6 - Unerwünschte Unterstützung

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Zwei Wochen hatte ich Zeit, um mich selbst emotional wieder herzustellen und auf das Studium vorzubereiten. Ich dankte Rova für meine Freiheit, denn eigentlich gehörte ich vor ein Gericht, aber genug davon. Ich hatte so langsam akzeptiert, dass ich nichts wert war, ihm aber trotzdem etwas an mir lag, also gab ich mir Mühe, weiterzumachen. Mein kleines neues zu Hause bestand aus einem schlicht möblierten Zimmer im Studentenwohnheim, das mir meine Eltern bezahlten. Sie mochten sein, wie sie wollten, mein Studium unterstützten sie. Allerdings nicht meinen Umzug, den musste ich allein bewältigen. Ich holte meine paar Sachen mit dem Zug, denn eigenes Auto besaß ich keins und meine Eltern ließen mich auch nicht mit ihren fahren. Aushängeschilder, nannten sie ihre beiden silberfarbenen Mercedes', an die keine Fahranfängerin wie mich herangelassen werden durfte.

Dieser Neustart sollte mir helfen, all meinen Kummer hinter mir zu lassen. Keine Eltern, welche Platons Politeia zu genau nahmen und mich fast weggegeben hätten, kein schweres Verbrechen an einer jungen Frau und kein Minderwertigkeitsgefühl sollten mich mehr stören. Ich musste diesem neuen fremden Leben die Hand reichen und mit ihm voranschreiten. Vielleicht würde ich dann auch endlich herausfinden, was Glück bedeutete.

Meine erste Vorlesung startete ein paar Tage später mit dem stimmigen Titel „Jugend und Soziale Arbeit". Ich setzte mich ins vordere Drittel des Hörsaals und drehte mich nach hinten um, damit ich sehen konnte, wer alles mit mir studieren würde. Die Reihen füllten sich mit vielen ebenso neugierigen und unsicheren Gesichtern wie meinem. Viele der jungen Leute waren bunt gekleidet, hatten Piercings oder waren sonst auf irgendeine Art und Weise auffällig. Es freute mich, dass ich mich mit meinem weißen Spitzenkleid gut einreihte. Tatsächlich wollte ich nichts anderes mehr tragen, als das Geschenk des einzigen Menschen, der an mich glaubte. Da ich aber auch ein wenig Wechselkleidung benötigte, hatte ich mir vor ein paar Tagen ein ähnliches im Internet bestellt.

Zu meiner großen Freude, blieb ich nicht lange allein auf meinem Platz, denn eine junge Frau, namens Hanna, setzte sich neben mich und wir unterhielten uns nett. Es war im wahrsten Sinne zu schön, um wahr zu sein, denn kurz darauf betrat eine schwarze Gestalt den Saal, eine, die direkt schmerzhafte Erinnerungen weckte, Alexander. Seine bloße Anwesenheit kratze mich auf und zu allem Überfluss kam er auch noch auf die Idee, sich auf den anderen Platz neben mich zu setzen. Auch er passte mit seinen langen Haaren, seinem schwarzen „SLAYER" Shirt und der Lederjacke besser als gedacht in diese Gruppe, denn er schien nicht der einzige Metal-Fan zu sein. Ich hoffte er würde sich mit diesen anderen Studis anfreunden und mich in Ruhe lassen, was natürlich nur ein netter kleiner Traum von mir war.

Zwar sagte Alexander zunächst kein Wort, ihn zu ignorieren war mir trotzdem unmöglich. Ich entschuldige mich bei Hanna und drehte mich zu Alex, den ich direkt schnippisch anblaffte.

„Was machst du hier?"

Er grinste schräg und warf sich seinen langen schwarzen Zopf auf den Rücken.

„Was glaubst du wohl? Studieren natürlich, Prinzesschen."

Prin-... wie bitte? Überrascht von seinen frechen Worten, wendete ich meinen Blick wieder Hanna zu, die uns irritiert beäugte und dann vorsichtig flüsterte:

„Darf ich fragen, wer das ist?"

„Das ist Alexander, ein ehemaliger Mitar...-"

„ihr Freund!",

warf er unüberhörbar, an mir vorbei zu Hanna schauend, ein. Auch einige Studenten hinter uns bemerkten es, denn sie stellten kurz ihre Gespräche ein und blickten erst zu ihm und dann zu mir. Oh, wie ich es verabscheute im Rampenlicht zu stehen. Der Kerl musste doch spinnen, so etwas zu behaupten!

„A-also wenn überhaupt, dann Exfreund, klar?",

rief ich schließlich, um die Sache zu entspannen. Er beugte sich näher zu mir, ich mich aber sofort von ihm weg. Was fiel ihm ein?

Forced Fortune + Fortune Files [illustriert] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt