39. Manja

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»Wie, du hast eine Schwester?!«, trällert Mona gut gelaunt in den Hörer, sodass ich unwillkürlich die Augen verdrehen muss.

»Ja, ich hab eine Schwester, jetzt schalt mal 'nen Gang runter«, grummele ich, was sie scheinbar nur noch mehr anstachelt.

»Ha! Die ist doch bestimmt genauso krass drauf wie du!«, prustet sie los, ich schüttele nur den Kopf und murmle: »Wenn du nur wüsstest...«

Als sie sich von ihrem Lachkrampf erholt hat, sagt sie: »Nein, jetzt aber mal ernsthaft: Wie ist sie denn so?«

Ich höre aufrichtiges Interesse aus ihrer Stimme heraus, also gebe ich seufzend nach und antworte: »Meine Küchenspüle hat mehr Tiefgang als sie. Alles, was sie interessiert, ist das Finanzwesen – Sie arbeitet übrigens bei einer Bank, Überraschung! – ohne Scheiß, diese Frau ist so trocken wie mein Morgentoast und ihr geht wahrscheinlich einer ab, wenn sie das Börsengeschehen verfolgt.« Mona schnaubt belustigt.

»Ach, komm, da muss doch noch mehr sein. Du bist ihre Schwester, euch muss doch irgendwas verbinden.« Ich gebe ein gelangweiltes »Hm« von mir.

Sie kichert. »Na, gut, fangen wir so an: Wie sieht sie denn aus? Ihr müsst euch doch wenigstens ein bisschen ähnlich sein...«

»FIIIIINJAAAA, WO SIND DIE KAFFEEFILTER?!«, schallt es plötzlich zu mir hoch. Ich stöhne genervt.

»Warte mal kurz, Mona...« Das Mikro meines Handys mit der Hand abschirmend, brülle ich runter: »DAS TEIL DA UNTEN IST EIN FUCKING KAFFEEVOLLAUTOMAT!«

»JA, UND?!«

»DER FUNKTIONIERT OHNE BESCHISSENE FILTER!«

»IST JA GUT, DU MUSST MICH NICHT GLEICH SO ANSCHREIEN!«

»HALT DIE KLAPPE!«

»HALT DU DOCH DIE KLAPPE!«

»NEIN, DU HÄLST DIE –«

»KÖNNTET IHR VIELLEICHT BEIDE DIE KLAPPE HALTEN?!«, dröhnt auf einmal eine tiefe Männerstimme aus dem gegenüberliegenden Fenster.

Ich stehe von meinem Bett auf und trete an mein geöffnetes Fenster. Eros steht da und breitet die Arme aus, als wollte er sagen ›Was soll die Scheiße?!‹.

Ich schüttele nur müde den Kopf und brumme »Meine Schwester«, was er mit einem heftigen Stirnrunzeln quittiert. Wahrscheinlich geht ihm gerade der Arsch auf Grundeis bei dem Gedanken, dass es womöglich noch eine zweite Version von mir geben könnte. 

Mit einem nachdrücklichen ›Rumms‹ schließe ich das Fenster, drehe mich um und lasse mich wieder aufs Bett fallen. »Okay, Mona, bin wieder da.«

»Äh... war das deine Schwester?«

»Yep.«

»Verstehe.«

Mein Puls geht jetzt schon auf die hundertachtzig zu und Manja ist kaum angekommen! Unter höchstem Kraftaufwand unterdrücke ich das Bedürfnis, in mein Kopfkissen zu beißen und zu schreien. Stattdessen atme ich einmal tief durch und schließe kurz die Augen, dann setze ich mich auf.

»Wenn du so neugierig auf meine Schwester bist: Komm doch vorbei und schau sie dir in natura an«, schlage ich vor. Auf die Weise wäre ich wenigstens nicht allein mit dieser Harpyie. 

»Ich habe ehrlich gesagt Angst, dass sie mich in der Luft zerfetzt.«

»Wenn das so weitergeht, zerfetzen sie und ich uns noch in der Luft! Willst du das? Komm schon, du wärst der perfekte Puffer.« Mona seufzt.

»Na, gut. Aber nur, weil euer Haus so 'ne geile Klimaanlage hat!« Ich grunze belustigt.

»Meinetwegen. Hauptsache, du kommst her.«

🔥

Etwa fünfzehn lange Minuten, in denen ich Manja aus dem Weg gehe, später, klingelt es endlich an der Tür und ich renne nach unten. Gerade, als ich die Tür aufreißen will, werde ich unsanft von hinten angerempelt, sodass ich mit der Nase fast gegen sie stoße.
Erbost drehe ich mich um.

»Manja, was zur Hölle?!«

Sie sieht blitzt mich nur grimmig aus hellgrünen Augen an – genau, wie eine schlecht gelaunte Katze – und brummt betont gelangweilt: »Jetzt mach schon auf!«

Ich verdrehe die Augen und tue wie geheißen. Als ich also schwungvoll die Tür öffne, ist das erste, was ich sehe, Monas breites, freundliches Grinsen – welches prompt gefriert und einer ungläubigen Grimasse Platz macht.

»Was?«, fragen Manja und ich unfreiwillig aus einem Mund, dann funkeln wir uns genervt an. Mona deutet mit offenem Mund zwischen uns hin und her. Irgendwie erinnert sie mich gerade an einen Goldfisch.

»Ihr beide seht aus...« Ihre Stimme verliert sich. 

»Ja?«, frage ich ungeduldig.

»... wie Zwillinge!!!«

Manja brummt nur ein lang gezogenes »Ein Scheeeeeiiiß« während ich abwehre: »Quatsch, Mona! Wo siehst du da bitte Ähnlichkeiten?«

»Machst du Witze?! Ihr seht fast genau gleich aus! Ihr seid gleich groß, habt die gleichen Gesichtszüge, den gleichen Körperbau... «

»Die ist definitiv fetter als ich«, wirft Manja ein und ich zische: »Nein, ich habe einfach nur einen Arsch und Brüste!«

»... und ihr seid beide kratzbürstig ohne Ende, nicht zu vergessen.« Mona grinst und schiebt sich an uns vorbei ins Haus.

»Außerdem habt ihr genau die gleiche Stimme. Vorhin am Telefon habe ich einen Moment gedacht, du schreist dich selbst an, so bisschen schizo, weißt du?«

Ich schließe die Tür mit einem nachlässigen Tritt und folge den beiden in einigem Abstand in die Küche, die wohl sowas wie ein neuer gesellschaftlicher Hotspot geworden zu sein scheint.

Zugegeben, Manja und ich ähneln uns schon ein wenig, wir sind ja schließlich Schwestern. Hier mal die feinen, aber entscheidenden Unterschiede, die Mona wohl vergessen hat zu erwähnen: Ich bin ein echter Hitzkopf (was nicht unbedingt immer gut ist, zugegeben), wohingegen Manja einfach nur leidenschaftslos ist; Ich habe etwas, das sich Körperhaltung nennt, sie läuft herum wie eine zerkochte Nudel, kurz: Ich habe Stil – sie nicht.

Ein Stich schlechten Gewissens plagt mich, weil ich in Gedanken so über Manja herziehe... schließlich ist sie doch meine Schwester. Ich blicke nachdenklich auf und beobachte Mona dabei, wie sie Manja irgendwas erzählt, freundlich lächelnd wie immer.

Plötzlich hebt Manja den Blick und rollt gelangweilt die Augen in meine Richtung.
»Schaff mir diese Quasselstrippe vom Hals! Der scheint doch die verdammte Sonne aus'm Arsch...«

Und schon war es das mit meinem schlechten Gewissen. 

Finja spuckt FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt