1. | There he was

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Es war ein schöner Herbsttag in Helsinki. Die Sonne schien auf die Goldenen Blätter und es war verhältnisweise warm. Ich war um diese Jahreszeit Regen und ungemütliche, kalte Temperaturen gewohnt. Stattdessen hatte ich meinen Mantel über der Schulter und nur einen Pulli an, während ich durch Helsinkis Innenstadt schlenderte. Ein wenig windig war es, so dass meine Brustlangen braunen Haare mir immer wieder ins Gesicht geweht wurden.
Ich kam an ein Café und entschloss, mich hinzusetzen und mir einen Kakao zu bestellen. Die Sonne begann langsam unterzugehen, obwohl es erst 17:00 war. Man merkte, dass es Winter wurde, doch der Herbst wollte ihn nicht so recht durch lassen.
"Darf ich mich zu dir setzen?" riss mich ein Mann aus meinen Gedanken. "Natürlich, setz dich!" Lächelte ich. "Wirklich? Ich möchte nicht stören." Der Mann wollte sich vergewissern, dass ich auch kein Problem mit seiner Anwesenheit hatte. "Ja,natürlich. Setz dich nur!"
Er bestellte einen Kaffee und einen Croissant und starrte dann ebenso verträumt wie ich die Straße entlang. "Ein wunderschöner Tag." bemerkte ich, ohne aufzuschauen. "Ja, traumhaft." auch der Mann machte sich nicht die Mühe, aufzuschauen. "Könnte ruhig öfter so sein." versuchte ich, das Gespräch am laufen zu lassen. "Das ist nunmal ein Nachteil unseres Landes. Aber es ist doch trotzdem traumhaft." lachte der Mann. "Auf jeden Fall!" bestätigte ich. Wir sahen beide die ganze Zeit die Straße entlang, in dessen Fenstern sich die Farben vom Sonnenuntergang spiegelten.
"Wie heißt du?" fragte mich der Mann dann. "Alissa. Und du?" - "Ich bin Samu. Lebst du schon immer hier?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin in Reykjavik geboren." Auf einmal begann der Mann - der sich inzwischen als Samu vorgestellt hatte - mich anzusehen. "Reykjavik?" fragte er, als ob es eine Weltsensation wäre. "Ja, dort geboren und aufgewachsen. Mit 19 bin ich dann hier her. Und du?" grinste ich.
Samu war mir sympathisch, mit seiner offenen, freundlichen Art.
"Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Zwischendurch war ich mal ein paar Jahre in Spanien, aber wenn man in Helsinki geboren ist muss man einfach wieder hier her zurück!" Erklärte Samu seine Liebe zu dieser Stadt.
"Ich bin ja auch bald 15 Jahre hier...Helsinki ist eine tolle Stadt." versuchte ich, nicht wie ein nichtswissender Tourist dazustehen. "Und ich jetzt das 36." lachte Samu. Beiläufig sah ich auf die Uhr und bemerkte, wie spät es schon war.
"Verdämmt, ich muss los!" Fluchte ich und sprang auf.
"Willst du mir nicht noch deine Telefonnummer geben?" Samu hielt mich an einem Ärmel fest und kramte einen Zettel und einen Stift aus seiner Tasche. Schnell kritzelte ich meine Handynummer auf den Zettel und legte den Stift wieder hin. "Jetzt muss ich aber wirklich los, Tschüss!"
Schon im sprechen ging ich mit schnellem Schritt die Straße entlang. Der Kindergarten machte in zehn Minuten zu und ich musste Emily noch abholen.
Emily war meine Tochter. Seit mein Ex-Mann Michael mich verlassen hatte, war sie alles was mir noch übrig war. Ich passte auf sie auf, wie eine Löwin auf ihr Junges.
"Mama!" kam sie auf mich zu gerannt, als ich den Garten des Kindergartens betrat. "Hey, Schatz!" ich kniete mich hin und umarmte sie. "War es schön heute im Kindergarten?" fragte ich dann. "Jaa, wir haben Laubbilder gebastelt!" erklärte sie mir aufgeregt. Ich nahm sie an der Hand und ging mit ihr ihren Rucksack holen, als mein Handy auf einmal klingelte.
"Hallo?" meldete ich mich. "Hallo, Alissa?" erkundigte sich eine tiefe Männerstimme. "Hallo! Samu?" fragte ich verwundert.
"Wer ist Samu? Mamaa!" Emily zupfte an meiner Jacke herum. "Pscht, Emily ich telefoniere!" ermahnte ich sie.
"Ja, der bin ich. Ich wollte fragen, ob wir uns irgendwann mal wieder sehen wollen? Ich fand es ausgesprochen nett mit dir." meldete sich die Stimme aus dem Telefon wieder zu Wort. "Ehm ja, wann hättest du denn Zeit?" erkundigte ich mich. "Wie wäre es mit...morgen Abend?" erkundigte er sich. "Klingt gut, ich muss aber mal schauen, ob meine Schwester da Zeit hat."
"Deine Schwester? Ich wollte mich mit dir treffen, nicht mit deiner Schwester!" Samu klang genervt. "Schon klar." lachte ich. "Meine Schwester soll ja auch nur auf meine Tochter aufpassen."
"Du hast ne Tochter?" wieder Klang Samu sehr überrascht. "Aber keinen Mann, beruhig dich."
"Mamaa, kaufst du mir einen Donut?" Meldete sich Emily wieder zu Wort, als sie den Bäcker sah, an dem wir vorbeiliefen.
"Drei Jahre alt und mein ein und alles, ja. Wieso?" ignorierte ich Emily. "Hatte...hatte ich nicht mit gerechnet." Stotterte Samu am anderen Ende der Leitung.
"Mamaa, bekomm ich jetzt einen Donut?" Emily hüpfte auf und ab. "Ja, Emily, komm ich Kauf dir einen." meinte ich und schob sie in den Bäcker.
"Ich melde mich nachher nochmal bei dir, wenn ich meine Schwester angerufen habe." erklärte ich Samu. "Ja..gut. Tschüss!" verabschiedete dieser sich.
Ich legte auf und stopfte mein Handy wieder in meine Tasche. "Einen Schokodonut bitte." sagte ich dann, bezahlte und schob Emily wieder aus dem Bäcker, in dem Lauter kleine Kinder ihren Eltern die Ohren abkauten.
"Darf ich den jetzt essen?" Fragte Emily mich. "Zu Hause, da kannst du es dir gemütlich machen." Erklärte ich ihr und nahm sie wieder an der Hand, um mit ihr bis nach Hause zu laufen.

Ich legte Emilys Donut auf einen Teller und tippte gleichzeitig Milenas Nummer in unser Telefon ein. Ein Glück, dass Frauen multitaskingfähig waren. "Alissa, was gibt's?" meldete sie sich, wie immer frisch und fröhlich klingend. "Hey, süße! Ich wollte fragen, ob du morgen Abend auf Emily aufpassen kannst?" fragte ich sie hoffnungsvoll. Ich hatte große Lust, mich mit Samu zu treffen.
"Morgen? Moment, ich muss kurz schauen." es begann im Hintergrund zu rascheln, dann hörte ich Milena blättern. "Morgen Abend geht, aber abholen müsstest du die kleine noch. Ab 18:30 könnte ich bei euch sein."
Ich lachte. Organisiert wie immer, meine kleine Schwester. "Klar, danke!" freute ich mich.
"Jetzt musst du mir aber auch sagen, was du da vorhast." erklärte sie mir fordernd. "Ich hab ein eventuelles....Date." meinte ich vorfreudig. Milena stieß einen kurzen Quietscher aus. "Mit wem? Los, erzähl!"
"Wir können uns ja übermorgen oder so mal wieder treffen. Dann kann ich dir auch alles erzählen. Ich muss jetzt erstmal meine Verabredung bestätigen." lachte ich. "Okaaay. Bis dann, können wir ja morgen besprechen." Milena klang leicht enttäuscht. "Nicht enttäuscht sein!" munterte ich sie auf. "Und bis morgen." "Bin ich gar nicht." verteidigte sie sich. "Bis morgen." wimmelte ich sie ab.
Dann rief ich Samu an und bestätigte zufrieden unsere Verabredung.

"Here we are, a pair of hearts, feeling complete." {Sunrise Avenue FF}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt