Kapitel 11

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Der Tag neigte sich dem Ende und die Wieslinge waren von den langen Strapazen, dem wenigen Wasser und der erschlagenen Hitze völlig fertig. Sie schliefen wenig, denn in der Nacht schlugen die Temperatur wieder einmal drastisch um und ohne den Schutz der Hütte froren sie unter den wenigen Decken, die sie mitgenommen hatten. Dabei machte ihnen besonders der Wind zu schaffen und diejenigen, die für die nächtlichen Wachen eingeteilt waren, fanden noch weniger Ruhe.

Am nächsten Morgen waren sie alle viel zu früh wach doch es kam ihnen gelegen, da sie so nicht in der Hitze laufen mussten und ihnen endlich wieder ein bisschen wärmer werden würde. Außerdem standen sie unter ziemlichem Zeitdruck, denn inzwischen hatte der sechste Tag ihrer Reise begonnen.

"Können wir bald eine Pause einlegen? Es ist Mittag und viel zu heiß!", fragte Izzy nach einer Weile woraufhin Nick sofort das Zeichen gab, stehenzubleiben: "Dir ist zu warm? Okay, dann kann es ja nicht mehr gesund sein, wir sollten wirklich eine Pause einlegen." Ethan ließ seinen Blick über den heißen Sand schweifen, in der prallen Sonne waren selbst die Pausen nicht erholsam: "Ich glaube, da hinten ist Schatten zu sehen. Oder eine Fata Morgana, aber dann wäre da bestimmt auch Wasser, das wäre mir nämlich lieber." Ohne auf den letzten Teil zu achten folgten alle dem Blick von Ethan und erblicken einen dunklen Fleck, der wie ein Turm und der passende Schatten aussahe. Sofort hatten alle wieder ein bisschen mehr Energie auf Lager und machten sich begeistert auf den Weg.
Die Strecke war länger gewesen als erwartet, doch nach nicht einmal einer Stunde erreichten sie ihr Ziel und fanden tatsächlich den lang ersehnten Schatten. Und auch der Turm, den sie von weitem nur erahnen konnten, sahen sie, doch auch ein neues Problem erstreckte sich vor ihnen in Form einer tiefen Schlucht.
Die ungefähr zwölf Meter breite Barrikade war bestimmt 50 Meter tief und somit unmöglich zu passieren, schockiert blickten alle die Anführer an und Nick und Liam sahen zu Matthew und Felix, die den Weg eigentlich kannten und dementsprechend von diesem Hindernis wissen müssten.
"Also zu unserer Verteidigung", begann Felix: "Der Haufen auf dem Boden, in etwa Hundert Metern, das war das letzte Mal noch eine Brücke." Entsetzt wechselten nun auch die restlichen Blicke zu den beiden Männern, weshalb Matthew zu erzählen begann: "Es war früher einmal ein Fluss, aber er ist während der Sonneneruptionen ausgetrocknet und an den Seiten hat sich noch mehr Sand aufgetürmt. Drinnen sammelt sich nichts, weil es wegweht, sonst würden wir viel einfacher drüber kommen.
Und bevor ihr fragt, was das für ein Turm da ist, damit wurde nach Gold im Boden gebohrt, aber nein, wir können nicht drüber klettern, die Streben glatt, rund und zu weit auseinander." Also setzten sie sich fürs erste in den kühlen Sand und genossen es, ihre Augen zu entspannen und endlich wieder abzukühlen. Dabei beratschlagten sie über Möglichkeiten, den Graben zu überqueren und kamen schließlich zu einer ersten Idee, die nicht im sicheren Tod enden würde.
"Also, diese Kette hier ist dort oben am Turm befestigt und lang genug, um auf der anderen Seite anzukommen. Wir müssen also darüber schwingen", erklärte Liam die Idee und deutete dabei auf eine rostige, aber stabile Metallkette, an welcher er demonstrativ zog.
"Da wäre Toni genau der richtige, der Riese wäre locker rüber gekommen", meinte Chris leise, aber mit einem Grinsen im Gesicht. Sie hatten noch nicht wirklich verarbeitet, was keine zwei Wochen zuvor passiert war und sprachen weder viel noch gerne darüber, doch in diesem Moment fühlte es sich richtig an und war nicht mit einer solchen Trauer verbunden, wie sonst.
"Ich kanns machen. Das sieht ziemlich lustig aus und ich bin nicht sonderlich klein", bot Bratt sich daraufhin an und nahm Liam die Kette ab: "Die ist ja nicht einmal mittig!" Doch Liam zuckte nur mit den Schulter: "Muss gehen, kannst ja abspringen, vermutlich kommst du sogar bis an die Kante an." Bei dem vermutlich sah Bratt nicht mehr ganz so begeistert aus, doch er machte keinen Rückzieher sondern zog ebenfalls probeweise an der Kette, dann nahm er ein paar Schritte Anlauf und sprang ab.
Über die schnelle Reaktion waren die meisten sehr überrascht, denn sie hatten noch nicht weiter drüber gesprochen, oder die Kette mit mehr Gewicht getestet, doch sie hielt.
Das Problem das jedoch entstand war, dass Bratt nicht annähernd auf der anderen Seite ankam, der Schwung reichte nicht aus, um die Distanz zu überwinden und so schwang er noch ein bisschen vor und zurück, bis er nur noch in der Luft baumelte.
"Du musst dich wieder in Schwingung versetzten! Na los! Desto länger du da hängst, umso schwächer werden deine Arme!", rief Liam mit besorgten Ton seinem Besten Freund zu, welcher keine Energie in eine Antwort verschwendete, sondern sogleich begann, sich in Bewegung zu versetzen. Doch noch immer kam er nicht an, stattdessen rutschte er ein kleines, aber dennoch bedenkliches Stück nach unten, woraufhin Liam an den Rand lief und ihm neue Instruktionen zurief: "Dreh dich und spring hier ab! Hier bist du viel näher, das passt locker, versuch es bitte nicht weiter, es bringt nichts!"
Glücklicherweise hörte er auf seinen Chef und Freund und landete mit einer kleinen Staubwolke neben dem inzwischen beinahe blassen Liam: "Lief doch fast gut." "Bist du wahnsinnig? Es lief vor allem fast tödlich!", beschwerte dieser sich, auch wenn er sichtlich beruhigt war.

"Wir stehen hier seit einer halben Stunde, irgendwas besseres als runterklettern und auf der anderen Seite wieder rauf muss doch rumkommen", seufzte Nick und blickte erneut in die überforderte Runde. Als sein Blick gerade von Andy zu Bratt und weiter zu Jacob wanderte, schrie Izzy auf und alle starrten sie sofort an. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund: "Entschuldigung, ich wollte nicht so laut sein, tut mir leid." Nick verschränkte genervt die Arme vor der Brust: "Kannst du uns bitte erst erzählen warum du überhaupt geschrien hast?" "Achso, ja, okay. Wir haben doch dieses Experiment gemacht mit der Feder. Die Amplitude bei einem höheren Gewicht wurde direkt größer, wenn wir also mehr Gewicht an der Kette haben, schwingen wir weiter. Oder auch nicht, ich weiß nicht, es war nur so eine Idee."
"Das klingt richtig. Ergibt schon Sinn", gab Ethan nickend von sich und auch der Rest der Gruppe war überzeugt. Jas nahm Bratt die Kette ab: "Komm, Izzy, probieren wir es direkt aus." Anfangs hatten sie ein paar Schwierigkeiten, sich beide an der Kette gut festhalten zu können, doch als sie sich beide sicher positioniert hatten, ging es los und mit nur zweimal Schwungholen schafften sie es weit genug nach drüben, um abzuspringen und sicher zu landen. Auf der anderen Seite brach Jubel aus.
Als nächstes begaben sich Liam und Tyler und danach Nick und Jacob auf die Reise und nachdem zum Schluss auch Maddi und Sophie und Ethan und Mo die Schlucht überwunden hatten, viel ihnen ein Stein vom Herzen.
Ethan legte Izzy eine Hand auf die Schulter und sagte: "Jetzt hat uns die Brücke eine Brücke gebaut. Nice Izzy!" Daraufhin musste Izzy grinsen und auch der Rest der Gruppe lachte mit. Erst als sie sich wieder beruhigt hatten, blickten sie zur anderen Seite rüber und stellten fest, dass Matthew und Felix noch nicht nachgekommen waren.

"Wir haben ihnen gesagt, dass wir vielleicht nicht den ganzen Weg mitgehen", wiederholte Matthew seine liebste Begründung. "Aber", erwiderte Felix: "Dann hätten wir uns zumindest verabschieden müssen. Und außerdem möchte ich ein paar von ihnen dringend im Auge behalten. Und zumindest die Stadt ist doch wirklich nicht mehr allzu weit." Wieder schüttelte Matthew den Kopf: "Wir sollten sie nicht zu weit begleiten." "Es liegt in unserem Ermessen. Wir können entscheiden und ich bin ganz klar dafür, dass wir sie begleiten. Wir können sie doch jetzt nicht ganz plötzlich alleine lassen. Wie sollen sie es denn durch die Stadt schaffen?" Einen Moment dachte Matthew mit gerunzelter Stirn darüber nach, doch dann gab er nach: "Na gut. Bei jeder anderen Gruppe wäre ich umgekehrt, aber nicht bei ihnen. Wir gehen mit, in Ordnung." "Bei keiner anderen hätte ich es verlangt."

"Wir dachten schon, ihr geht ohne euch zu verabschieden einfach wieder zurück", begrüßte Nick die beiden grinsend, während Liam misstrauisch eine Augenbraue gehoben hatte. "Wir gehen noch mindestens bis in die Stadt mit, da könntet ihr uns noch wirklich brauchen." Diese Aussicht behagte den Wieslingen gar nicht, doch inzwischen wussten sie, dass sie fast alles meistern konnten.

~C04

C-18 Der Restbestand || Maze Runner FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt