Kapitel 9

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Nach dem Sturm wurde es wieder kälter. Jeden Morgen lag eine Reifschicht über dem Gras und Farnen und zum zweiten Mal fiel leichter Schnee. Die Blattleere war nun endlich eingetroffen.
Rauchschweif machte die immer knapper werdende Beute Sorgen. Sie war bereits den ganzen Tag mit Nebelschweif unterwegs zum Jagen. Die Älteste hatte beschlossen die Krieger zu unterstützen, solange sie das noch konnte. Rauchschweif hatte sich gerade eben geduckt und schlich sich an eine Maus heran, während Nebelschweif die Augen offenhielt. Rauchschweif sprang ab und landete auf der Maus. ,,Fuchdung, wieder so ein dürres Ding." beschwerte sich die schwarze Kätzin. ,,Das ist immerhin besser als nichts." merkte Nebelschweif an. Auf einmal witterte sie etwas. ,,Rauchschweif, da kommt jemand." warnte die Älteste. Die schwarze Kätzin reckte die Nase in die Luft und sah sich aufgeregt um. Durch das hohe Gras trottete ein schwarzer Kater hervor. ,,Rabenpfote!" rief Rauchschweif und stürmte auf ihn zu. Die beiden schmiegten sich eng aneinander zur Begrüßung. ,,Aber was machst du hier?" wollte die schwarze Kätzin unsicher wissen. Rabenpfote sah zu Nebelschweif. ,,Ich wollte Blaustern die letzte Ehre erweisen, Feuerstern hat es mir erlaubt." erklärte er. Die weiße Kätzin neigte leicht den Kopf. ,,Dann solltest du erstmal ins Lager zu Feuerstern." schlug Nebelschweif vor. Der schwarze Kater nickte zustimmend. ,,Ich begleite dich." miaute Rauchschweif und sah nochmal zu Nebelschweif. ,,Geh du, ich werde die Beute einsammeln." miaute die Älteste und machte sich auf den Weg.

Die Sonne ging bereits unter als Nebelschweif die letzte Maus ausgrub. Plötzlich hörte sie wie mehrere Katzen durch das Gras liefen, auf die FlussClan-Grenze zu. Schnell holte sie die Katzen auf. Dabei erkannte sie Graustreif, Feuerstern, Rabenpfote und Rauchschweif. Wie früher, die haben doch schon wieder irgendwas vor, dachte sich die weiße Kätzin. ,,Wo wollt ihr hin?" miaute sie und die vier Katzen fuhren erschrocken herum. Feuerstern sah sie ertappt an. ,,Wir wollen ein wenig spazieren gehen." log Graustreif. Die weiße Kätzin verengte ihre Augen zu schlitzen und funkelte den Kater an. ,,Deine Ausreden waren mal besser, Graustreif." mahnte sie. Feuerstern trat seufzend vor. ,,Wir wollten zum FlussClan und nach Graustreifs Jungen sehen." gab er zu. Nebelschweif sah ihn überrascht an. ,,Das ist eine mäusehirnige Idee..." gab Nebelschweif zurück. ,,Steinfell und Nebelfuß waren auch nicht bei der letzten Versammlung." unterbrach Rauchschweif sie hastig. Das änderte alles. Tigerstern wusste, dass Blaustern ihre Mutter gewesen war. ,,In Ordnung, aber ich komme mit euch." legte die weiße Kätzin fest. Feuerstern wollte etwas einwenden, worauf Nebelschweif ihm einen eisigen Blick zuwarf und er es runterschluckte.

Bei den Trittsteinen sprang Nebelschweif als letztes hinüber. Was wirklich anstrengend gewesen war. So hatte es die Älteste nicht in Erinnerung. Doch dann zog ein starker FlussClan- und SchattenClan-Geruch in ihre Nase. Feuerstern stoppte kurz und beobachtete eine Patrouille auf der anderen Uferseite. Graustreif wurde bereits ganz unruhig. Als die Patrouille im Schilf verschwand liefen die fünf Katzen weiter. Vom letzten Trittstein aus sprangen sie in das kalte Wasser und schwammen zu Uferböschung, in ein dichtes Schilfbüschel. Leise schlich Nebelschweif hinter Feuerstern auf das FlussClan-Lager zu. Dicht hinter ihr schlichen Rabenpfote, Graustreif und Rauchschweif. Ein Geruch nach Krähenfraß stieg der weißen Kätzin in die Nase, worauf sie sich die Nase rümpfte. ,,Igitt! Was ist denn das?" knurrte Rabenpfote. ,,Aas" antwortete Nebelschweif leise. ,,Das stinkt fürchterlich." murmelte Graustreif. Feuerstern führte die Katzen weiter durch das Schilf, bis er zum Stehen kam. Nebelschweif hörte wage viele Katzenstimmen durcheinanderreden. ,,Was soll das? Wir sind noch nicht einmal in der Nähe ihres Lagers." flüsterte Graustreif. Feuerstern brachte ihn mit einem Schwanzschnippen zum Schweigen. Nebelschweif kroch vorsichtig näher durch das Schilf, Feuerstern folgte ihr. Der Anblick der sich dort eröffnete, sorgte selbst bei Nebelschweif für entsetzen. Überall lagen achtlos Beutereste. Katzen hocken am Ufer und zerrten an Beuteresten. Dann fiel ihr plötzlich ein großer Berg in den Blick. Als sie genauer hinsah, gefror der Ältesten das Blut in den Adern. Das war ein Berg aus Knochen. Sie sah zu Feuerstern, der ebenfalls mit gesträubtem Fell darauf starrte. ,,Ich nehme an, das ist der Knochenberg aus deinem Traum." hauchte Nebelschweif leise. Feuerstern nickt nur knapp. ,,Da oben ist Tigerstern." flüsterte er leise. Nun erkannte die weiße Kätzin ihn auch. Rauchschweif, Rabenpfote und Graustreif kamen ebenfalls leise angekrochen. Am Fuße des Knochenhaufens, standen Schwarzfuß und Leopardenstern. Ihr Blick huschte nervös hin und her. Du dummes Ding, dachte sich Nebelschweif bitter, sieh was du getan hast. ,,Meine Jungen sehe ich nicht." hauchte Graustreif leise. Nebelschweif konnte Nebelfuß und Steinfell auch nicht entdecken. Tigerstern erhob sich auf die Pfoten, dabei fielen kleine Knochen klappernd vom Berg. ,,Katzen des TigerClans, findet euch hier am Knochenberg zu einer Versammlung ein!" jaulte er laut. Unverzüglich näherten sich viele Katzen der Lichtung. Es waren aber überwiegend nur SchattenClan-Katzen, keine Heiler. ,,Wahrscheinlich hat er den Berg dem Großfelsen nachgebaut. Damit er auf seinen Clan hinuntersehen kann." flüsterte Rabenpfote bitter. Die Katzen hatten auf der Lichtung ihren Platz eingenommen. Als letztes schritt eine Schildpattkatze durch die Menge und setzte sich vorne an den Fuß des Knochenhaufens. ,,Buntpelz." hauchte Rauchschweif schmerzvoll. ,,Es wird Zeit für die Verhandlungen. Holt die Gefangenen!" verkündete Tigerstern. Nebelschweif blieb die Luft weg, Gefangene? Auf diesen Befehl verschwand ein SchattenClan-Krieger, Schiefzahn. Wenig später tauchte er wieder auf, mit einer anderen Katze vor sich her stoßend. Die Älteste erkannte sofort das es sich um Steinfell handelte. Er war ungepflegt und abgemagert. Sein Ohr war zerfetzt und blutete. Wut stieg in der weißen Kätzin auf. Schiefzahn stieß ihn in den Kreis der Katzen vor dem Knochenberg. Nebelschweif entwich ein leises Knurren. ,,Still Nebelschweif." flüsterte Feuerstern. Das Schilf teilte sich erneut und Dunkelstreif trat hervor, mit zwei kleineren Katzen. An dem silbergrauen Fell erkannte Nebelschweif, Graustreifs Jungen. Die einzigen Nachfahren von Streifenstern. Graustreif knurrte tief aus der Kehle und setzte zum Sprung an. ,,Nein!" zischte Feuerstern. ,,Wenn uns Tigerstern entdeckt, sind wir Krähenfraß!" Rabenpfote hielt den grauen Kater an der Schulter fest. Falsch, ihr habt keine Chance, dachte Nebelschweif. ,,Passt auf!" befahl Feuerstern. Tigerstern begann laut zusprechen. ,,Katzen des TigerClans, ihr alle wisst, welche Prüfungen uns bevorstehen. Die Kälte der Blattleere bedroht uns. Zweibeiner bedrohen uns. Die anderen beiden Clans im Wald, die noch nicht erkannt haben, dass es klug wäre, dem TigerClan beizutreten, bedrohen uns." Nebelschweif schüttelte entsetzte den Kopf. Doch Tigerstern fuhr nach einer kurzen Pause fort. ,,Von Feinden umzingelt müssen wir uns jetzt der Treue unserer eigenen Krieger versichern. Im TigerClan ist für Halbherzigkeit kein Platz. Kein Platz für Katzen, die im Kampf zögern oder, schlimmer noch, sich gegen ihre eigenen Gefährten wenden könnten. Der TigerClan wird keine Verräter dulden!" Nebelschweif hätte wegen der Ironie in diesen Sätzen, beinahe laut aufgelacht. Die Katzen auf der Lichtung brachen in zustimmendes miauen aus. ,,Vor allem dulden wir nicht so etwas Abscheuliches wie HalbClan-Katzen." Plötzlich trat Dunkelstreif vor. ,,Und was ist mit ihr, sie ist zur Hälfte WindClan." kreidete er an und deutete auf Buntpelz. Nebelschweif zog scharf Luft ein. Die Schildpattkätzin peitschte wütend mit ihrem Schwanz, am Fuße des Knochenbergs. Tigerstern entwich ein Knurren. ,,Nebelschweif hat gelogen, nicht dieser räudige Kater aus dem WindClan war der Vater, sondern ich." antwortete er wütend. Rauchschweif sah entsetzt zu der Ältesten. Die diese Worte selbst kaum fassen konnte. ,,Stimmt das?" zischte die schwarze Kätzin. Nebelschweif schüttelte den Kopf. ,,Natürlich nicht, ich werde hier jetzt nicht diskutieren, ob ich und Tigerstern Gefährten waren oder nicht." zischte sie wütend. Tigerstern fuhr wieder fort. ,,Kein treuer Krieger würde sich jemals auf einen Gefährten aus einem anderen Clan einlassen und das reine Blut unserer Kriegerahnen verschmutzen. Blaustern und Graustreif, die beide zum DonnerClan gehören, haben sich über das Gesetz der Krieger hinweggesetzt, als sie sich mit FlussClan-Kriegern eingelassen haben. Den Jungen einer solchen Vereinigung, wie ihr sie jetzt hier vor euch seht, darf man niemals vertrauen." Die Katzen jaulten zustimmend auf. Nebelschweif wusste worauf das hier alles hinauslief. Er wird sie alles töten. Tigerstern erhob wieder die Stimme. ,,Bis jetzt sind HalbClan-Katzen geduldet worden, aber unsere Geduld hat nun ein Ende. Im TigerClan ist kein Platz für Krieger, die zwei Clans verpflichtet sind. Wie sollen wir ihnen vertrauen, dass sie unsere Geheimnisse nicht verraten oder sich sogar gegen uns wenden und uns töten? Können wir vom SternenClan verlangen, an unserer Seite zu kämpfen, wenn wir jenen, die nicht reinen Herzens und reinen Blutes sind, erlauben, sich frei unter uns zu bewegen?" Aus der Menge tönten laute Zustimmungen. Nebelschweif wandte sich an Feuerstern. ,,Ich werde jetzt zu ihm gehen." miaute sie bestimmt. Der Anführer sah sie überrascht an. Auf der Lichtung entstand eine hitzige Diskussion zwischen Tigerstern und Steinfell. ,,Nein ..." fing Feuerstern an, aber Nebelschweif unterbrach ihn. ,,Sie werden sterben." zischte Nebelschweif panisch. Dann wandte sie sich an Rauchschweif. ,,Ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht, aber mich in Streifenpelz verliebt zu haben und dadurch dich zu bekommen, war keiner davon." miaute sie sanft. Rauchschweif sah ihre Mutter entgeistert an. ,,Nein, du kannst nicht gehen. Er bringt dich am Ende auch noch um." flehte sie. Nebelschweif sah zu Graustreif und Rabenpfote. ,,Haltet sie fest, sie soll mir nicht folgen. Keiner von euch und kommt auch nicht um mich zu retten." Die Älteste sah zu Feuerstern. ,,Habt ihr verstanden?" machte sie klar. Der Anführer nickte gezwungen.

Leise schlich Nebelschweif durch das Schilf davon. Tigerstern Stimme hallte über die Lichtung. Nebelschweif blieb versteckt im Schilf und wartete auf den passenden Moment. ,,Steinfell, ich gebe dir eine Chance, deine Treue zum TigerClan zu beweisen. Töte diese beiden HalbClan-Schüler." befahl Tigerstern. Eine unheimliche Stille breitete sich über der Lichtung aus. Steinfell würde das nie tun, war sich die weiße Kätzin sicher. Er sah zu Leopardenstern. ,,Ich empfange meine Befehle von dir," knurrte er. ,,Du musst wissen, dass dies nicht richtig ist. Sag mir, was ich tun soll!" Leopardenstern sah einen Herzschlag unsicher aus und schwieg kurz. ,,Es sind schwierige Zeiten," miaute sie schwerfällig. ,,Wenn wir um unser Überleben kämpfen, müssen wir auf jeden unserer Clan-Gefährten zählen können. Für halbe Loyalitäten gibt es bei uns keinen Platz. Tu, was Tigerstern von dir verlangt." Steinfell erwiderte ihren Blick noch einen Moment, dann sah er die beiden Schüler an. Die beiden hockten dicht beieinander, Sturmpfote leckte seiner Schwester tröstend über das Fell. ,,Wir werden uns wehren. Ich werde nicht zulassen, dass er uns tötet." versprach der kleine Kater. Nebelschweif war bereit herauszuspringen, aber sie hatte vertrauen in Steinfell, das er es nicht tun würde. Der FlussClan-Krieger nickte dem Schüler kurz zu, dann wandte er seinen Blick zu Tigerstern. ,,Erst wirst du mich töten müssen, Tigerstern!" fauchte Steinfell. Tigersterns Blick verfinsterte sich und er sah zu Dunkelstreif. ,,Wie du willst. Töte ihn!" befahl er dem dunklen Tigerkater. Dunkelstreif duckte sich und stürzte sich auf Steinfell. Nebelschweif setzte eine Pfote nach vorn. Dunkelstreif war ein schlechter Krieger, Steinfell war ihm selbst jetzt überlegen. Schnell wie ein Blitz ließ Steinfell sich nach hinten fallen, sodass Dunkelstreif nicht auf seinen Rücken landete, sondern zwischen allen vier Pfoten, die ihm mit ausgefahrenen Krallen den Pelz zerrissen. Nebelschweif schmunzelte, genau diesen Trick hat Blaustern auch immer angewandt. Die beiden Krieger rangelten am Boden miteinander. Steinfell bekam Dunkelstreif am Nackenfell zu packen. Nebelschweif sah wie Tigerstern die Geduld langsam verlor. Sie atmete tief ein und trat aus dem sicheren Schilf. Sein Blick trat sofort auf ihren.

Warrior Cats- Sturm der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt