14. Beim Flüstern erwischt

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Mein Wecker klingelt mich aus meinen süßen Mittagsschlafträumen und ich schnaube genervt – jetzt heißt es: ›Ab zur Arbeit!‹ Juhu.

Während ich im Bad stehe und roten Lippenstift auftrage, blitzt Eros' Gesicht vor meinem inneren Auge auf. Stimmt, der Hauptgrund, aus dem ich heute so gar keine Lust habe, zur Arbeit zu gehen, ist leider er. Heute ist nämlich Samstag und er wird natürlich da sein.

Missmutig presse ich die Lippen aufeinander, um die rote Farbe ein wenig zu verteilen.
Eigentlich fast schade, dass er so ein nerviger Arsch ist, er ist wirklich heiß – wenn man auf sowas steht. Okay, wem will ich hier was vormachen? Er ist heiß, Punkt. Leider trotzdem so unsympathisch, dass das nicht mehr ins Gewicht fällt.

Ich krame in den Tiefen meines Schminkbeutels nach dem flüssigen Eyeliner und befördere ihn schließlich mit einem triumphierenden ›Ha!‹ zutage. Routinemäßig male ich mir zwei schwarze Cateye-Lidstriche an, dann ziehe ich mich um.

Kurze Zeit später stehe ich schließlich fertig und putzmunter vor der Tür... Gut, das ›putzmunter‹ ist gelogen. Genervt blase ich mir eine Ponyfranse aus der Stirn und blicke zur Seite.

Ob Eros schon im Federica's ist? Ich schüttle den Kopf. Ist doch auch egal, ich muss diesem Blödmann heute so oder so ins Gesicht schauen.

Übellaunig schwinge ich mich auf mein Fahrrad und flitze los – ja, ich denke man kann hier getrost von Flitzen reden. Frau Inker wird durchdrehen hinter ihren Gardinen am Fenster. Bei dem Gedanken grinse ich breit.

Als ich das italienische Restaurant schließlich näher und näher kommen sehe, verziehe ich den Mund. Nachdem ich mein Fahrrad angeschlossen habe, gehe ich eher mäßig begeistert rein. Normalerweise läuft mir immer das Wasser im Mund zusammen, wenn mir der Geruch vom Federica's entgegenschlägt. Heute revoltiert mein Magen allerdings so heftig, dass ich mir unwillkürlich eine Hand an den Mund halte.

»Kind, ist alles in Ordnung mit dir?«

Ich drehe mich zur Seite. »Oh, hi!«, begrüße ich meine Chefin leicht verlegen. Sie stemmt einen Arm in die Hüfte und sieht mich prüfend an. »Du siehst nicht gut aus.« Tja, Make-up kann eben auch nicht alles kaschieren.

»Alles in Ordnung, hatte nur ein Glas zu viel gestern«, murmle ich und bevor Federica noch auf die Idee kommen könnte, mir eine Standpauke zu halten, drehe ich mich um und mache mich auf den Weg in den Pausenraum, um mich dort für meine Schicht fertig zu machen.

Als ich die Tür aufstoße, wäre ich jedoch am liebsten direkt wieder auf dem Absatz umgekehrt.

»Musst du unbedingt hier sein?!«, keife ich entnervt. Eros verschränkt die (nackten) Arme vor der (nackten) Brust und schnaubt.

»Wo soll ich mich denn bitte sonst umziehen?« Ich kneife die Augen zusammen und wedele in Richtung seines Oberkörpers, ohne auf seine Frage einzugehen. 

»Zieh dir was an!«

»Ich war gerade dabei, als du mich so rüde unterbrochen hast, sputafuoco

Wieder dieses Wort. Ein spöttisches Halblächeln zeichnet sich auf seinem großen Mund mit den vollen Lippen ab.

Heiß brennende Wut steigt in mir hoch und ich schreie frustriert auf. »Hör auf, mich so zu nennen!«

»Du weißt immer noch nicht, was es bedeutet, oder?« Er lächelt nach wie vor überheblich. Am liebsten würde ich ihm das Lächeln aus dem Gesicht hauen, aber das wäre ja nicht das erste Mal.

Ich verschränke ebenfalls die Arme und gehe einen Schritt nach dem anderen auf ihn zu, bis ich dicht vor ihm zum Stehen komme. Er rührt sich nicht von der Stelle.

Ich versuche, nicht seinen nackten Oberkörper anzustarren (was gar nicht so einfach ist) und lege den Kopf in den Nacken um ihm in die Augen zu sehen. Trotzdem brennt sich das Bild seiner hellen, wie in Marmor gemeißelten Brust mit den vielen kleinen Muttermalen unweigerlich in mein Gedächtnis...

Ich schüttle den Kopf. Schluss jetzt!
Mit herausfordernd gerecktem Kinn antworte ich schließlich: »Nein, ich habe keine Ahnung und es ist mir auch egal! Hör einfach auf damit, klar?«

Er senkt den Kopf, sodass unsere Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt sind, ich schlucke. Er beugt sich vor und als seine Lippen mein Ohr streifen, zucke ich leicht zusammen, weiche aber nicht zurück. Das lässt mein Stil nicht zu. 

»Du glaubst wahrscheinlich, dass das ein Schimpfwort ist, nicht wahr?«, haucht er und aus irgendeinem Grund breitet sich eine Gänsehaut auf meinem Rücken aus. Tja, ich würde sagen, mein Körper versteht da was falsch – ich finde das definitiv nicht angenehm! Ich räuspere mich.

»Lüg' nicht, natürlich ist es das!«, zische ich leicht wackelig. Wieder kitzeln mich seine Lippen als er schlicht antwortet: »Ich lüge nicht.«

»Schön, aber es ist bestimmt nichts Nettes.« Meine Stimme klingt sehr viel atemloser, als mir lieb ist. 

Sein leises Lachen lässt nochmal einen Schauer über meinen Rücken rieseln und ich würde mich jetzt in diesem Moment am liebsten ganz fest kneifen. Das lasse ich aber mal besser bleiben, es würde wohl doch sehr merkwürdig rüberkommen.

»Hm, als nett würde ich es tatsächlich nicht bezeichnen«, murmelt er, sein warmer Atem streift meine Haut.

Ein Räuspern lässt uns beide wie der Blitz auseinander stolpern. Mit hochrotem Kopf und geweiteten Augen starre ich Federica an, die mit einem undefinierbarem Gesichtsausdruck in der Tür steht.

»Äh, also...« 

»Das war...«, stammeln wir beide gleichzeitig. Doch sie hebt nur die Hand und wir verstummen.

»Entspannt euch! Ist doch nichts passiert, non è vero?«

Eros und ich tauschen einen verwunderten Blick. Unsere Schichten haben vor fünf Minuten begonnen und Federica schimpft nicht? Warum...? Oh.

Plötzlich fällt mir unser Gespräch von vor kurzem ein, als sie mir Eros schmackhaft machen wollte. Sie hätte also nichts dagegen, wenn sie uns beim Rummachen erwischen würde – nur, dass wir gar nicht rumgemacht haben!

»Du hast da was falsch verstanden, Federica...«, beginne ich, doch sie wedelt nur abwehrend in meine Richtung.

»Ist in Ordnung, ich habe doch nichts dagegen! Du bist ein gutes Mädchen.«

Als ich zu Eros blicke, sieht er so dermaßen irritiert aus, dass ich lachen würde, wenn diese Situation nicht so absolut absurd wäre.

»Also, ich lasse euch dann mal allein!«
Mit einem letzten Augenzwinkern schließt sie die Tür hinter sich.

Finja spuckt FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt