Streit. 01.12.

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Erschöpft sank er auf das Polster seines Ledersessels. Der Tag war lang und anstrengend, seine Aurorenuniform verstaubt. Er dachte an den heutigen Fall, der ihn noch für längere Zeit in Atem halten würde: den Einbrecher, der in die Mysteriumsabteilung eingestiegen war und geheime Formeln zur Entwicklung des Steins der Weisen entwendet hatte. Nur Flamel, ein berühmter Alchemist, war in der Verfassung gewesen den Stein und das Lebenselixier herzustellen und dennoch, eine Stichwortartige Aufzeichnung blieb erhalten. Gut verschlossen bewahrte man sie auf, bis zu jenem schicksalshaften Tag, an dem sie entwendet wurde. Und man konnte sagen, war die Person überdurchschnittlich intelligent und besaß ein hohes Maß an Ausdauer, dann war es nicht unmöglich, dass er es schaffen könnte.

Seufzend griff er nach dem Glas, das vor ihm auf dem Tisch ruhte und Wein enthielt. Heute war sein Freitagabend und er wollte sich entspannen. Dösig nahm er die Flammen im Kamin auf seiner Haut wahr und fast war er eingeschlafen, als er ein lautes Scheppern hörte. Plötzlich hellwach, hatte er sich aufgerichtet und lauschte. Wütend geschriene Worte drangen durch seinen Fußboden in sein Wohnzimmer, aber er konnte sie nicht verstehen. Gerade vor zwei Wochen war jemand neu eingezogen. Diese Wohnung war verdammt hellhörig und er ärgerte sich noch immer darüber, die erstbeste Wohnung genommen zu haben, aber der Wohnungsmarkt in London war nun einmal hart.

Die Stimmen, die einem Mann und einer Frau gehören mussten, wurden immer lauter. Ein dumpfes Geräusch erklang und es wurde still. Was war geschehen? Misstrauisch stellte er das Glas ab. Bei dieser Wohngegend handelte es sich um eine Zauberersiedlung, etwas Abseits vom Zentrum, also zückte er seinen Zauberstab und schlich zu seiner Wohnungstür. Es lag in seiner Pflicht, etwas zu unternehmen, würde sich jemand verletzt haben.

Leise öffnete er sie, trat in den Flur und erhellte ihn mit einem Lichtschalter. Auch die Zauberergemeinschaft in London konnte sich nicht ewig vor dem Einfluss der Moderne retten und so gab es neuerdings Elektrizität. In wenigen Sekunden war er die Treppe nach unten gestiegen und stand vor der Tür der Wohnung, die sich unter seiner befand und die ihn vom Schlimmsten ausgehen ließ.

Er betätigte den Klingelknopf. Nichts geschah. Er klopfte. Jemand öffnete die Tür einen Spalt breit, die Person stand im Dunkeln, er konnte sie nicht erkennen.

„Ja?", fragte eine männliche Stimme.

„Ist alles in Ordnung? Ich habe ... etwas umfallen hören.", er traute es sich nicht zu, den Streit anzusprechen und bezog sich daher lediglich auf das dumpfe Geräusch.

„Alles bestens. Wenn sie mich entschuldigen, das Essen steht auf dem Herd.", murrte der Andere und schloss die Tür eilig. Was war das denn? Der Blonde verharrte noch einen Moment und überlegte, ob er die Aurorenzentrale oder das Ministerium verständigen sollte. Selten war er in den Kontakt mit häuslicher Gewalt gekommen, aber dazu war er sich auch nicht sicher, ob es sich um ebendiese handelte. Seufzend kehrte er um und stieg die Treppen empor, zurück in seine Wohnung. Dieser Abend dämpfte seine Stimmung auf abartige Weise, denn er wusste, wenn das stimmte, was er gehört hatte, dann konnte es nicht so bleiben. Er hoffte nur, dass es ein Einzelfall war und er nicht eingreifen musste.

...

Am Montag, über das Wochenende war es still geblieben, begab er sich in das Zaubereiministerium zu seinem Büro. Darauf bedacht niemand Bekanntem zu begegnen setzte er stoisch seinen Weg fort. Kaum hatte er in den letzten Tagen an etwas anderes, als das Paar gedacht und es hinterließ ein flaues Gefühl in seinem Magen.

„Malfoy!", rief eine weibliche Stimme hinter ihm. Er hielt inne und wandte sich zu Granger, die in der Vergissmich-Zentrale arbeitete und damit auch eng mit ihm zusammen. Wenn er, und sie, konnten, vermieden sie näheren Kontakt.

„Was?", einsilbig sprach er mit ihr. So wie immer. Hastig schritt sie auf ihn zu, strich sich eine lose Strähne hinter ihr Ohr.

„Hör mal, wegen des Falls A-45-3H..."

„Ich kümmere mich darum. Ich habe es am Wochenende nicht geschafft.", log er. Er hätte es geschafft, aber er hatte nicht gekonnt. Aus irgendeinem Grund fand er die Person, die unter ihm wohnte, abscheulich.

„Ok.", nickte sie. Er sah sie an und musterte ihre Kleidung. Ein schwarzer Rollkragenpullover verdeckte ihre Arme und ihren Hals. Dazu ein knielanger Rock, unter dem sie eine blickdichte Strumpfhose trug.

„Ich bringe dir die Formulare in zwei Stunden.", merkte er an, tauschte noch einen Blick mit ihr und kehrte wieder um. Das waren schon mehr Worte als in den ganzen letzten Monaten, die sie miteinander gewechselt hatten.

Er betrat sein Büro, legte seinen Umhang auf dem Sofa ab, das neben dem Schreibtisch an der Wand stand. Sofort machte er sich daran, die Formulare auszufüllen, es dauerte länger als er dachte. Fall A-45-3H war ein besonders schwerer Fall von Verstoß. Jemand hatte den Avada Kedavra gegen einen anderen Zauberer angewendet und war von einer ganzen Gruppe Menschen gesehen worden, die zwar betrunken, aber nicht blöd waren und sofort verschiedenste Hirngespinste verbreitet hatten. Nur den Toten hatten sie gefunden, seit Wochen gaben sie sich nun einer langen Katz- und Maus-Jagd hin und was blieb, war eine Menge Papierkram.

Nach drei Stunden hatte er den letzten Federstrich gesetzt und marschierte, die Akte unter seinem Arm, in die dritte Etage. Wie üblich fand er schnell das Büro von Hermine Granger und klopfte an. Anscheinend hatte er ein Gespräch gestört, denn die Stimmen im Inneren verstummten.

„Herein?", drang es gedämpft durch das Holz. Draco öffnete die Tür und fand Weasley neben ihrem Schreibtisch vor, der wenig zufrieden wirkte.

„Malfoy.", murrte er und Draco antwortete mit einem Nicken. Dann fixierte er wieder die Brünette, die ihn abwartend musterte.

„Hab die Akte fertig.", sagte er und hielt sie in seiner Hand.

„Danke.", verkniffen lächelte sie, umrundete den Tisch und nahm ihm die Akte aus der Hand. „Ron, du kannst gehen, ich muss noch etwas mit Malfoy besprechen. Warte heute nicht auf mich, ich muss heute ein paar Überstunden machen und muss unser Treffen verschieben."

„Wenn's sein muss.", sagte er genervt, bedachte Draco noch mit einem warnenden Blick und verschwand durch Grangers Kamin. Augenblicklich spürte er, wie sie sich entspannte.

„Setz dich, ich hab noch ein paar Fragen.", mit ihrer ausgestreckten Hand wies sie auf einen der Besucherstühle, auf dem er schließlich Platz nahm. Die Rollen des Bürostuhls kratzten über das Holzparkett, als sie ihn näher zum Schreibtisch ruckte. Nur das Rascheln des Papiers erfüllte den Raum. „Unter Absatz 3 werden die Beteiligten genannt. Können wir uns sicher sein, dass das alle sind?"

„Das können wir doch nie. Höchstens wenn wir deren Erinnerung durchsuchen, aber dafür haben wir einfach nicht die Kapazität, du weißt schon."

„Ja, der Einbruch.", nachdenklich strich sie mit der Spitze ihrer Feder über ihr Kinn.

„Noch was?", langsam wurde er ärgerlich. Heute nämlich sollte er noch ein paar weitere Hinweise und Spuren unter die Lupe nehmen und Berichte schreiben, sie hielt ihn nur auf.

„Und sind wir uns mit der Abteilung für magische Strafverfolgung darüber einig, dass niemand weiter angegriffen hat?"

„Wie kommst du darauf, dass noch jemand anderer beteiligt war?", zweifelnd runzelte er seine Stirn, die Idee hatte er nie in Betracht gezogen, es gab allerdings auch keinen Grund dazu. Abwesend schüttelte sie ihren Kopf, während sie das Pergament betrachtete.

„Schon gut. Das ist alles, du kannst gehen."

Vertieft blätterte sie weiterhin in der Akte herum. Draco erhob sich und verließ ohne weitere Worte den kleinen Raum.

They only hit until you cry. [Dramione]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt