22. Türchen

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 „Plötzlicher Wintereinbruch"

Aufgrund des plötzlichen Wintereinbruchs verspäten sich die folgenden Züge auf unbestimmte Zeit. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis."

„Was eine scheiße." murmelt der junge Mann neben mir und ich seufze. „Wem sagst du das." - „Auch nach London?" fragt er mich und ich nicke. „Leider." Wir schauen auf die Anzeigetafel. Eigentlich sollte der Zug bereits vor zehn Minuten hier sein, aber jetzt steht dort, dass er sich verspätet. „Plötzlicher Wintereinbruch." sagt der Mann neben mir sarkastisch und genervt. „Die hätten sagen sollen; Tut uns leid, aber im Dezember haben wir leider keinen Schnee erwartet, das ist jetzt blöd gelaufen, wir haben vergessen uns den Wetterbericht anzusehen."

Ich kann nicht anders, als zu lachen und er schmunzelt ein wenig. „Ich gehe jetzt wieder ins Gebäude und friere hier nicht länger auf dem Bahnsteig, kommst du mit..äh.." - „Harry." helfe ich ihm schnell. „Louis." antwortet er und sieht mich fragend an. Ich zucke mit den Schultern. „Klar." Es ist drinnen wirklich angenehmer. Der eisige Wind pfeift einem am Gleis um die Ohren und frieren tue ich generell recht schnell.

Wir setzen uns in die kleine Bäckerei. „Trinkst du Kaffee?" fragt er mich und ich nicke. Er kommt einige Augenblicke mit zwei Bechern wieder und schiebt mit einen zu. „Wie viel bekommst du?" - „Lass stecken." antwortet er und trinkt einen Schluck. Oh Gott, tut ein heißes Getränk jetzt gut.

„Das ist der letzte Zug heute nach London." murmelt er, als er eine kurze Zeit lang auf sein Handy sieht. „Wollen wir hoffen, dass er noch kommt, hier steht, dass er noch drei Stationen entfernt ist, das dauert mindestens noch eine halbe Stunde." meint er und verdreht die Augen. „Na ganz toll." entgegne ich trocken und schreibe Gemma, dass ich mich wohl mehr verspäten werde, als gedacht.

„Solange ich Weihnachten dort noch ankomme.." murmle ich gedankenverloren. „Du wohnst in London?" fragt er und verwundert sehe ich ihn an, schüttle dann aber den Kopf. „Nein, meine Schwester lebt dort. Ich wohne eigentlich hier in Manchester, habe ich." korrigiere ich mich schnell und fahre mir unsicher durch die wirren Haare. „Und jetzt nicht mehr?" - „Ähm.. doch, aber.. mein Freund und ich hatten Streit." sage ich und winke ab. „Nicht so wichtig." Er mustert mich für einen Moment. „Es kann wohl kaum, nicht wichtig, sein, wenn du schon sagt, dass du nicht mehr dort wohnst."

„Willst du das wirklich hören?" frage ich vorsichtshalber nach, aber Louis nickt sofort. „Sonst hätte ich es doch einfach so stehen gelassen, meinst du nicht?" Ich nicke und fange dann an, meine Beziehungsprobleme einem eigentlich fremden zu erzählen. „Ich denke er betrügt mich, ich dachte das schon einmal, aber er hat mir versprochen, dass es nicht so ist. Er meinte, er liebt mich, aber naja, seit einigen Wochen ist er merkwürdig. Ich darf nicht an sein Handy, er hat seinen Code geändert und er geht zum telefonieren so weit es nur geht weg. Letztens ist er aus dem Wohnzimmer, durch den Flur ins Bad gegangen und hat alle Türen dazwischen zu gemacht, damit ich offensichtlich nicht mitbekomme, mit wem er dort spricht.

Wir waren vor zwei Wochen mal unterwegs und wir haben vergessen das Navi einzuschalten und er meinte, ich sollte das machen, aber als ich sein Handy genommen habe, hat er sofort gesagt, er macht das schon und mitten auf der Autobahn während er gefahren ist, selbst das Ziel eingegeben. Ich habe da aber schon gesehen, dass ihm irgend so eine Frau eine Nachricht mit Herzen geschickt hat. Er hat es bestritten, aber wollte er partout nicht, dass ich an sein Handy gehe.

Gestern Nacht dann konnte ich nicht schlafen und meinte, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob das mit uns noch zu etwas führt, wenn er mir so wenig vertraut." - „Und was hat er geantwortet?" fragt Louis skeptisch nach.

„Dass er müde sei und dass ich doch bitte leise sein solle." erwidere ich trocken und Louis sieht mich entgeistert an. „Ernsthaft?" Ich nicke und zucke mit den Schultern. „Ich habe ihn heute morgen darauf angesprochen und als er im Bad war bin ich an sein Handy gegangen. Ich weiß, das macht man eigentlich nicht, aber er wurde angerufen und ich dachte, es ist vielleicht sein Boss, weil er zu spät war." - „Es war nicht sein Boss." schlussfolgert Louis und ich schaue auf den Kaffeebecher in meinen Händen. „Es war eine Frau, die gefragt hat, ob er mir schon Bescheid gesagt hätte, dass er auf Geschäftsreise ist und dass sie ihn vermisst. Sie dachte er wäre dran."

Adventskalender 2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt