Kapitel 12 - Orland

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„Verdammter Mist", fluche ich vor mich hin. Unkonzentriert und in Rage knöpfe ich meine Weste auf, um sie anschließend achtlos auf mein Bett zu schmeißen. Dann fahre ich mir ruhelos durch die Haare.

Was um Himmels Willen ist schon wieder in mich gefahren? Es war doch meine Entscheidung, oder nicht? Ich habe Esther Griffel eingestellt, ich bezahle sie dafür, dass sie hier ist. Warum fühle ich mich dann nicht, als hätte ich die Kontrolle? Was schert es mich überhaupt, was sie von mir denkt? Soll sie doch denken, ich sei kein Mann für eine eigene Familie, zu grantig oder zu wählerisch oder zu ungesellig, um jemals eine Frau zu finden, die es mit mir aushält. Glaubt sie wirklich, dass ich Annalies nur deshalb bei mir aufgenommen habe? Oder interpretiere ich da etwas völlig falsch?

Scheinbar ist der Gedanke nicht ganz so abwegig, denn schließlich setzt auch Seraphina darauf, dass ihre Tochter irgendwann mein Vermögen erbt. Und Kasimir wäre auch nur auf diese dumme Begründung gekommen, wenn sie irgendwie schlüssig erscheinen würde. Zumindest für Menschen, die mich nicht im Ansatz kennen.

Warum, zum Teufel, stört es mich dann, dass Esther Griffel diesen Gedanken auch hat? Schließlich ist sie eine Person, die mich nicht im Geringsten kennt. Vielleicht dachte ich, sie wäre klüger. Vielleicht hatte ich erwartet, sie hätte mein schändliches Benehmen von unserem ersten Treffen vergessen und wäre nun in der Lage, sich auch vorzustellen, dass ich ein guter Mensch sein kann, der eine Zukunft verdient. Sehr wahrscheinlich liegt es aber daran, dass Esther Griffel die Art Frau verkörpert, mit der ich mich auch in meiner Zukunft sehen könnte. Mit eigenem Willen, trotzdem nie egoistisch oder unfreundlich. Eine Frau, die sich für nichts zu schade ist und ein großes Herz hat.

Ich schüttele den Kopf, um diesen Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben. Dieser Typ Frau existiert nicht für kleine Landbarone wie mich. Er existiert für Fürsten, Minister und Botschafter, für jene, die ihr Privatleben auf dem Tablett der Öffentlichkeit präsentieren, wo alles funktioniert, alles sitzt, jede Bewegung eine eingespielte Melodie ist. In solch einer Umgebung könnte Esther Griffel aufgehen als die beherrschte, pflichtbewusste Dame, die sie ist.

Ich lasse mich auf das Bett fallen und starre an die Decke. Manchmal wünschte ich, ich wäre Kasimir. Er hat sich in seinem Leben wohl noch nie selbst bemitleidet. Er redet sich nicht selbst klein, denn sein Motto ist: Andere können nur so viel von dir halten, wie du von dir selbst. Doch er kann sich dieses Motto auch leisten. Seine Frau Vivien und er waren bereits zwei Monate nach ihrem ersten Kennenlernen verlobt. Sie führen eine Bilderbuchehe mit zwei wunderbaren Töchtern.

Und ich? Was habe ich? Mein Vater beschrieb mich immer als zu wählerisch und zu anspruchsvoll. Seiner Meinung nach gehörte der Anspruch in eine geschäftliche Beziehung. In einer Ehe sollte die Beziehung so einfach wie möglich gehalten werden. Eine Gattin, die nicht viel erwartet, die einen abends mit sanften Worten empfängt, mit der man nicht streiten muss und welcher gelegentliche Geschenke für das Glücksempfinden genügen. So manches Mal habe ich mich gefragt, ob er meine Mutter, eine verwitwete Frau, nur geheiratet hat, weil sie sich in einer anderen Heirat mit einem Baron, wie mein Vater es war, bereits bewährt hatte.

Manchmal frage ich mich, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich seinen Rat befolgt hätte. Wenn ich seinem Drängen nachgegeben hätte, mich vor seinem Tod zu vermählen. Wenn ich das Mädchen, das er für mich ausgesucht hatte, geheiratet hätte.

Ich setze mich im Bett auf und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Vielleicht wollte Esther Griffel vorhin wirklich nichts in die Richtung andeuten, wie ich es interpretiert habe. Doch mit einer Geschichte wie meiner im Hintergrund, habe ich ernsthaft angefangen zu zweifeln, ob ich je eine glückliche Ehe, eine eigene Familie haben werde.

Die GouvernanteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt