Kapitel 1

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Kapitel 1

"Entschuldigung?", "Darf ich mal?", "Verzeihen Sie bitte, aber ich hab's wirklich eilig!" Hastig drängelte ich mich an meinen Mitmenschen vorbei. Bekam des Öfteren ein "Passen Sie doch auf" oder "Hey Miss Vorsicht" zugerufen, doch darauf konnte ich im Moment wirklich keine Rücksicht nehmen, denn, wie so oft in diesem Monat, war ich spät dran! Bei meinem täglichen Pensum war das eigentlich gar nicht verwunderlich, doch Mr. Hahn mein Chef, würde das wahrscheinlich anders sehen.
Eigentlich war ich froh gewesen, 2 Monate nach dem Beginn meines Studiums zur Sozialpädagogin endlich einen Nebenjob als Bedienung in einem 24-Stunden-Restaurant nahe der Brooklyn Brigde, gefunden zu haben. Da ich jedoch in der Zeit von 9-16 Uhr Vorlesungen besuchen musste, blieb mir keine andere Möglichkeit, als mich für die Nachtschicht von 19-2 Uhr in der Früh eintragen zu lassen. Tja und da ich heute Nachmittag erneut auf meiner gemütlichen Klappcouch eingeschlafen war, war dies nun der Grund dafür, weshalb ich um 19.20 Uhr durch diesen Sumpf aus Menschen hetzte, um mir keine erneute Predigt meines Chef's anhören zu müssen. Wieso um alles in der Welt musste Brooklyn um diese Zeit auch immer voll mit Menschen sein? Ach richtig, weil alle Feierabend haben, während du, Mia zur Arbeit joggst. Ungerechte Welt!

Nachdem ich weitere 2 Blocks weit gerannt war, drosselte ich mein Tempo schließlich und gestand mir ein, dass es nun auch nicht mehr von Bedeutung war, ob ich 20 Minuten zu spät kam, sondern 40! Also fischte ich genervt eine Zigarette aus meinem Rucksack und zündete sie an. Wesentlich entspannter lief ich nun den letzten Block bis hin zum Brooklyn Diner. Ärger würde ich jetzt ohnehin schon bekommen, was machten da also 5 Minuten mehr oder weniger noch für einen Unterschied?

"Miss Hathaway, haben Sie es doch tatsächlich geschafft ihren Arbeitsplatz aufzusuchen, ja? Ich bin entzückt!" Mr. Hahn versuchte seinen Ärger über mich wieder einmal hinter seinem Sarkasmus zu verstecken. Sein asiatischer Akzent und seine kleine Statur ließen jeden in seiner Nähe jedoch nur leise tuscheln und kichern. Man konnte ihn meist auch nicht ernst nehmen, da er einfach nicht den typischen Idealen eines Chefs entsprach. Er war ein kleiner, etwas dicklicher, in die Jahre gekommener Asiate, den man einfach mögen musste!
"Welche Ausrede haben Sie denn heute für mich parat Miss Hathaway? Bitte verblüffen Sie mich." Trotz seines Ärgers ließ er es sich nicht nehmen, mir meinem Mantel abzunehmen und ordentlich aufzuhängen. "Es tut mir wirklich leid Mister Hahn, ich habe verschlafen. Es wird nicht wieder vorkommen, versprochen!" Erwiderte ich etwas verlegen, jedoch nicht ohne ihm mein schönstes Lächeln, welches ich im Angebot hatte, zu präsentieren. Man sah meinem Chef förmlich an, wie sehr er mit sich kämpfte, dieses Lächeln nicht zu erwidern. Stattdessen schüttelte er nur seufzend den Kopf und murmelte "an die Arbeit Miss Hathaway". Sofort nickte ich und machte mich auf den Weg in die Küche, um zu sehen mit wem ich heute Dienst haben würde. Jeff unser Koch, strahlte mir auch schon über seine ganzen Kochtöpfe hinweg entgegen. Er war 54 und arbeitete seid fast 20 Jahren in diesem Restaurant. Ich mochte ihn sehr, denn seid dem ich in dieser beängstigenden Stadt lebte, war er für mich so etwas wie eine Vaterfigur geworden.
"Na Kleines, mal wieder einen langen Tag gehabt, mh?" Mitfühlend Strich er mir über den Rücken, als ich etwas erschöpft nickte und mir schließlich meine Schürze umband.

"Eine Portion Bratkartoffeln!" Warf mir der so eben herein gekommene Gast nur zu, ehe er sich an den Tresen setzte und sein Blackberry zückte. Genervt verdrehte ich die Augen, beschloss jedoch mich diesmal nicht über die selten vorhandene Höflichkeit der meisten unserer Kunden aufzuregen, sondern gab die Bestellung gleich an Jeff weiter. Mittlerweile war es 22.30 Uhr und der Laden leerte sich allmählich. Meist bestanden unsere Gäste um diese Zeit nur noch aus Jugendlichen, die sich bei uns die Zeit bis zu ihrem nächsten Kinofilm vertrieben, oder eben aus Geschäftsmännern, wie diesem netten Herren.
"Kann ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen? Einen Kaffee oder Tee vielleicht?" Wollte ich wissen, der Mann jedoch wedelte nur abfällig mit seiner Hand, was für gewöhnlich soviel bedeutete wie "Verschwinde". Also ließ ich ihm seinen Willen und begann, die leeren Tische abzuräumen. Danach sammelte ich das Trinkgeld ein, welches Jeff und ich immer untereinander aufteilten und begab mich schließlich zurück in die Küche.
"Ach Kleines, lass das doch. Du wirst vorne gebraucht!" tadelte Jeff, als er aus dem Augenwinkel bemerkte, dass ich anfing, das Geschirr zu spülen. "Der einzige Gast, der noch vorne sitzt, scheint gut mit sich selbst klar zu kommen. Außerdem bin ich sowieso keiner bei dir hier hinten." antwortete ich leise und schenkte ihm dabei ein kurzes Lächeln, welches er sofort rotwerdend erwiderte. Gerade als ich mit dem Spülen fertig war und mich freute wie ein kleines Kind, als Jeff mir eine Schüssel voll mit seinem unvergleichbar leckeren Chilli vor die Nase stellte, erklang aus dem Gastraum ein mehr als genervtes "Hallo, Bedienung?! Die haben Kundschaft! Kaum zu glauben, aber wahr!"
Augenverdrehend ließ ich den Löffel zurück in die Schüssel plumpsen, warf Jeff noch einen unserer "bin gleich zurück" Blicke zu und eilte wieder nach vorn. "Wo bleiben meine Bratkartoffeln, junges Fräulein?" grummelte mir der Kunde von vorhin auch schon entgegen, noch bevor ich den neuen, der 6 Stühle weiter Platz genommen hatte, überhaupt richtig wahrnehmen konnte. "Einen Moment bitte Sir. Ich nehme nur eben die Bestellung des Herren dort hi-" "Oh nein! Sie werden mir erst erstmal mein Essen bringen, auf das ich nun schon mehr als 15 Minuten warte! Los Beeilung!" Widerwillig nickte ich und verkniff mir einen dummen Spruch, ehe ich zurück in die Küche hetzte um den Herren von seiner "Hungersnot' zu erlösen.

"Na also warum nicht gleich so, Madame?" zischte der Mann mir entgegen als ich ihm seinen Teller vors Gesicht stellte und zum Gehen ansetzte. "Wird nicht wieder vorkommen, Sir." antwortete ich so gut es ging freundlich woraufhin ich nur ein "Ganz recht, denn mich werden Sie in diesem Saftladen nicht noch einmal zu Gesicht bekommen" zurück bekam. Na umso besser!
Wie ich solch herablassende Menschen doch verachtete. Das ich schon immer nur von oben herab behandelt wurde, war mich nicht neu! Dennoch machte mich diese Tatsache selbst heute noch rasend! Gerade als ich erneut zum gehen ansetzen wollte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel den jungen Mann, wegen dem ich eigentlich überhaupt erst wieder nach vorne geeilt war.

Etwas zu motivationslos holte ich meinen kleinen Block und einen Stift hervor und lief zu dem Mann hinüber, der gerade damit beschäftigt war, die Speisekarte zu studieren. "Was darf's sein?" ich selbst erschrak etwas über meine wohl erst kürzlich abhanden gekommenen Marnieren und auch meinem Gast schien dieses Verhalten nicht entgangen zu sein. Denn der werte Herr machte keinerlei Anstalten, den Blick aus der viel zu groß geratenen Speisekarte zu nehmen, durch die es mir unmöglich war, meinem Gegenüber in die Augen sehen zu können.
Als nach weiteren 30 Sekunden immer noch keine Regung von ihm ausging, beschloss ich den Rückzug in die Küche anzutreten. "Meinen Sie nicht, dass ein höfliches 'Guten Abend Sir' eine durchaus angebrachtere Umgangsform für einen zahlenden Kunden wie mich wäre, junges Fräulein?" Geschockt blieb ich nach dieser Ansage stehen, während mir die Kinnlade herunter fiel und ich mich zusammen reißen musste, dem Kerl nicht ordentlich die Meinung zu geigen! Also entschied ich mich mein strahlendstes Lächeln, welches ich im Angebot hatte aufzusetzen und erwiderte zuckersüß: "Guten Abend Sir. Was darf ich Ihnen an diesem herrlichen Freitagabend zu Trinken bringen?" Erst jetzt bemerkte ich, das der Kerl immer noch die Speisekarte vorm Gesicht zu kleben hatte, woraufhin mein Lächeln schlagartig einer empörten Miene wich!

"Ein Wasser!" Brummte mir mein Gehenüber durch die Karte hindurch entgegen, sodass ich ein wütendes Schnauben nicht unterdrücken konnte. "Sonst noch was?!" Fauchte ich zurück, bekam jedoch keine Antwort. Wütend stapfte ich zurück in die Küche wo Jeff mich bereits erwartete. "Alles in Ordnung, Süße?"
Ohne ihm überhaupt erst zu antworten knallte ich meinen Blick auf den Tisch, schnappte mir mein mittlerweile kaltes Chilli und begann unter einem Gemurmel von eindeutig nicht definierbaren Schimpfwörtern zu essen. Jeff, der meine Launen schon gewohnt war konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Dennoch Verstand er meine stumme Aufforderung und füllte etwas Leitungswasser in ein Glas bevor er schließlich die Küche verließ. "Ich würde jetzt gern bestellen!" hörte ich die, wie mir jetzt erst auffiel, sehr tiefe Stimme unsere Gastes plötzlich erklingen. Seine Laune schien sich offenbar nicht gebessert zu haben, was in mir automatisch ein Gefühl der Zufriedenheit hervor rief. Jedoch wurde dieses schnell wieder zunichte gemacht, als ein etwas ratloser Jeff die Küche betrat und beklommen murmelte "Er will von dir bedient werden."

Wütend knallte ich meine halbleere Schüssel zurück auf den Tisch und griff wieder nach meinem Block, bevor ich schließlich inne hielt. Der Kerl wollte mich provozieren? Schön das konnte er haben! In diesem Gedanken bestätigt schnappte ich mir also mein Chilli und stolzierte erhobenen Hauptes zurück in den Gastraum. Als ich schließlich vor ihm stand ließ ich es mir nicht nehmen noch einmal einen beherzten Löffel zu verdrücken und dann mit vollem Mund zu fragen "Ich darf annehmen sie haben es endlich geschafft zu wählen, Sir?" Das 'Sir' betonte ich ganz bewusst mit äußerst viel Herablassung und erzielte auch prompt die gewünschte Wirkung, als sich die Speisekarte schließlich endlich senkte.

"Auch wenn Sie allem Anschein nach heute einen äußerst miesen Tag haben, rate ich Ihnen, zügeln Sie ihre vorlaute Zunge Miss!" Schon wieder dieser tafelnde Unterton in seiner Stimme. Na warte Freundchen, nicht mit mir! "Was denken Sie eigentlich für wen Sie sich ha-" das letzte Wort blieb mir im Halse stecken, als sich die Speisekarte nun komplett gesenkt hatte und ich in die wohl schönsten blauen Augen starrte, die ich je gesehen hatte...

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Hallo meine Lieben <3
Ja Lina ist mit einer neuen Story zurück, die bisher mein absolutes Lieblingswerk ist, da es sich hierbei wie gesagt um mein erstes echtes Buch handelt, welches ich seid Monaten schreibe & nun hier auf Wattpad in eine niall FF umgewandelt habe :D

Ich hoffe das erste Kapitel hat Gefallen gefunden? Und natürlich würde ich mich wahnsinnig über einpaar Meinungen und Votes freuen <3

Lots of love eure Lina~

Illusion (Niall Horan) {SLOW UPDATES} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt