Untitled Part 1

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Heute fing es an, egal ob ich es wollte oder nicht. Am Ende des Jahres würde ich ein Monster sein und das zerriss mich. Nicht äußerlich, sondern innerlich. Ich hatte mir mein Schicksal nicht selbst aussuchen dürfen, aber wie auch? Unsere Familie war anders.

Meine Familie verstand nicht, warum ich das nicht wollte, obwohl sie selbst mal dadurch gemusst hatten. Durch die schrecklichste Zeit ihres Lebens. War man erst mal ein Monster, war es einem völlig egal, dass man Menschen zerfleischte und ihnen das Leben nahm, nur um sich besser zu fühlen. Mir allerdings war es das nicht, ich konnte noch Liebe verspüren.

Ich zog meinen schwarzen Kapuzenpulli, in dem ich buchstäblich versank, über mein schwarzes Top und band meine blonden, langen Haare zu einem Zopf. Meine Haare stachen vor dem schwarz besonders hervor, aber das gefiel mir. Ich kleidete mich immer schwarz, weil diese Farbe meine Gefühle widerspiegelte, die mich seit ich denken konnte, plagten.

Ich wollte meine Veränderung nicht zulassen, wollte sie stoppen, wusste aber, dass ich es nicht konnte. Niemand konnte das, nie hat es jemand jemals geschafft und ich würde auch nicht die erste sein, dessen war ich mir bewusst. Früher hatte ich immer kindische Vorstellungen gehabt, von wegen dass ich heiraten und Kinder bekommen würde und das Böse aus meinem Leben verschwinden würde, doch das tat es nicht. Niemals würde ich ein normales Leben führen können und niemals würde ich Freunde haben, die keine Angst vor mir haben würden. Denn jeder fürchtete meine Familie, zumindest die, die wussten was wir waren.

Meine Familie würde in der Küche auf mich warten, das wusste ich, deshalb hangelte ich mich an der Regenrinne nach unten in den Vorgarten, wie ich es oft machte, um frische Luft zu bekommen. Ich sah, wie der Vorhang am Küchenfenster zur Seite geschoben wurde und duckte mich hinter einen Busch. Ich hörte nur meinen eigenen Atem und kroch die Einfahrt entlang auf die Straße. Dort richtete ich mich auf und klopfte mir den Sand von der Hose. Ich konnte es mir echt sparen, meiner Familie zu begegnen. Im Laufe dieses Jahres würden viele Mortas zu uns kommen und mich beobachten, denn ich war nicht einer der vielen, sondern der Morta. Ich würde den Kreis schließen und die ganze Macht bündeln. Ich war diejenige, die die Macht über die Welt versprach und in mir trug. Ich war das Ende vieler unschuldiger Menschen und der Anfang einer neuen Welt. Deshalb hüteten mich die Mortas wie ein Ei, damit ich ihren Traum auch ja nicht zerstören konnte. An meinem siebzehnten Geburtstag in genau einem Jahr würden sich alle Monster um mich versammeln, um zu sehen, wie das letzte bisschen Sterblichkeit aus mir wich.

Ich schlenderte die Straße entlang zum Bus. Der Frühling zeigte seine ersten grünen Blätter, die prächtige Bäume versprachen. Die Luft war frisch und lockerte meine miese Stimmung ein ganz klein wenig auf. Autos mit unschuldigen Leuten rasten an mir vorbei und mir wurde bewusst, dass ich ihr Tot war.

Der Bus hielt gerade an der Haltestelle, als ich ankam und ich stieg ein. Ich drehte meine Musik so laut, dass ich den Rest der Welt ausblenden konnte und verpasste fast meine Haltestelle. Auf dem Schulgelände wimmelte es von Schülern. Alle standen in ihren Cliquen zusammen und unterhielten sich und lachten. So gern ich auch zu ihnen gehören wollte, hieß mein Motto immer noch, "Wenn man keine Freunde hat, kann man auch nicht verletzt werden, wenn man sie im Stich lassen muss". Alle, an denen ich vorbei ging, sahen mich an als wäre ich ein freak und tuschelten dann. Kein einziger gratulierte mir, aber das erleichterte mich, denn ich war nicht in der Stimmung, ein Wort von mir zu geben.

Ich wartete in einer Ecke bis es klingelte und zog mir vor dem Klassenzimmer die Ohrstöpsel aus den Ohren. Als mich jemand an der Schulter berührte zuckte ich zusammen, weil ich niemanden hatte kommen hören. Ich sah über die Schulter und traute meinen Augen kaum. Vor mir stand ein Engel. Natürlich kein echter, aber der Typ sah so gut aus, dass er einer hätte sein können. Seine Augen waren in einem schokoladigen Braun, in dem ich versinken könnte und ich würde nicht zögern mich in seine Arme zu schmiegen. Und seine Haare waren leicht gelockt. Ich durfte aber nicht träumen, also hörte ich auf, zu überlegen nach was er wohl roch und knurrte nur ein "Was?" "Ist das hier der Raum von Frau Krieg?" Fragte er und ich nickte. Wortlos öffnete ich die Klassentür und setzte mich auf meinen Platz in der letzten Reihe am Fenster. Unsre Lehrerin kam hereingeweht und begrüßte den Neuen herzlich. Wie konnte sie so fröhlich sein? Ich hasste sie sie dafür, obwohl sie keine Schuld hatte.

"Begrüßt unseren neuen Schüler Tyler." Rief die Lehrerin. Sofort warfen alle Mädchen ihre Haare zurück, nur ich stützte meinen Kopf auf meinen Arm und sah abwesend aus dem Fenster. Doch innerlich brodelte es in mir. Was war an ihm, dass er mich nach zwei Minuten schon so aus dem Konzept brachte?

After the sunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt