Paul in wenigen Sekunden wahr, doch das war bereits zu lang, denn das Viech hatte sich in der kurzen Zeit bereits bedrohlich genähert. Er war sich nicht sicher, ob er froh war, dass die anderen außer Hörweite waren, oder nicht, denn in einer größeren Gruppe hätte er bessere Chancen gehabt, doch sie trugen keine Waffen bei sich und hätten auch mit 50 Wieslingen keine Chance gehabt. Es war besser so, er würde genauso alleine sterben, wie Toni gestorben war. Und dabei konnte er nur hoffen, dass es nicht als nächstes die Wieslinge aufsuchen würde.
Nachdem er seinen Körper jedoch wieder unter Kontrolle hatte, rannte er so schnell er konnte in die entgegengesetzte Richtung und wünschte, er wäre nicht bereits ausgelaugt vom stundenlangen Laufen gewesen. Doch auch mit stundenlangen Schlaf wären seine Energiereserven unzureichend.
Mit wenigen Schritten, bei denen jedes Mal die Erde bebte und eine Sandwolke aufgewirbelt wurde, welche Paul in stickigen Nebel hüllte, hatte es den panischen Jungen eingeholt, mit einem weiteren Satz sprang er über ihn hinweg und dreht sich, sodass Paul erneut der Weg abgeschnitten wurde er gerade eben noch anhalten konnte.
Die Kreatur bäumte sich auf, machte sich noch größer und stieß dann einen todbringenden Schrei aus, welcher Paul einen Schauer über den Rücken jagte. Ohne den kleinsten Funken Hoffnung blickte er seinem unausweichlichen Schicksal entgegen. Es hob seine gewaltige Pranke gen Himmel, um sie dann auf Paul hinabfallen zu lassen. Mit einem schaurigen Geräusch traf Metall auf Haut, doch niemand sollte es je hören.
Es wurde still.

~ C04

C-18 Der Restbestand || Maze Runner FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt