82. Seelenberührung

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Wirre Konturen.

Farbkleckse, alles verschwommen und sehr diffus – das ist das erste, was ich sehe, bevor ich meine Augen gänzlich öffne. Das zweite sind zwei glühende Bernsteinaugen, die besorgt auf mich runterschauen. Oh, das ist Eros.

Das ist Eros!

Erschrocken schnappe ich nach Luft und zucke so heftig zusammen, dass ich fast von etwas runtergerutscht wäre, wenn mich ein starker Arm nicht in allerletzter Sekunde an der Hüfte umklammert hätte. Dieses ›Etwas‹ identifiziere ich nach einen schnellen Blick als eine Parkbank. Scheint so, als verbringe ich in Paris einiges an Zeit auf Parkbänken.

Eilig mache ich mich von ihm los und setze ich auf... mit einer guten Portion Abstand.

Mit brennenden Wangen starre ich überall hin, nur nicht zu ihm. Als ich mich umsehe, fällt mir auf, dass wir in der Nähe des Eiffelturms sind. Mir war gar nicht bewusst, dass das Restaurant so nahe am Turm ist.

»Er ist wirklich beeindruckend, nicht wahr?«, ertönt seine tiefe stimme neben mir und sofort erfasst mich eine heftige Ganzkörper-Gänsehaut. Ich weigere mich nach wie vor, ihn anzusehen.

Oh, Gott. Eros. Er ist hier!

Mit einem Mal fühle ich mich, wie in einen surrealen Traum geworfen. Der Mann, der mir so heftig das Herz gebrochen hat und den ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe, weder in echt, noch in meinen Gedanken... er ist jetzt hier. Er sitzt einfach neben mir. Das ist... unglaublich.

»Du willst mich nicht ansehen.«

»Richtig, Sherlock«, erwidere ich kalt. Zum Einen bin ich immer noch furchtbar sauer auf ihn. Und zum Anderen habe ich einfach Angst davor, was geschieht, wenn ich ihn anschaue.

Ein leises Seufzen. Dann: »Okay. Du musst mich nicht ansehen.«

Stur starre ich den berühmten Eiffelturm an. Schon so lange habe ich mir gewünscht, ihn vor Augen zu haben. Jetzt sehe ich nicht einmal wirklich, wie schön dieser Anblick ist und weiß es gar nicht richtig zu schätzen. Dafür bin ich gerade viel zu aufgewühlt. In diesem Moment ist es einfach nur ein x-beliebiger Turm für mich. Nicht mehr und nicht weniger.

»Ich sollte dich ins Krankenhaus bringen.«

Diese Aussage reißt mich dann doch aus meiner Starre und ich schüttle den Kopf. »Nein, mir geht's gut, das war nur der Kreislauf. War ein anstrengender Tag.« Ich bin schon sehr viel klarer im Kopf und halte es definitiv für übertrieben, ins Krankenhaus zu fahren.

Diese ganze Aufregung, das Rumgerenne und anschließend noch Eros' Anblick haben mir einfach den Rest gegeben – ich weigere mich immer noch strikt, ihn eines Blickes zu würdigen. Zu viel Angst habe ich davor, was es in mir auslösen könnte.

Ein resigniertes Seufzen ertönt. »In Ordnung. Aber sobald du auch nur das geringste Anzeichen an Unwohlsein an den Tag legst, verfrachte ich dich in ein Taxi zum Krankenhaus!«

Wut schäumt in mir hoch. Alte, vergessen gelaunte Gefühle des Grolls kehren zurück und ich zische: »Hat dich ja sonst auch nicht interessiert, wie ich mich fühle, du Arschloch!«

Aggressiv schnaube ich und presse die Lippen zusammen, immer noch die imposante Präsenz des Eiffelturms vor Augen.

»Du hast das Recht, wütend zu sein.«

»Ja, verdammt, ich weiß! Das brauchst du mir nicht sagen!«, zische ich.

Darauf erwidert er nichts. Gegen die dunkle Welle der Trauer, die mich hinterrücks überrollt, kann ich nichts machen. Heiße Tränen sammeln sich im meinen Augen an und ich wische sie verärgert weg, bevor sie meine Wangen benetzen können.

Finja spuckt FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt