[Fortune Files] Wie ein Diener seine Rolle absolut nicht akzeptiert

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Als ich nach meiner Bestrafung endlich allein war, schleppte ich mich zu meinem Schrank, aus dem ich mit einer Hand meinen Erste Hilfe Kasten fischte. Blöderweise wollte die Wunde an meinem Bauch nämlich nicht wieder zusammenwachsen, solange ich sie nur mit den Händen zusammenschob. Es ging nicht anders, ich musste sie nähen, sonst drohte ich durch den stetigen Blutverlust auszutrocknen und in eine Starre zu verfallen. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was das genau für mich bedeuten würde, denn ich kannte keinen, der sowas schon einmal durchlebt hatte, typisch für die Zeiten des Überflusses in denen ich lebte.

Zitternd wühlte ich Nadel und Faden heraus, die zu meinem Glück schon miteinander verbunden waren und drehte mich ins Mondlicht, das durch den Qualm der Raketen immer düsterer wurde. Ich brauchte um die 15 Minuten, um diese paar Stiche zu setzen, weil ich bei jedem Einstich drohte, das Bewusstsein zu verlieren. Die Kälte im Zimmer machte mir nun mehr zu schaffen als sie mir nützte. So eine Scheiße! Schon eine etwas höhere Konzentration von Lyz' Blutgeruch hätte geholfen, meine Schmerzen zu lindern. Die paar Duftspuren von ihr, die ich noch leicht witterte, halfen nichts, sondern verschlimmerten nur meinen Hunger.

Ich glaubte, mich noch niemals so hundsmiserabel gefühlt zu haben wie in diesem Moment. Körperlich und seelisch war ich komplett im Arsch... Ich hatte meinen Halt verloren, war als Diener eine Null und Lyz machte auch nicht gerade den Eindruck, sich über meine Beleidigungen sonderlich gefreut zu haben.

Am liebsten hätte ich meine Schwester Carla oder meine Mutter angerufen und sie vollgejammert, was für ein Trottel ich war, aber dazu fühlte ich mich viel zu ausgelaugt. Dass mir Rova die Blutkonserve weggenommen hatte, demoralisierte mich und diese bescheuerten Silvesterraketen raubten mir noch den letzten Nerv. Dunkel, Hell, Knall, Dunkel, Hell, Knall, Hell, Knall, Dunkel... dazu diese Kälte und diese Schmerzen. Meine Pressspanmöbel drehten sich vor mir, als säße ich in einem dieser verrückten bunten Jahrmarkt-Karussells, auf denen alles... alles umkreiste. Ich glaubte langsam, den Verstand zu verlieren.

Mit letzter Kraft zog ich mich hinauf auf mein Bett und verkroch mich unter meiner Decke. Auch wenn mich dieses kriegsähnliche Gedonnere da draußen aufregte, driftete mein Geist einfach so davon. Das war kein Schlaf, sondern eine Ohnmacht.

Ich fühlte mich total ausgetrocknet, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Immerhin sahen die fünf großen Striemen, die meinen Körper entstellten, belastungsfähig aus und hatten Wundschorf gebildet. Ein gutes Zeichen. Ich beugte mich vom Bett aus zum Erste Hilfe Kasten, der auf dem Boden lag zog ihn an mich heran und wühlte ein wenig darin herum, bis ich das Skalpell zu fassen bekam. Danach drehte ich mich auf den Rücken, schnitt die Fäden durch und zog sie mir vorsichtig heraus. Ich wollte ja nicht, dass sie einwuchsen. Alles an meinem Bauch war nun wieder da, wo es hingehörte, und riss auch nicht gleich wieder auf, trotzdem tat mir jede Bewegung noch ziemlich weh. Zum Kotzen.

Mein eigenes Blut an meinem Körper und auf dem Laminatfußboden kleben zu sehen, setzte mir inzwischen mehr zu als die Schmerzen. Nicht die Wunden waren nun mein größtes Problem, sondern mein Hunger, der langsam überhandnahm. Ich fing an, geistesabwesend mit meinem schwarzen T-Shirt auf dem Boden herumzuwischen. Maaann, das brachte überhaupt nichts! Resigniert schnappte ich mir also doch noch Eimer und Lappen und machte damit die Sauerei weg, die Rova mit mir hinterlassen hatte. Die Erinnerung daran war merkwürdig befremdlich. Echt krass, was ich da durchgemacht hatte.

Auch wenn ich aus Schludrigkeit nicht alles wegwischte, war das Zimmer danach wieder halbwegs ansehnlich. Mit einer ordentlichen Dusche bekam ich dann auch noch mich sauber. Frische, unverheilte Wunden abzuwaschen, widersprach meinem Schulwissen. Erst Blut trinken, also heilen, dann abwaschen, hieß es da immer... schon komisch.

Ich stöhnte genervt, als ich aus der Dusche kam und meine besudelte Bettwäsche bemerkte. Selbst auf ihrem Dunkelgrau konnte man die Blutflecken deutlich erkennen. Auch das noch, wo ich gerade dachte, ich sei endlich fertig. Mehr schlecht als recht wechselte ich also den Bettbezug und fiel danach vollkommen erledigt mit dem Gesicht zuerst in das frische, wohlriechende Bett. Meine Selbstregeneration würde sicherlich zwei, drei Tage brauchen, bis sie die Wunden vollständig geheilt hatte.

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