Kapitel 13

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"Cass..."

"Cassandra..."

"Cassandra!", rief Hilda.

Sie schaute sofort überrascht von ihrer Arbeit auf, die daraus bestand die getrockneten Kräuter in eine Schale mit heißem Wasser zu geben.

"Was gibt es denn, Hilda?"

"Na, du musst ja wirklich sehr in deinen Gedanken versunken sein, wenn du nicht mal hörst, dass ich dich drei Mal gerufen habe. Ich habe dich doch gefragt, was Hraerek gesagt hat und bisher habe ich keine Antwort erhalten."

Cassandra seufzte und entschuldigte sich bei Hilda. Sie war seit einer Stunde wieder zurück und dabei so in ihre Arbeit vertieft, dass sie Hilda wirklich nicht gehört hatte. Es war ja nicht so, dass sie es absichtlich tat, aber ihr Kopf schweifte immer wieder zum Morgen zurück. Hatte sie es womöglich zu weit getrieben, als sie Hraerek so gereizt hatte? Hätte sie lieber den Mund halten sollen? Nein! Es war mal wichtig diesem Großkotz einzubläuen, dass er nicht der Mittelpunkt der Welt war. Umso überraschter kam ihr der Auftritt seines Bruders. Cassandra hatte bereits davon gehört, dass der Jarl einen Bruder hatte, aber dass er sich so von Hraerek unterschied, verblüffte sie. Er war so höflich und galant gewesen; auch seine Wortwahl war sehr charmant. Es war schon lange her, dass jemand so wortgewandt mit ihr war. Doch wenn sie an den Handkuss zurück dachte, stellte sie sich immer wieder Hraereks Gesicht vor, der sie danach zu sich hinzog und ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen gab.

Cassandra zuckte sofort zusammen und schüttelte heftig den Kopf. Jetzt konzentriere dich gefälligst Mal, Cass! Du hast genug Patienten um die du dich kümmern musst. Und dem war auch so; gerade mischte sie eine Rezeptur für die Mutter von Hildas Pflegefall. Dem kleinen Lars ging es inzwischen schon besser und auch das Fieber, das den kleinen geplagt hatte, war fast vollkommen abgeheilt. Aber nun ging es Astrid umso schlechter. Björn hatte sie kurz nach Cassandras Aufbruch zur Schildhalle zu Hilda gebracht. Die arme Frau hatte sich mit heißem Wasser verbrüht und ihr ganzer Arm war übersät mit Brandblasen. Hilda hatte schnell gehandelt und ihren Arm in Eiswasser getaucht, aber die oberflächliche Haut war nicht mehr zu retten.

Normaleiweiße gab es in Cassandras Heimat, beziehungsweise Zeit künstliche Haut, die man ihr auflegen konnte um die Wunde heilen und regenerieren zu lassen. Da dies nicht der Fall war und es auch keine kühlenden Gele gab, musste Cassandra improvisieren. Sie bereitete einen Tee aus Weidenrinde vor, der die Schmerzen lindern würde. Als nächstes folgte ein Dekokt aus verschiedenen Kräutern, den Cassandra bereits angesetzt hatte. Sie hatte bereits eine zweite Schüssel vorbereitet, die mit einem großen, sauberen Stück Leinen ausgelegt war. Dort goss sie den Sud hinein und bat Hilda den Stoff festzuhalten. Danach griff sie das Tuch an allen vier Ecken und zog es vorsichtig hoch, damit die Kräuter nicht im Auszug zurück blieben. Diesen Prozess wiederholte sie noch zwei Mal, bis sie sicher war, dass kein Rest mehr von den Kräutern vorhanden war.

"So, dass sollte reichen", verkündete sie leise und trug die Schüssel zum Lager von Astrid. Diese lag dort stöhnend mit nassen Tüchern über dem Arm und wartete auf ihre Behandlung. Cassandra stellte die Schüssel auf ihren Schoß ab und legte Astrid den Becher mit dem Tee aus Weidenrinde an die Lippen.

"Hier, trinkt das. Es wird Eure Schmerzen lindern."

Astrid trank bereitwillig, während Hilda ihr die Tücher vom Arm nahm. Es sah meistens schlimmer aus, als es eigentlich war. Dies hatte Cassandra schnell gelernt, als sie als Chirurgin gearbeitet hatte. In diesem Fall jedoch würde ihre Patienten einigen Narben nicht entgehen können. Sie griff nach den Leinentüchern, die Hilda ihr bereit gestellt hatte und tunkte diese in den Auszug.

"Am Anfang wird es etwas weh tun, aber danach werdet Ihr Euch besser fühlen."

Astrid nickte dankend, zog aber scharf die Luft ein als Cassandra begann die verbrannte Haut mit dem Sud abzutupfen. Sie ging dabei so vorsichtig vor, wie es möglich war und zupfte dabei etwas von der abgestorbenen Haut ab. Zwischendurch wechselte sie die Tücher um die Sauberkeit der Wunde zu gewährleisten. Gerade in dieser Zeit war Reinlichkeit so penibel wichtig, dass es nicht zum Wundbrand kam. Leider musste sie auf Desinfektionsmittel und klinischen Alkohol verzichten, genauso wie Jod-Tinktur. Also behalf sie sich mit dem was ihr zur Verfügung stand.

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