4 | Bad day

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Es war stockdunkel, als ich wieder zurück nach hause ging. Nur die Strassenlaternen hüllten die Innenstadt in ein wenig Licht. Alissa hatte in die andere Richtung gehen müssen, begleiten durfte ich sie nicht mehr.

Nachdenklich schlenderte ich den Weg nach hause entlang. Irgendwann musste ich ihr doch sagen, dass ich dieser eine aus der Band war, dass ich der war, der sich selbst nicht unter Kontrolle hatte und den eigentlich keiner hielt. Ich grübelte den ganzen Weg bis nach hause. Wollte nicht das, was sich grade aufzubauen schien, gleich wieder kaputt machen, wollte aber auch nicht die Frau meiner Träume anlügen.

Mit einem lauten Seufzer drehte ich den Schlüssel im Schlüsselloch um und öffnete die Tür. Mimi kam mir schleichend entgegen, streifte ihren Kopf an meinem Bein. Ich liess mich auf das Sofa fallen und nahm sie auf den Schoß. „Hast du eine Ahnung, wie ich es schaffen kann, Alissa zu behalten, ohne sie anzulügen?", fragte ich sie. Sie schnurrte und legte ihren zarten Kopf auf meinen Oberschenkel.

Auf einmal klingelte mein Handy. Ich schob Mimi vorsichtig von mir herunter und holte dann mein Handy aus meiner Jackentasche. Wer mich wohl um diese Zeit noch anrief? „Samu!", meldete sich eine Frauenstimme, bevor ich etwas sagen konnte. „Alissa!". Ich atmete erleichtert auf. Kein wütender Mikko, der mir erklärte, was ich dieses Mal vergessen hatte. „Ich wollte dich fragen, wann wir uns wieder sehen?", erkundigte sie sich. „Um diese Uhrzeit?". Verwundert sah ich auf die Uhr.

Wenn das alles gewesen wäre, hätte sie sich doch am nächsten morgen bei mir gemeldet. „Und dich fragen, ob alles in Ordnung ist. Du wirktest vorhin so...so frustriert." Kurz überlegte ich, ihr die Wahrheit zu sagen. „Alles in Ordnung, ja, natürlich.", log ich dann aber doch. Ich wollte Alissa nicht mit Problemen belästigen, die sie nicht verstehen würde. „Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht!", erklärte Alissa am anderen Ende der Leitung. Anscheinend hatte ich so geklungen, als hätte ich ihren Anruf als unnötig erachtet. „Ist gut, süße. Aber ich bin müde, wollen wir morgen noch einmal telefonieren?", versuchte ich sie abzuwimmeln. Ich wollte nicht so lange, vor allem nicht so viel lügen. Etwas enttäuscht und offensichtlich nicht zu einhundert Prozent von meinem Wohlbefinden überzeugt bestätigte sie mir, mich am nächsten morgen noch einmal anzurufen.

Ich legte mein Handy auf den Couchtisch und nahm mir meine alte Gitarre. Meine allererste. Die, mit der ich damals alles gelernt hatte, die ich mir mühsam zusammengespart hatte und die jahrelang mein ein und alles gewesen war. Eine Weile lang spielte ich vor mich hin, nahm einige Melodien für eventuelle spätere Songs auf und spielte bereits existierende, dann legte ich mich hin.

Am nächsten morgen wurde ich vom Telefonklingeln geweckt. Das erste, was mir auffiel war mein dröhnender Kopf, obwohl ich nichts getrunken hatte.

„Guten Morgen!", flötete Alissa ins Telefon. „Guten Morgen!", sagte auch ich, nur weniger glücklich, während ich mit einer Hand an den Türrahmen griff, um nicht umzukippen. Mein Kopf dröhnte nicht nur, nein, mir war auch schwindelig und ich hatte das Gefühl, dass das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen in den nächsten paar Minuten, wie bei den letzten Malen, auch noch schlagartig auftauchen würde. Ich tastete mich zum Sofa vor und ließ mich darauf fallen.

„Wie geht's dir?", fragte ich dann Alissa, die am anderen Ende der Leitung schwieg. „Super!", meinte sie fröhlich. „Und dir?". „Beschissen.", gab ich zu. Auf ein Mal änderte sich der Ton in Alissas Stimme. „Was ist los?", fragte sie besorgt. „Ich habe keine Ahnung, ich...", kurz stockte ich, als das erwartete Gefühl mich schlagartig erfüllte, „...ich fühl' mich, als hätte ich mehr getrunken, als je zuvor. Dabei habe ich nur den einen Wein mit dir getrunken.", erklärte ich.

Ich konnte Alissas hübschen, erschrockenen Blick buchstäblich fühlen. „Brauchst du etwas?", fragte sie mich dann. „Nein", meinte ich knapp. Alles was ich brauchte war ein Sofa, Tee, Katzen und Ruhe. „Ich melde mich heute Abend noch mal, hoffentlich geht es dir dann besser.", meinte Alissa dann. Ich umarmte sie innerlich dafür, dass sie verstanden hatte, dass lange Gespräche grade wirklich nicht meine Stärke waren. „Ja, bis dann!", verabschiedete auch ich mich und legte das Handy auf den Tisch.

Dann lehnte ich mich nach hinten und schloss die Augen. Was war nur in letzter Zeit mit mir los? Was waren diese Tage, an denen mein Körper sich verabschiedete? Wollte er mir damit sagen, dass ich zu viel tat?

Ich sass auf dem Sofa und überlegte, was das sein konnte. Ich war fest davon überzeugt, dass das nicht physisch, sondern psychisch war, dass das einzig und allein mit mir selbst zu tun hatte.

Nach einer Weile stand ich auf und machte mir auf wackeligen Beinen einen Tee. Mimi sah die ganze Zeit zu mir, als würde sie merken, dass etwas mit mir nicht stimmte und mich in Schutz nehmen wollen.

Mit meinem Tee setzte ich mich wieder auf mein Sofa, zog mir eine Decke über die Beine und schaltete den Fernseher an. Es lief sie Serie „Extreme Duudsonit", die mir extrem unsympathisch war, doch das kümmerte mich nicht. Ich lief den Fernseher laufen und trank meinen Tee weiter, hoffend, dass dieser Tag bald vorbei ging.

Auf einmal schreckte ich auf. Ich war eingeschlafen und ein penetrantes Telefonklingeln weckte mich. Ich griff nach meinem Handy, welches ich glücklicherweise neben mir auf das Sofa gelegt hatte und ging ran. „

Hallo?", meldete ich mich. „Samu! Wo bleibst du? Wir warten hier auf dich!", hörte ich die wütende Stimme von Raul, dem Bassisten der Band, deren Sänger ich war. Verdammt. Ich hatte vergessen, den Jungs Bescheid zu sagen, dass ich mich kaum vom Sofa bewegen konnte. „Fuck.", rutschte es mir aus. „Ich hab vergessen, euch Bescheid zu sagen. Ich liege zu hause auf dem Sofa und hab nicht das Gefühl, mich hier vor morgen früh weg zu bewegen.", erklärte ich dann.

Grummeln am anderen Ende der Leitung. „Sorry! Ich habe es wirklich total vergessen!", entschuldigte ich mich. „Ja, kennen wir ja von dir, dass du immer krank bist. Wir waren schon drauf vorbereitet, dass du nicht kommst.", meinte Raul schlecht gelaunt und legte dann auf.

Frustriert legte ich mein Handy wieder neben mich. Draußen wurde es schon langsam dunkel, ich musste fast den ganzen Tag verschlafen haben. Aber dafür ging es mir deutlich besser, als am morgen.

"Here we are, a pair of hearts, feeling complete." {Sunrise Avenue FF}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt