[Fortune Files] Wie ein Diener seine Grenzen überschreitet

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Ich war bestens gelaunt, denn das Filmeschauen erwies sich als überragender Erfolg. Kaum legte ich mich nur ein kleines bisschen mehr ins Zeug, lief es zwischen Lyz und mir noch viel besser als zuvor. Das musste doch etwas zu bedeuten haben. Meine Gefühle waren damit jedenfalls glasklar, ich wollte diese Frau nicht einfach in die Kiste kriegen oder eine Freundschaft zu ihr, ich liebte sie mit allem was dazu gehörte. Prompt war ich wieder auf dem Trip, meine eigentliche Aufgabe auszublenden und mein Leben mit ihr in vollen Zügen zu genießen. Es fühlte sich einfach nicht wie Arbeit an, Zeit mit ihr zu verbringen.

Was im ersten Moment total super klang, bedeutete für mich nichts anderes, als mich mit dem herausragendsten aller Vampire messen zu müssen. Dafür hätte mich jeder, außer meiner Schwester natürlich, für verrückt erklärt. Sogar Lyz' beknackter Exfreund hatte erkannt, dass ich nicht zu einer Frau ihres Kalibers passte. Sie gehörte an die Seite eines Geschäftsmanns oder Politikers, nicht an die eines Dieners. Da fiel mir ein, dass sich dieser komische Kauz tatsächlich nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Zumindest stand er zu seinem Wort, wenn er auch sonst ein ziemlicher Dummschwätzer war.

Über die Weihnachtsfeiertage fuhr Lyz in die Löwenhöhle, die sie ihr Zuhause nannte und natürlich observierte ich sie wieder. Das war schon okay, immerhin ging es nur um ein paar Tage. Ihre Familie schien Weihnachten genauso sehr zu lieben wie ich. Kein störender Weihnachtstinnef oder sonst irgendwas, das an das angebliche Fest der Liebe erinnerte, schmückte ihre kleine Villa. Das war wohl das Einzige, was ich an den beiden akzeptabel fand. Am Weihnachtsabend bekam Lyz von ihren Eltern einen Umschlag überreicht, in dem sich eine A4 Seite befand. Da sie laut vorgelesen wurde, erfuhr ich, was darauf stand. Es war der Ausdruck einer Online-Geldüberweisung. Merry Christmas, Prinzesschen. Als echter Weihnachtshasser fand ich das ziemlich witzig.

Als wir zurückkamen, tat ich natürlich so, als sei ich die ganze Zeit im Wohnheim geblieben. Es war anstrengend, ständig aufpassen zu müssen, was ich sagen durfte und was nicht. Vieles konnte ich streng genommen nämlich gar nicht wissen.

„Hast du was geschenkt bekommen?",

fragte ich verschmitzt und verkniff mir das Lachen. Ich breitete gerade einen Film vor und sie wartete auf ihrem Bett sitzend auf mich. Schelmisch drehte ich mich zu ihr, denn ich war mir sicher, sie würde ihr Geschenk genauso lustig finden, wie ich es tat, doch sie lächelte schüchtern und nickte.

„Hmhm, ich hab was Nützliches bekommen. Meine Eltern unterstützen mein Studium, so gut sie können."

Ihr Ernst? Ach ja, Geld war Menschen ja total wichtig. Ich vergaß das immer wieder. Da war auch schon wieder dieses blöde unechte Lächeln, das ich nicht sehen wollte.

„Und? Bist du froh, wieder bei mir sein zu können?"

Endlich lachte sie wirklich und ermahnte mich mit einem langgezogenen:

„Aaaalex! Hör auf, blöde Fragen zu stellen und mach den Film an!"

Na, wenn das mal keine Zustimmung war. Ich nahm den Laptop vom Schreibtisch, drehte mich beschwingt zu ihr und schenkte ihr ein breites Lächeln, das ihren Puls merklich erhöhte. Auf Rova reagierte sie zwar deutlich heftiger, Herzklopfen bei ihr auszulösen, war trotzdem ein guter erster Schritt. Bewusst schienen ihr diese Gefühle aber noch nicht zu sein. Für mich hieß das, ich musste mich noch weiter ins Zeug legen.

Leider hatte der Vollmond mal wieder ein beschissenes Timing, denn er unterbrach den guten Lauf ausgerechnet zu Silvester. Ich wollte Lyz vorwarnen, es mit irgendeiner dummen Ausrede begründen, doch dazu kam ich nicht mehr. Schon in der Nacht zuvor schreckte ich schweißgebadet aus dem Schlaf hoch, weil ich meinte, ihr Blut durch die Wand hindurch zu wittern. Alter, war sowas überhaupt möglich? Lyz und ihre unvorhergesehenen Blutungen... Warum konnte sie ihre Ambrosia nicht bis nach dem Vollmond in sich behalten, verdammt!?

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