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"Auch mal wach" scherzte Passi, als ich etwa zwölf Uhr ins Arbeitszimmer schlurfte.
Er war über das Skript gelehnt und machte sich gerade ein paar Notizen.
Ich murmelte irgendetwas unverständliches und ließ mich auf meinen Platz fallen.

"Hab mir mal ein paar Gedanken wegen Kameraeinstellungen und so gemacht" meinte er und sah mich mit schiefgelegtem Kopf an, "Ich nehme an, das sollte ich?"
"Oh, genau, danke" sagte ich etwas durcheinander, "Ich schau gleich nochmal, wollte nur noch eben Carina anrufen" fügte ich hinzu und zog mein Handy hervor.

Ich wählte ihre Nummer und sie versprach, gleich am Nachmittag noch vorbeizukommen. Dann nahm ich mir Passis Aufschriften zur Hand, machte meinerseits noch ein paar Ergänzungen und empfing schließlich Carina, die gerade ankam.
"Du siehst ganz schön scheiße aus" begrüßte sie mich.
"Ja, dir ebenfalls einen guten Tag" erwiderte ich und schob sie zur Couch.
Dort klärte ich sie über meine Pläne auf und drückte ihr das Skript und ein paar weitere Notizzettel in die Hand.
Sie nickte und machte sich an die Arbeit.

Ich schnappte mir meine Songtexte von gestern Abend aus dem Arbeitszimmer und klopfte damit an Vince' Tür.
"Herein" rief er und ich betrat den Raum.
Er saß an seinem Computer.
Wie ich heute morgen.
"Kannst du mal schauen, ob du dazu nen Beat bauen kannst?" fragte ich ihn und hielt ihm die Zettel entgegen. "Sollte so ein bisschen EDM-mäßig werden."
Stirnrunzelnd las er sich meine Notizen durch und nickte dann.
"Jo, ich guck mal" meinte er und öffnete sein Programm.

"Okay, super, dann red ich jetzt nur nochmal mit Marius wegen der After Effects" hakte ich erschöpft meine innere Liste ab und machte mich auf den Weg nach unten.
Gerade, als ich zurück zu den Computern wollte, hörte ich auf einmal die Stimme meiner Mutter. Sie klang traurig. "Julien?" rief sie.
"Ja, Mum?" antwortete ich und lief sofort die Treppe hinunter, um zu ihr zu gehen.
"Mum, was ist?" fragte ich erschrocken, als ich sah, dass sie geweint hatte.
Sie atmete tief durch.
"Oma ist tot" sagte sie beinahe tonlos.
Das saß.
"Was?!" Ich starrte sie an und merkte, wie mir selbst Tränen in die Augen stiegen.
Nicht Oma, die liebe Oma, die sich immer so gefreut hatte, wenn wir mal nach Singapur geflogen waren.

Meine Mutter sah mich nur traurig an und umarmte mich dann.
Ich fühlte mich an früher erinnert, wo Mum mich getröstet hatte, als mein Kaninchen verstorben war und mein 8-jähriges Ich todunglücklich in ihren Armen lag.
'Das ist nicht so schlimm', hatte sie gesagt, 'er ist jetzt im Buddha-Himmel und passt auf dich auf.'
Ich spürte, wie mir heiße Tränen die Wange herunterliefen und das Schuldgefühl wie ein schwerer Stein auf meinem Herzen lag.
Ich hatte viel zu wenig Zeit mit ihr verbracht. Zu oft hatte ich meine Familie für meine Arbeit vernachlässigt und sie warten lassen, bis ich meinte, es mir leisten zu können, eine Pause zu machen.
Ich war so egoistisch! Und das Schlimmste war, ich konnte es nicht mal rückgängig machen.

Mum löste sich von mir und murmelte etwas von wegen, sie müsse noch zu Shawn gehen.
Ich schloss mich im Bad ein und stützte die Hände auf dem Waschbeckenrand ab. Mein verheultes Gesicht sah mir aus dem Spiegel entgegen.
Mein Leben war doch ein absoluter Scherbenhaufen! Der ganze Stress durch meine Arbeit, der Tod meiner geliebten Oma und eine Liebe, die unerfüllbar ist und der ich dennoch nachhänge, wie ein Alkoholabhängiger seinem Suchtmittel.

Vielleicht konnte Alkohol mir noch helfen?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 19, 2020 ⏰

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• forbidden love • Julien Bam Fanfiction •Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt