[Fortune Files] Wie ein Diener seine Rolle akzeptiert II

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Lyz und ich waren gerade auf dem Heimweg von der Semesterauftaktparty. Der Abend war alles andere als jung und das süße Prinzesschen vom Alkohol berauscht, was sie in eine ausgelassene Stimmung versetzt hatte. Meine Zuneigung zu ihr zerriss mich fast. Sie konnte nichts dafür. Ich selbst war es, der mir den letzten Nerv raubte und doch entlud ich meinen ganzen Selbsthass an ihr. Ich hörte erst auf, sie zu beleidigen, als sie wegen mir zu Weinen anfing. Scheiße! Ihre Tränen waren berechtigt, denn ich Trottel hatte ihr an den Kopf geworfen, dass ich sie auf Rovas Befehl hin töten würde, was nicht stimmte. Kaum ausgesprochen, hasste ich mich dafür, doch es ließ sich nicht mehr zurücknehmen. Mein Herz schmerzte so stark, dass ich zu allem bereit gewesen wäre, um sie wieder aufzubauen. Vielleicht hätte unser Schicksal einen anderen Lauf genommen, wäre nicht in genau diesem Moment Peter aufgetaucht.

Ich ließ ihn nicht lange schwafeln, bevor ich Lyz ins Wohnheim schickte, das wir schon sehen konnten. Ich rechnete ihm hoch an, dass er den Anstand besaß, abzuwarten, bis sie aus der Schusslinie war, bevor es ernst wurde. So viel Rücksicht von ihm überraschte mich.

„Du bist wie Rovas aufmüpfiger Welpe. Wach endlich auf, Alex! Wenn dein feines Herrchen davon erfährt, dass du in die Göre verknallt bist, legt er dich um",

rief mir Pete durch die vorher noch so stille Dunkelheit der Nacht zu. Er musste das Offensichtliche anscheinend unbedingt aussprechen.

„Ach, was du nicht sagst, Schlaubi Schlumpf",

entgegnete ich wenig geistreich. Er kam mir ein paar Schritte entgegen und grinste gespielt mitfühlend, soweit ich es im Schein der Laterne erkennen konnte.

„Mann, du leugnest es ja nicht mal. Tse, wie ich dich kenne, hast du sie hinter seinem Rücken schon geknallt."

„Hast du den Abtrünnigen etwas über sie erzählt?",

überging ich ihn und verging fast in der Vorstellung, seine Vermutung entspräche der Wahrheit. Ich korrigierte sie nicht, weil es mir eigentlich ziemlich egal war, was er dachte, solange er mich nur nicht bei Rova verpfiff. Sein leidender Blick nahm nun genervte Züge an.

„Hör doch endlich mal mit diesem Loyalitätsschwachsinn auf, Alex. Ich meinte das vorhin ernst. Wir sind nicht abtrünnig, kapier das endlich! Wir leben nach den Traditionen, den alten Werten, ohne diesen beknackten Blutsauge-Verboten. Trotzdem sind wir keine Gesetzlosen. Wir verletzen keine Menschen und wir jagen auch keine. Diese Scheiße propagieren die Lucards, aber das sind alles dreiste Lügen. Wir bekommen was aus 'ner Blutbank, genau wie ihr oder haben einen menschlichen Partner, der uns ernährt. Mann, das ist doch genau das, was du willst oder etwa nicht?"

„Was für ein Schwachsinn! Was glaubst du, woher das Blut aus der Blutbank der Abtrünnigen kommt?",

schnauzte ich zurück und wendete meinen Blick von ihm ab. Ich konnte nicht leugnen, dass er mich ein wenig durcheinanderbrachte, doch das wollte ich ihn nicht sehen lassen.

„Weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber ich frag nach. Wenn du mit der Antwort zufrieden bist, dann wechselst du, okay? Die sind alle nett, aber meinen besten Kumpel an Bord zu haben, wäre schon geil. Wenn die Göre deine Freundin ist, dann bring sie eben mit. Ich schwör, dann lass ich sie in Ruhe. Aber ich sag dir, wenn sie nur Rovas Alte ist, werde ich mich nicht zurückhalten."

Er stand inzwischen direkt neben mir. Zugegeben überraschte er mich immer mehr, denn als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, schäumte er vor Wut fast über. Die drei Wochen mussten ihm gutgetan haben. Vielleicht waren die Abtrünnigen wirklich nicht so schlecht wie ihr Ruf, aber selbst wenn, beeinflusste mich das nicht. Ich diente Rova schließlich aus der Überzeugung, dass er der Mächtigste unter ihnen allen war und nicht aus einer Laune heraus.

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