8 | Escape

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Die Tür klackte laut, als Riku und Sami durch herein kamen. Die Stimmung zwischen den beiden schien ähnlich entspannt zu sein, wie die zwischen Raul und mir. Sie ließen sich wortlos neben uns auf das Sofa fallen, dann herrschte einige Sekunden lang peinliche Stille, in der Raul und Riku ihre Blicke immer wieder von Sami zu mir und wieder zurück schweifen ließen, was mir auch nur auffiel, da ich das gleiche mit meinen Blicken tat.

„Sorry Samu, dass ich vorhin so schnell angepisst war und überhaupt kein Verständnis hatte, weder heute noch in den ganzen vergangenen paar Monaten.", entschuldigte Sami sich. Es war keine von den ganz langen, herzerwärmenden Entschuldigungsreden, aber für Sami war es schon viel. Er tat sich in solchen Sachen immer sehr schwer. Und man konnte ihm ansehen, dass er das vollkommen ernst meinte.

Ich lächelte ihn an und hoffte, dass er sich, falls er wieder kein Verständnis haben würde, iin der nächsten Zeit mit seiner direkten Meinungsäußerung etwas zurück halten würde. Er war mir nämlich, genau wie Raul und Riku, sehr wichtig und ich wollte keien Streit mit ihm haben, der lange anhielt, nicht nach oder in solch einer Zeit.

Ich merkte, wie die Wirkung der Tabletten langsam aber sicher nachließ und mein Kopf wieder begann, zu dröhnen. Bevor ich nicht mehr ansprechbar sein würde, ich hatte nämlich natürlich die falschen Tabletten eingepackt, erklärte ich: „Mir tut es auch leid, dass ich euch einfach habe sitzen lassen, wirklich. Das Argument, dass es mir wirklich scheiße ging ist wahrscheinlich inzwischen auch schon ausgelutscht, aber es ist die einizge Wahrheit. Nach den Sachen mit Arttu und Marie war ich einfach total fertig, Klar, hätte ich euch nicht einfach sitzen lassen dürfen, aber ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich mit meinem Leben noch anfangen sollte, überhaupt keine. Es waren einfach mal innerhalb von ein paar Wochen zwei der wichtigsten Dinge in meinem Leben von mir gegangen. Und meine kranken Tage in den letzten zwei Monaten, die sind verdammt noch mal wirklich echt, mir geht es echt immer beschissen, wenn ich euch das sage, und zwar nicht irgendwie, sondern so, dass ich mich eigentlich kaum noch vom Sofa rühren kann.", setzte ich meine kleine Ansprache dann fort, allein durch die Gedanken an den Hintergrund mit Tränen in den Augen.

Sami und Riku, die ja nicht mit bekommen hatten, was ich Raul vorhin alles erzählt hatte, sahen mich beeindruckt an. Sie schienen zu merken, dass es mir wirklich ernst war und dass ich niemanden an der Nase herum führen wollte und auch eigentlich niemanden hatte sitzen lassen wollen. Während sie immer wieder so aussahen, als würden sie etwas sagen wollen, dachte ich immer tiefer über alles nach, besonders über die Sache mit Arttu. Ich strich mehrmals mit meinen Händen über mein Gesicht, um alles zu stoppen, vergrub mein Gesicht in ihnen und versuchte so, die Fassung zu bewahren. Die anderen hatten noch immer nichts gesagt. Nach einer Weile sah ich wieder auf und blickte mich im Raum um. Als mein Blick auf ein Foto viel, welches Marie, mich und meine Katzen zeigte und von Arttu gemacht worden war, war es endgültig mit vorbei. Ich Biss mir immer fester auf die Lippen, bis ich merkte, dass auch das nichts brachte.

Ohne zu überlegen oder Rücksicht auf Riku zu nehmen, der gerade endlich angefangen hatte, etwas zu sagen, stürmte ich, meine Zigarettenschachtel im rennen mitnehmend, aus dem Studio. Es war Glück, dass dieses etwas außerhalb von Helsinki lag und somit niemand auf den Straßen hier unterwegs war.

Ich rannte den Weg hinauf, der zu unserem Studio führte und dann in den Wald, wo ich mich an die erste Bank stützte.

Mein Kopf dröhnte inzwischen wieder so, wie heute morgen und durch das rennen war mir wieder extrem schwindelig. Bedacht, nicht auf dem Boden zu landen, tastete ich mich um die Bank herum und ließ mich fallen. Ich legte meine Zigarettenschachtel neben mich auf die Bank und wischte mir meinem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht.

Nachdem ich mich wieder halbwegs gefangen hatte und mir nicht mehr schwindelig war, versuchte ich mit Hilfe einer Zigarette einige klare Gedanken zu fassen, was mir aber nur zum Teil gelang.

Ich musste lernen, mich endlich unter Kontrolle zu bekommen. Solche Ausraster konnten wir uns nicht leisten und ich sollte inzwischen auch alt genug sein, mich selbst im Griff zu haben und nicht weinend aus einem Studio zu rennen. Sollte. Ich nahm mir vor, wenn ich jetzt wieder im Studio ankam nicht wieder so auszurasten, sondern stark zu sein und zu zuhören.

Ich stand auf und wollte entspannt und ruhig zu rück zum Studio laufen, als ich ein paar Stimmen hörte. Die Jungs schienen mich schon zu suchen, nachdem ich eine ganze Weile lang nicht zurück gekommen war. Sie liefen ernst nebeneinander, redeten, aber lachten nicht so viel wie normalerweise.

„Samu, da bist du ja!", meinte Raul, als er mich sah. Ich nickte nur und lief in deren Richtung. „Sorry auch von unserer Seite, dass wir dich damals so im Stich gelassen haben, wir wollten das wirklich nicht.", meine Riku beiläufig auf dem Nach hause weg.

Ich blieb stehen. „Und wisst ihr was mich am meisten fertig macht? Wenn es mir sowieso schon total kacke geht und ihr auch noch sauer auf mich seid!".

Sami, Raul und Riku starrten mich geschockt und voller Mitleid an und machten ein nicht übersehbares Angebot von einer Gruppenumarmung. Ich nahm dieses an, indem ich einen Schritt auf sie zu ging. Sie warteten nicht, sondern fielen sofort von allen Seiten um mich herum. „Danke", flüsterte ich gerade so laut, dass alle es hörten. Mehr Worte brauchte es nicht, es war klar, dass diese Umarmung bedeutete, dass zwar nicht alles perfekt war, aber dass wir zusammen halten würden und niemanden von uns jemals im Stich lassen würde.

Noch immer mit gedrückter, aber wesentlich besserer Stimmung als vorhin liefen wir den Weg wieder zurück zum Studio.

„Hat jemand eine Kopfschmerztablette?", brach ich die Stille mit einer nicht wirklich zur Situation passenden Frage, ich fühlte mich aber inzwischen wirklich so, als würde gerade jemand mit zehn Hämmern gleichzeitig auf meinem Kopf hämmern und ich wollte heute noch singen können, was ich in dieser Verfassung vergessen konnte. Wie von Geisteshand richteten sich alle Blicke auf Riku. Riku hatte immer alles dabei, was man brauchte. Ob es ein Kondom war, auf Partys, ein Plektrum, wenn man seine gerade alle verloren hatte, etwas zu trinken, oder eben Tabletten für sonst was. Riku hatte es immer. Fast immer, merkte ich, als er entschuldigend sagte: „Nicht dass ich wüsste, wenn ich Glück hab liegt in meinem Rucksack noch eine. Aber die Schachtel habe ich gestern Abend ausgepackt, um Ellen eine zu geben.".

Enttäuscht liefen wir weiter. Selbstverständlich nahmen wir es ihm nicht übel, dass er keine Kopfschmerztablette hatte, besonders ich knirschte jedoch mit den Zähnen. „Aber es kann gut sein, dass ich noch eine im Rucksack habe!", wiederholte Riku sich. „Das wäre genial, wir sollten heute nämlich irgendwie noch ein bisschen Proben und so kann ich nicht mal den leichtesten Akkord auf der Gitarre greifen, geschweige denn singen.", erklärte ich bewusst übertreibend.

„Ein bisschen Kopfschmerzen?", schmunzelte Sami. „Das ist nicht lustig!", beschwerte ich, während ich mir die Schläfen massierte. Sami sah mich an und schien zu merken, dass ich wirklich nicht so, wie ich es sonst zugegeben gerne tat, übertrieb.

"Here we are, a pair of hearts, feeling complete." {Sunrise Avenue FF}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt